"Wir haben das genau am Wendepunkt gemacht", sagte ein hochrangiger Zentralbanker unlängst. Doch manche Stimmen warnen: In Ländern wie Deutschland, die den zusätzlichen Schub womöglich gar nicht bedürfen, könnte es zu einer Überhitzung etwa auf dem Immobilienmarkt kommen. Bei hinterherhinkenden Ländern hingegen könnte die Geldflut zu Reformmüdigkeit führen.

Wie stark die Währungshüter an den Erfolg ihres Programms glauben, wird an ihren Anfang März angehobenen Wachstumsprognosen für die Euro-Zone deutlich. Die EZB rechnet jetzt für 2015 mit einem Plus von 1,5 statt bislang 1,0 Prozent. Im Jahr 2017 - dann dürfte das Kaufprogramm seine volle Wirkung gezeigt haben - soll das Wachstum in der Euro-Zone bereits 2,1 Prozent betragen und die Inflationsrate bei 1,8 Prozent liegen. Das Inflationsziel der Notenbanker von mittelfristig knapp unter zwei Prozent wäre dann in greifbarer Nähe. Doch bis dahin ist der Weg weit: Im Februar war die Teuerung im Währungsraum mit minus 0,3 Prozent sogar noch negativ. Draghi ist daher nicht so vermessen, eine Aufwärtsbewegung allein den Zentralbank-Manövern zuzuschreiben. "Aber unsere Geldpolitik unterstützt sicherlich die Erholung", ist sich der EZB-Chef sicher.

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SORGE UM FRANKREICH

Eine Folge der ultraexpansiven Geldpolitik ist schon jetzt erkennbar:Die Renditen vieler Staatsanleihen markierten in den vergangenen Tagen ein Rekordtief nach dem anderen. Auch von der Finanzkrise gebeutelte Länder wie Spanien und Portugal können sich inzwischen so günstig refinanzieren wie schon seit langem nicht. Die Rendite der zehnjährigen spanischen Papiere war mit 0,993 Prozent zuletzt unter die Marke von einem Prozent gefallen. Zehnjährige portugiesische Papiere warfen zeitweise nur noch 1,523 Prozent ab. Noch 2012 hatten die Renditen zehnjähriger spanischer Papiere zeitweise über der kritischen Marke von sieben Prozent gelegen.

Manche Notenbanker sehen deshalb die Gefahr, dass Länder Reformanstrengungen jetzt schleifen lassen und es gleichsam gemütlicher angehen. "Das gilt natürlich nicht nur für die von der Krise besonders betroffenen Länder, sondern auch für große Länder wie Frankreich und Italien", warnt Bundesbank-Präsident und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann. Die EU-Kommission hatte Frankreich jüngst bis 2017 Zeit gegeben, um das Defizit wieder unter die vorgeschriebene Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Bisher war die Frist dafür dieses Jahr. "In der Hinsicht kann einem Frankreich durchaus Sorge bereiten", so der Bundesbank-Präsident.

Auf der anderen Seite dürften Investoren auf der Suche nach Rendite wegen der extrem niedrigen Marktzinsen bei Staatsanleihen nun verstärkt in riskantere Märkte abwandern. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret hatte bereits im Januar vor einer Überhitzung des deutschen Immobilienmarktes gewarnt. Denn die Wahrscheinlichkeit für Vermögenspreisblasen wachse durch die Staatsanleihenkäufe. "Einen Sturm haben wir zurzeit nicht, aber der Wind hat merklich aufgefrischt," so seine Warnung. Vor allem die Immobilienpreise in Großstädten waren zuletzt kräftig gestiegen. Auch der deutsche Aktienmarkt eilt inzwischen von Rekord zu Rekord. Am Montag durchbrach der deutsche Leitindex Dax sogar zum ersten Mal die Marke von 12.000 Zählern.

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RISIKO NEGATIVE MARKTZINSEN

Dass die große neue Geldflut auch Gefahren birgt, geben EZB-Banker unumwunden zu. "Wir sind uns bewusst, dass unsere Maßnahmen einige Risiken für die Finanzstabilität enthalten können," sagte Draghi vor wenigen Tagen auf einer Fachkonferenz. Die Folgen negativer Marktzinsen bei Staatsanleihen sind eine große Unbekannte. "Ich hab den Eindruck, dass wir die ganze Auswirkung negativer Zinsen in vielen Fällen nicht verstehen", räumte EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny ein. "Ich bin ein bisschen nervös - es könnte so etwas geben wie zu viel Erfolg", sagte der österreichische Notenbank-Gouverneur. Sollten Anleihen über einen großen Teil der Zinskurve hinweg negative Renditen aufweisen, würden die Papiere als Anlage für viele Investoren praktisch ganz ausfallen. Das könnte die Bonds-Märkte erheblich durcheinanderwirbeln.

Die Rendite kurzlaufender zweijähriger Bundesanleihen liegt bereits unter dem Einlagenzinssatz von minus 0,2 Prozent - der Bodenlinie, unter die Anleihen-Renditen im Kaufprogramm nicht fallen dürfen. Fünfjährige Bundesanleihen weisen eine negative Rendite auf, siebenjährige liegen nur knapp oberhalb der Nulllinie. In Summe bedeutet das: Die Refinanzierungskosten für Deutschland bleiben weiterhin extrem niedrig. Dazu kommt eine sehr robuste Konjunktur: Bundesbankpräsident Weidmann erwartet für Deutschland inzwischen dieses Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent. Manche Währungshüter fragen sich daher: Ist das Anleihenkaufprogramm für Europas größte Volkswirtschaft jetzt die richtige Lösung? "Deutschand explodiert nicht (...) aber wir müssen vorsichtig sein", fasste ein Zentralbanker unlängst die Befürchtungen zusammen.

Reuters