Für Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann ist das der Grund, warum der Euro trotz der überraschend hohen Aufstockung der EZB-Wertpapierkäufe auf 1,35 Billionen Euro weiter zugelegt und ein Drei-Monats-Hoch von 1,1383 Dollar erreicht hat. "Wenn eine expansive geldpolitische Maßnahme geeignet ist, einen realwirtschaftlichen Schock hinreichend abzufedern, bereitet sie prinzipiell den Boden dafür, dass in der Zukunft die Geldpolitik wieder 'normaler' ausgerichtet werden kann", sagte Leuchtmann. Üblicherweise belastet eine Lockerung der Geldpolitik den Wechselkurs, weil die Zinsdifferenz zu anderen Währungen wächst oder mehr von der betroffenen Valuta in den Markt gedrückt wird.
Auch wenn es nach der jüngsten Rally zu Kursrücksetzern kommen könne, sei der aktuelle Kurs der Gemeinschaftswährung nicht zu hoch, fügte Leuchtmann hinzu. Außerdem habe die US-Notenbank Fed die Zinsen ebenfalls auf faktisch null Prozent gesenkt und die Geldschleusen bis zum Anschlag aufgedreht, so dass aus dieser Sicht auch nichts für eine anhaltende Dollar-Stärke spreche.
Peter de Coensel, Chef-Anleger für Anleihen beim Vermögensverwalter Degroof Petercam, lobt die Krisenpolitik von EZB und EU ebenfalls. "Wir können das Wiederaufleben einer europäischen Schuldenkrise getrost 'ad acta' legen."
VIRUS-KRISE ALS REFORMBESCHLEUNIGER
Goldman-Experte Pandl wertet die Coronavirus-Krise als Katalysator für überfällige Reformen. "Europas größte Schwäche ist die unvollkommene Architektur der Fiskalpolitik." Die Staatengemeinschaft arbeite aber daran, dies zu verbessern. "Hierzu gehören die Anleihekäufe der EZB und das geplante Wiederaufbauprogramm der Europäischen Kommission. Das ist ein großer Schritt in Richtung einer verbesserten Koordination der Fiskalpolitik in der Euro-Zone."
Dies ist Experten zufolge der Haupt-Ansatzpunkt, um ein Auseinanderdriften der Währungsgemeinschaft oder ihren Zerfall zu verhindern. Während der europäischen Schuldenkrise war mehrfach über den Austritt von Ländern wie Griechenland oder Italien und die Zukunft des Euro spekuliert worden.
Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Coronavirus-Folgen will die Europäische Kommission einen 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds auflegen. Zwei Drittel des Geldes sollen als Zuschüsse an von der Pandemie besonders gebeutelte Staaten fließen. Zur Finanzierung soll die Kommission Schulden aufnehmen, für die die Mitgliedsstaaten gemeinsam geradestehen. Die Chancen für die Verabschiedung dieses Plans sei durch die erneute Lockerung der EZB-Geldpolitik und die Aussicht auf langfristig niedrige Zinsen gestiegen, prognostiziert Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com.
rtr