Außerdem muss Draghi klären, ob deshalb akuter Handlungsbedarf besteht - etwa in Form einer weiteren Zinssenkung oder mit anderen Instrumenten aus dem sich spürbar leerenden Werkzeugkasten der Notenbank. Auf die angespannte Lage in den Schwellenländern kann Draghi deshalb keine Rücksicht nehmen - da sind sich Experten einig.

Denn das neue Jahr begann mit einem Schock: Der Preisauftrieb fiel bedenklich weit unter das von Draghi & Co. angestrebte Niveau von 2,0 Prozent. Mit 0,7 Prozent ist die Inflationsrate nun exakt so niedrig wie im Herbst, als die Notenbank mit einer überraschenden Senkung des Leitzinses auf das Rekordtief von 0,25 Prozent reagierte.

Die Währungsexperten der Commerzbank bleiben skeptisch, ob in dieser Woche bereits an der Zinsschraube gedreht wird: "Die EZB würde mit einem derartig hektischen Schritt nur den Eindruck von Panik verbreiten. Es dürfte taktisch klüger sein, noch einen zu Monat warten und dann im März - wenn die neuen Projektionen anstehen - die Zinssenkung 'ordentlich' zu begründen." Die Anfang kommenden Monats vorliegenden Prognosen der EZB und der ihr angeschlossenen Notenbanken in den 18 Euro-Ländern könnten den Ausschlag geben, ob der Leitzins noch weiter sinkt. Die Deutsche Bank glaubt an eine Zinssenkung der EZB "um fünf bis zehn Basispunkte, das wäre ein ungewöhnlich kleiner Schritt.

NÄCHSTER FEUERSTOSS DER EZB IM MÄRZ?

Draghi war nach der ersten Sitzung des EZB-Rats im neuen Jahr Anfang Januar deutlich wie selten. Kräftig zunehmende Spannungen an den Geldmärkten oder eine weiter sinkende Teuerungsrate könnten die EZB zu weiteren Zinsschritten oder Sondermaßnahmen treiben. Misst man Draghi an seinen Worten, ist klar, dass er die geldpolitischen Geschütze in dieser Woche zumindest feuerbereit machen wird. Allerdings dürfte er die Munition am Donnerstag wohl noch nicht abfeuern. Doch könnte Draghi die Pressekonferenz nach dem Zinsbeschluss nutzen, um die Investoren auf den Finanzmärkten davon zu überzeugen, dass er für weitere Maßnahmen Gewehr bei Fuß steht.

Der Spielraum, der Draghi noch bleibt, ist zwar denkbar klein. In seinem Arsenal hält er aber noch eine scharfe Waffen parat, mit der die Kreditklemme in den krisengeplagten Staaten der Euro-Zone gemildert werden könnte: Mit einem Strafzins auf Bankeinlagen könnte die EZB die Institute vom Bunkern ihrer überschüssigen Mittel abhalten und zur verstärkten Vergabe von Darlehen anregen. In den Krisenstaaten der Währungsunion wie Spanien und Italien wartet man schon lange darauf, dass die EZB Schützenhilfe leistet, um die dortige Kreditklemme zu lösen.

SPANNUNGEN AM GELDMARKT LINDERN

Was den Geldmarkt angeht, deutet sich unterdessen eine Lösung an, die seit längerem hinter vorgehaltener Hand in Frankfurt diskutiert wird: So könnte es die EZB aufgeben, die Liquidität, die durch den massenhaften Kauf von Staatsanleihen zwischen 2010 und 2012 geschaffen worden ist, Woche für Woche aus dem Finanzsystem abzuschöpfen. Damals hatten die Währungshüter für mehr als 200 Milliarden Euro Papiere von Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien gekauft. Da zahlreiche Papiere mittlerweile ausgelaufen sind, ist das Volumen auf rund 177 Milliarden Euro zusammengeschrumpft. Um zu verhindern, dass diese Geldflut die Teuerung anheizt, wird die Liquidität schon lange über spezielle Gegengeschäfte abgezogen - "sterilisiert", wie man im Fachjargon sagt. Dies könnte man nun zumindest aussetzen, vermuten Experten.

"Hörte die EZB damit auf, würde sie die Geldmenge erhöhen und eventuell gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen", erklärt ein Frankfurter Geldmarkt-Händler, der nicht namentlich genannt werden will. Einerseits würde sie die Inflation anheizen - was ja aktuell gewünscht wäre. Auf der anderen Seite hätte der Geldmarkt, auf dem sich die Banken in normalen Zeiten untereinander Geld leihen, wieder deutlich mehr (Schmier)mittel, die Marktzinsen würden wieder sinken und die unbeabsichtigte geldpolitische Straffung nähme ab.

Erstmals entscheidet am Donnerstag Sabine Lautenschläger mit über den Leitzins in der Euro-Zone. Die frühere Bundesbank-Vizepräsidentin war kürzlich zur EZB gewechselt. Sie ersetzte dort im sechsköpfigen Direktorium Jörg Asmussen, der nach der Bundestagswahl als Staatssekretär nach Berlin gegangen war. Mit Bundesbank-Präsident Jens Weidmann entscheiden damit nun wieder zwei Deutsche mit über die Geldpolitik der EZB.