Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M.Warburg
In den nächsten Wochen ist es so weit
Der DAX hat mit dem Rückenwind guter Konjunkturzahlen heute zur Eröffnung ein neues Allzeithoch erreicht. Wie überrascht sind Sie?
Wir sind nicht überrascht, weil wir diese Entwicklung erwartet haben. Die Konjunktur nimmt Fahrt auf, die Berichtssaison verlief ordentlich, die Bewertung ist zwar nicht mehr günstig, aber auch nicht zu teuer. Zudem kommt weiterhin Unterstützung von der Geldpolitik und der Tatsache, dass die Anlagealternativen auf den Rentenmärkten seit Jahresbeginn sogar noch unattraktiver geworden sind, wenn man sich die gesunkenen Renditen anschaut.
Bis zur historischen Marke von 10.000 Punkten ist es im DAX nun nicht mehr weit. Knackt der DAX die Marke noch in der ersten Jahreshälfte?
Wir gehen davon aus, dass die 10.000-Punkte-Marke in den nächsten Wochen erreicht und überschritten werden wird.
Was sollten Anleger jetzt tun: Noch einsteigen oder auf Rückschläge lauern?
Solange kein wirtschaftlicher Abschwung und vor allem keine neue Rezession drohen, beurteilen wir die Aktienmarktperspektiven grundsätzlich positiv, zumal unseres Erachtens noch keine generelle Überbewertung festzustellen ist. Normalerweise verschlechtern sich die Aussichten erst dann, wenn eine deutliche Fehlbewertung vorliegt und /oder die Notenbanken zu einer wesentlich restriktiveren Geldpolitik übergehen. Von daher ist es noch nicht zu spät, in deutsche Aktien zu investieren.
Bei welchen Werten im DAX sehen Sie noch Luft nach oben?
Vor allem konjunktursensitive Unternehmen haben noch Kurspotenzial. Wir favorisieren beispielsweise die Sektoren Chemie, Autos und Industrie.
Auf Seite 2: Robert Halver
Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank
Der Dax hat die Kraft der drei Herzen
Der DAX hat mit dem Rückenwind guter Konjunkturzahlen heute zur Eröffnung ein neues Allzeithoch erreicht. Wie überrascht sind Sie?
Wir sind nicht überrascht. Immerhin hat der DAX die Kraft der drei Herzen. Die Konjunktur läuft besser als erwartet. Außerdem erwarten wir eine üppige Geldpolitik der EZB nach der Europa-Wahl. Dann sind von EZB-Chef Draghi weitere Zinslockerungen und liquiditätsverbessernde Maßnahmen zu erwarten, die immer gut für Aktien sind. Und drittens ist die Ukraine-Krise zuletzt etwas in den Hintergrund getreten. Das Thema bleibt zwar ein Damoklesschwert, aber der negative Stimmungseinfluss auf die Schwellenländer insgesamt ist offenbar doch nicht so groß wie zunächst befürchtet.
Bis zur historischen Marke von 10.000 Punkten ist es im DAX nun nicht mehr weit. Knackt der DAX die Marke noch in der ersten Jahreshälfte?
Dafür muss der DAX sein Allzeithoch nachhaltig nach oben durchbrechen. Noch scheint den Anlegern dazu der Mut zu fehlen. Dafür ist die Lage in Russland und der Ukraine derzeit noch zu unübersichtlich. Aber früher oder später dürfte die Marke fallen.
Wann könnte das sein?
Im Juni , wenn die geldpolitischen karten der EZB neu gemischt werden, ist die nächste Gelegenheit. Dann wird Herr Draghi zur Tat schreiten. Mit dem Rückenwind der EZB als Fed 2.0 können dann sogar die 10.000 Punkte im DAX drin sein.
Sollten Anleger jetzt noch einsteigen oder auf Rückschläge lauern?
Die Volatilität wird an den Börsen sicher zulegen. Aber klar ist auch: Die Börsenweisheit Sell in May and go away ist auch nur ein Börsenkalauer. Denn wir haben ein Umfeld mit unendlich billigem Geld und guter Konjunktur. Man kann also weiter zugreifen, neben dem Investment in Einzelwerte eignen sich dabei auch Ansparpläne. Die sind zwar langweilig, aber auch genial. Übrigens, wer der Meinung ist, dass deutsche Aktien mit einem KGV um 13 teuer sind, was ist dann mit deutschen Staatsanleihen, die eine Bewertung weit über 100 haben?
Bei welchen Werten im DAX sehen Sie noch Luft nach oben?
Wir halten konjunktursensitive Branchen für aussichtsreich, also Elektro, Auto oder Chemie - aber auch die Banken. Wir gehen davon aus, dass der bevorstehende Bankenstresstest in der zweiten Jahreshälfte gut laufen wird. Außerdem wird die EZB die Oberaufsicht über die Banken übernehmen. Die sitzen dann wie in Abrahams Schoß. Aber auch Aktien aus anderen Ländern wie Italien und Spanien haben Nachholbedarf. Deren Konsum-, Öl- , Banken, aber auch viele Industriewerte haben teilweise Weltruf.