Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde blickt überraschend zuversichtlich auf die kurzfristige Zukunft von Europa. Aus diesem Grund erwarten viele Anleger auch eine Änderung in der bisherigen Zinspolitik der EZB. Doch kommt wirklich keine Zinsanhebung mehr in Europa?
Nach der letzten Anhebung der Europäischen Zentralbank im September waren eigentlich die meisten Marktteilnehmer davon ausgegangen, dass der Zinsgipfel in Europa erreicht sei. Aber vor allem die Nachrichten aus Amerika sowie Sorgen vor einer wieder anziehenden Inflation machten den Optimismus vieler Anleger zunichte. Doch nun äußerte sich ausgerechnet EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit Zuversicht über die Inflationsentwicklung im Euroraum. Kommt doch keine Zinsanhebung mehr in Europa?
EZB-Präsidentin Christine Lagarde zuversichtlich
Die Inflation halte zwar an, sagte Lagarde im Interview der Sonntagszeitung "La Tribune Dimanche". "Aber sie lässt nach und geht sogar stetig zurück", sagte sie. "Das ist eine gute Nachricht." Die Bemühungen der Europäischen Zentralbank (EZB) hätten dazu beigetragen, ebenso einige der in Europa verfolgten wirtschaftspolitischen Maßnahmen. Die Leitzinsen der EZB hätten ein Niveau erreicht, sodass ein wesentlicher Beitrag zu einer rechtzeitigen Rückkehr der Inflation zur Zielmarke geleistet werde, wenn das Niveau ausreichend lange beibehalten werde.
Die Euro-Notenbank strebt zwei Prozent Teuerung als optimales Niveau für die Wirtschaft an. Im September hatte sich die Inflation im Euroraum auf 4,3 Prozent abgeschwächt von 5,2 Prozent im August. Noch im Herbst 2022 hatte der Preisauftrieb bei mehr als zehn Prozent gelegen. Die Euro-Wächter haben seit Sommer 2022 die Zinsen zehnmal in Folge angehoben – zuletzt im September um 0,25 Prozentpunkte. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank bekommen, liegt damit aktuell bei 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.
"Wir wollen, dass die Inflation zurückgeht zu zwei Prozent und wir werden das erreichen", sagte Lagarde der Zeitung. Dass die Lohnentwicklung aus dem Ruder laufe, sei derzeit nicht zu erkennen. "Im Moment sehen wir das nicht, aber wir überwachen das genau." Das Lohnwachstum werde dieses Jahr voraussichtlich bei 5,3 Prozent liegen, 2024 bei 4,3 Prozent und 2025 bei 3,8 Prozent. "Dies steht im Einklang mit einer Rückkehr der Inflationsraten auf zwei Prozent in den kommenden Jahren."
EZB ist auch für die Wirtschaftslage in Europa optimistisch
Die EZB sei zudem nicht pessimistisch hinsichtlich der kurzfristigen Konjunkturaussichten. So sei die Beschäftigungsrate höher als je zuvor in Europa, und sie stabilisiere sich auf diesem Niveau. Die große Frage betreffe die Unternehmen. Die EZB gehe davon aus, dass sich Firmen wie in früheren Krisen verhalten und ihre Gewinnspannen etwas senken, um einen Teil der Lohnanstiege zu absorbieren.
"Wer hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass es uns gelingen würde, bis September 2023 mehr als 90 Prozent unserer Gasreserven wieder aufzufüllen?", sagte Lagarde. Dem kommenden Winter könne mit viel mehr Zuversicht entgegengesehen werden.
Kommt doch keine Zinsanhebung mehr in Europa?
Es klingt also sehr optimistisch, was die mächtigste Notenbankerin im Euroraum hier von sich gegeben hat. Doch eine Bestätigung für das Ende der Zinsanhebungen ist das keineswegs. Denn Lagarde zeigte sich auch optimistisch gegenüber der aktuellen Wirtschaftsentwicklung, einem der wenigen Faktoren die bei wieder ansteigenden Inflation eine Anhebung der Zinsen verhindern könnte.
Dementsprechend bleibt weiter unklar, was die EZB in den kommenden Monaten entscheiden wird, auch wenn die Tendenz natürlich trotzdem in Richtung eines Endes der Zinserhöhungen geht.
Die nächste Sitzung der Notenbank gibt es dann am 26. Oktober.
Mit Material von Reuters
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