Zunächst sah es so aus, als würde die Juli-Sitzung wenig spektakulär werden. Dann hat die EZB am 8. Juli ihre neue geldpolitische Strategie beschlossen und vorgestellt. Dies war zumindest vom Zeitpunkt her überraschend. So strebt die Notenbank jetzt eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Bisher hatte sie eine Rate von unter, aber nahe bei zwei Prozent als ihr Ziel ausgegeben. Zudem soll ein gewisses Überschießen des Inflationsziels hingenommen werden. Die Sitzung am Donnerstag wird die erste sein, in der die neue geldpolitische Strategie zum Tragen kommt.
"Es wird ein wichtiges Treffen", hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde unlängst gesagt. Obwohl die neue Strategie einstimmig beschlossen wurde, scheint es aber in der EZB Uneinigkeit über die konkreten Konsequenzen zu geben. So berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg über einen Streit über den Entwurf für das Treffen. Laut dem Bloomberg-Bericht werden die Diskussionen intensiver und hitziger. Die Notenbanker scheinen laut Einschätzung der Dekabank die neue Konzeption noch unterschiedlich auszulegen, zum Beispiel im Hinblick darauf, ob man Inflationsraten von vorübergehend über zwei Prozent als wünschenswert erklären sollte.
Die Leitlinien (Forward Guidance) über Leitzinsen und Wertpapierkäufe dürften also angepasst werden. Laut Ökonomen könnte die EZB ihr Versprechen "verschärfen", wie lange sie mit den extrem niedrigen Zinssätzen und Anleihekäufen Wirtschaft und Inflation stützen will. Bisher will die EZB ihre Anleihekäufe bis mindestens März 2022 fortsetzen.
"Das Schlüsselwort bei der Pressekonferenz dürfte wie bei Lagardes Bloomberg-Interview 'Beharrlichkeit' sein", erwarten die Commerzbank-Analysten Ralph Solveen und Michael Schubert. "Dies würde darauf deuten, dass die Mehrheit im EZB-Rat noch lange nicht die Zeit gekommen sieht, den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik zu verringern." Das Wort Beharrlichkeit dürfte laut den Experten auch Eingang in die neue Forward Guidance finden. Im Herbst erwarten sie dann eine Aufstockung des Krisenprogramms Pepp um weitere 250 Milliarden Euro.
Die Befürworter einer weiterhin lockeren Geldpolitik dürften sich durch die Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus bestärkt sehen. Neue Beschränkungen könnten erneut die wirtschaftliche Erholung belasten. Die Verunsicherung an den Finanzmärkten nahm zuletzt zu. Mittelfristige Inflationsgefahren sieht die EZB trotz des jüngsten Aufwärtstrends nicht, sondern macht Sonderfaktoren verantwortlich. Sie erwartet in den kommenden beiden Jahren Inflationsraten, die merklich unter ihrem neuen Inflationsziel liegen.
Spannend dürfte auch werden, wie die EZB ihre neuen Beschlüsse präsentieren wird. Sie versprach, dass die einleitenden Bemerkungen prägnanter und verständlicher verfasst werden sollen. Dies dürfte bei einem komplizierten Thema wie der Geldpolitik nicht einfach sein.
dpa-AFX