Warum stoppt die Notenbank die Anleihenkäufe nicht schon jetzt?
Die Währungshüter trauen der Erholung der Inflation nicht recht. Zwar sind die Zeiten vorerst vorbei, in denen die Teuerungsrate nahe der Null-Marke dümpelte und die Sorge vor einer Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und schrumpfender Wirtschaft (Deflation) groß war. Doch nachhaltige Preisstabilität sehen die Währungshüter noch nicht. Nach Einschätzung von EZB-Präsident Mario Draghi ist der Euroraum trotz solider Wirtschaftserholung weiterhin auf Unterstützung der Notenbank angewiesen: "Wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem die Erholung der Inflation sich selbst trägt ohne unsere unterstützende Geldpolitik", sagte Draghi Mitte November.
Was will die EZB erreichen?
Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. Weit genug entfernt von der Nullmarke sieht sie Preisstabilität gewahrt. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten Verbraucher und Unternehmen dazu verleiten, Investitionen aufzuschieben. Das könnte die Konjunktur bremsen. Im November legte die Inflationsrate im Euroraum leicht auf 1,5 Prozent zu. Die Kerninflation allerdings, die die Teuerung ohne Energie und Lebensmittel misst, betrug unverändert 0,9 Prozent.
Ist der vorsichtige Ausstiegskurs der EZB umstritten?
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hätte sich einen mutigeren Schritt im Herbst gewünscht: Zwar vertritt auch Deutschlands oberster Währungshüter die Mehrheitsmeinung, dass eine lockere Geldpolitik nach wie vor angemessen ist. Dennoch hätte sich Weidmann zumindest "einen eindeutigen Endtermin" für die Anleihenkäufe gewünscht. Doch damit konnte sich Weidmann im EZB-Rat nicht durchsetzen. EZB-Direktor Benoît Coeuré erklärte in einem Interview mit dem "Handelsblatt": "Die Mehrheit war der Meinung, dass wir bezüglich des Endes flexibel sein müssen, weil bis September 2018 noch eine Menge in der Weltwirtschaft passieren kann." Allerdings wird der Ruf nach einem klaren Fahrplan lauter. Commerzbank-Chef Martin Zielke forderte: "Wir brauchen eine klare Ansage: Wie sieht der Ausstieg aus?"
Was sind die Nebenwirkungen der ultralockeren Geldpolitik?
Beobachter befürchten, dass sich "Blasen" beispielsweise an Aktien- oder Immobilienmärkten bilden - sprich: die Preise blähen sich über ein gesundes Maß hinaus auf. In deutschen Großstädten etwa liegen die Preise für Häuser und Wohnungen nach Bundesbank-Zahlen teils um 15 bis 30 Prozent über einem angemessenen Niveau. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt in ihrem jüngsten Quartalsbericht vor neuen Verwerfungen an den Finanzmärkten. "Der Preis für kurzfristige Ruhe sind mögliche Turbulenzen auf lange Sicht", konstatierte BIZ-Chefvolkswirt Claudio Borio. In vielen Ländern seien die Schuldenstände deutlich größer als vor der jüngsten Finanzkrise, die Bewertung mancher Vermögenswerte überzogen. Experten sehen die Gefahr, dass Anleger auf der Suche nach Rendite ins Risiko gehen. Friedrich Heinemann vom ZEW warnt zudem vor einem Erlahmen der Reformbereitschaft: "Kein Eurostaat ist zur Finanzierung seiner Defizite neben der EZB noch auf andere Kreditgeber angewiesen."
Wann ist wieder mit steigenden Zinsen zu rechnen?
Volkswirte rechnen damit, dass die Notenbank ab 2019 die Leitzinsen allmählich wieder anheben wird. Die erste Zinserhöhung, die tatsächlich auf dem Sparbuch ankommt, erwartet Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater erst 2021 - "die wird dann aber von der Inflation aufgefressen". Kater meint: "Die EZB könnte schneller aussteigen, will aber die Erfolge der vergangenen Jahre nicht gefährden."/ben/mar/DP/zb