"Alle Mitglieder des Rates der Europäischen Zentralbank sind entschlossen, unserem Mandat gerecht zu werden", sagte Draghi der Wochenzeitung "Die Zeit" in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview. "Natürlich gibt es Differenzen darüber, wie das geschehen sollte. Aber es ist nicht so, dass wir unendlich viele Möglichkeiten hätten." Die EZB befinde sich an einem Punkt, wo sie zu unkonventionellen Mitteln greifen müsse - "also die Größe und die Zusammensetzung der Bilanz der Europäischen Zentralbank ändern."
Die Währungshüter hatten die Tür für Staatsanleihenkäufe nach dem Vorbild der USA zuletzt bereits weit aufgestoßen. Schon auf ihrer kommenden Sitzung am 22. Januar in Frankfurt könnten sie nun entsprechende Schritte beschließen, um einen Preisverfall auf breiter Front zu verhindern, die Kreditvergabe in der Euro-Zone anzukurbeln und die aktuell flaue Konjunktur anzuschieben.
Das Mandat der EZB sei eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent für den gesamten Euro-Raum, erklärte Draghi. Die aktuelle Inflation liege aber deutlich unter diesem Zielwert. "Um das in dieser Phase zu erreichen, muss sie (die EZB) die Zinsen niedrig halten und auf eine expansive Geldpolitik hinarbeiten, die das Wachstum begleitet." In der Euro-Zone waren die Preise zuletzt sogar um 0,2 Prozent gesunken.
Die Kritik aus Deutschland, die EZB würde mit einer zu lockeren Geldpolitik den Reformeifer der Länder bremsen, wies der Notenbanker zurück. "Unsere Aufgabe kann und darf nicht darin bestehen, die Reformaufgaben einzelner Regierungen zu übernehmen - nicht zuletzt deshalb, weil uns dazu die demokratische Legitimierung fehlt", so der Italiener. Versuchte die EZB stattdessen die Zinsen zu erhöhen, würde sie eine Deflation schaffen - eine gefährliche Spirale aus fallenden Preisen und schrumpfender Konjunktur. "Wir sind noch nicht in dieser Situation", sagte Draghi. Das einzige, was einer solchen Spirale entgegenwirken könne, sei die Glaubwürdigkeit des Inflationsziels der EZB. "Um das zu erreichen, ist die Fortsetzung unserer expansiven Geldpolitik erforderlich." Das Risiko für eine Deflation sei zwar immer noch niedrig, aber mit Sicherheit größer als noch vor einem Jahr.
Der Co-Vorstandschef der Deutschen Bank, Anshu Jain, äußerte sich unterdessen vorsichtig dazu, ob breit angelegte Käufe von Staatsbonds die Wirtschaft in Europa flottmachen können. "Sie fragen mich: Wird es der EZB gelingen, mehr Wachstum in Europa zu schaffen? Offen gesagt, es gibt Leute, die das skeptisch sehen", sagte Jain dem TV-Sender N24. Ein solches Programm werde zwar zur weiteren Schwächung des Euro beitragen - und das helfe. "Doch ich bin der Meinung, dass jetzt strukturelle Reformen nötig sind."
Auch Draghi mahnte die Länder, notwendige Reformen anzugehen. Die Produktivität müsse insbesondere in den südlichen EU-Staaten zunehmen. "Ich sage das nun schon seit Jahren: Wir leisten unseren Teil, aber die Regierungen müssen ihre Aufgaben erfüllen."
Reuters