Ökonomen hatten sogar mit einem doppelt so großen Plus gerechnet, nach 0,2 Prozent Zuwachs im April. Die Stimmung der Betriebe sei gut und sie profitierten von der weltweiten Konjunkturerholung", sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang vom Industrieverband BDI. "Es besteht aber die Gefahr, dass anhaltende Transportengpässe vor allem in der Seeschifffahrt die Aufholjagd des Außenhandels ausbremsen."

Schon jetzt komme die Industrieproduktion trotz guter Auftragslage aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht richtig in Schwung, betonte Lobbyist Lang. Die EU müsse sich zügig mit den Engpässen befassen. Unternehmen seien bereits dabei, alternative Beschaffungswege aufzubauen. "Exportbeschränkungen sind kontraproduktiv." Die Erholung des Außenhandels stabilisiert sich nach Ansicht des Exportverbands BGA, steht aber auf wackligen Beinen. "Das derzeitige Chaos im Frachtverkehr, die immens gestiegenen Preise für Container sowie Rohstoffengpässe machen uns große Sorgen", sagte BGA-Präsident Anton Börner. "Gleichwohl sind wir davon überzeugt, dass sich der Markt mittel- bis langfristig wieder einpendeln wird."

In Deutschland setze sich die Exportbelebung fort - "wenn auch in einem langsameren Tempo", sagte Experte Carsten Brzeski von der ING-Bank. "Aber der Sand im Getriebe der Lieferketten könnte in den kommenden Monaten zu mehr Schwankungen führen." Die Importe stiegen mit 3,4 Prozent gut acht Mal so stark wie erwartet. "Es zeigt, dass wieder mehr Waren in Deutschland ankommen", sagte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. Damit lagen die Exporte um 0,3 Prozent unter und die Importe 9,4 Prozent über dem Niveau vom Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie in Deutschland.

DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle sieht "Schleier vor dem blauen Himmel". Denn die Statistik-Daten seien nominal und durch stark steigende Preise nach oben verzerrt. Die Einfuhrpreise lagen im Mai um 11,8 Prozent über dem Vorjahr und damit so hoch wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. "Rechnet man die monatliche Preisänderung aus den Außenhandelsdaten heraus, so sank die reale Ausfuhr sogar zum zweiten Mal in Folge um 0,4 Prozent zum Vormonat", sagte Scheuerle.

"WACHSTUMSZENIT IM ZWEITEN HALBJAHR DURCHSCHRITTEN"


Brzeski geht davon aus, dass sich die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal erholt. "Aber um einen wirklich beeindruckenden Anstieg zu sehen, benötigen die Juni-Daten eine starke Explosion der Aktivität." Experte Gitzel sagte, die boomende Industriekonjunktur normalisiere sich allmählich, in Deutschland und weltweit. "Der Wachstumszenit dürfte im zweiten Halbjahr durchschritten werden - auch bei den Exporten."

Im Mai verkauften die Firmen Waren im Wert von 109,4 Milliarden Euro ins Ausland. Verglichen mit Mai 2020 - der vom Lockdown beeinträchtigt war - sind dies 36,4 Prozent mehr. Dabei wuchsen die Ausfuhren zum wichtigsten Exportkunden USA um fast 41 Prozent, die nach Großbritannien um gut 46 Prozent und die nach China um 17 Prozent. Das Auslandsgeschäft mit den EU-Ländern legte um 43,3 Prozent zu.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erhöhte kürzlich seine Exportprognose für 2021 auf acht Prozent, nach einem Minus von mehr als neun Prozent im Corona-Jahr 2020.

Die Lieferengpässe sorgen bei deutschen Baufirmen immer stärker für Materialmangel und steigende Einkaufspreise. Gut 95 Prozent der vom Münchner Ifo-Institut befragten Betriebe berichteten im Juni von höheren Kosten in den vergangenen drei Monaten. Italiens Regierung erwägt derweil, Firmen in betroffenen Branchen für überhöhte Rohstoffpreise mit einer Verordnung oder einer Änderung bestehender Entlastungsmaßnahmen zu entschädigen. Dies signalisierte Verkehrsminister Enrico Giovannini im Interview mit der Tageszeitung "La Stampa".

rtr