von Martin Blümel

Wieder eine Woche vorbei und schon wieder neue Rekorde. Der DAX kletterte das erste Mal über die 12 000-Punkte-Marke. Der japanische Nikkei-Index hat mit 19 000 Zählern den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Und es ist wie in den Vorwochen: Die Wall Street, eigentlich Leitbörse der Welt, kommt da einfach nicht mit. Allerdings - und das ist nun doch ein gewaltiger Unterschied zu den Handelstagen Anfang März - haben die Kurse an der Wall Street wohl inzwischen einen Boden gefunden und scheinen selbst eine Rally zu starten.

Dies wiederum wirft eine vielleicht diabolische Frage auf: Was macht bitteschön der DAX, der in den Vorwochen ganz ohne Unterstützung aus Übersee von Rekordstand zu Rekordstand kletterte, wenn nun plötzlich die Wall Street zu schieben beginnt? Geht’s dann doppelt so schnell nach oben? Oder gar exponentiell? Mit wilden Sprüngen? Da blinken die Euro-Zeichen in den Pupillen. Fantastilliarden sind jetzt möglich! Oder doch nicht?

Auf Seite 2: Indikatoren tendieren nach wie vor nach oben



Ein lästerlicher Gedanke. Aber vielleicht der richtige. An der Wall Street jedenfalls hat die gut zweiwöchige Korrektur keinen größeren Schaden angerichtet. Auch wenn die Fundamentaldaten zuletzt nur mittelprächtig waren, gilt nach wie vor: Anzeichen für eine Rezession sind schlicht und einfach nicht zu sehen. Wichtig sind hier vier Indikatoren: Die Industrieproduktion, die Einkommen der Haushalte, der Arbeitsmarkt, die Einzelhandelsumsätze. Und raten Sie mal: alle vier Indikatoren tendieren nach wie vor nach oben.

Das dürfte zunächst wohl so bleiben, sind die Bestrebungen in allen großen Wirtschaftsblöcken doch groß, die Konjunktur am Laufen zu halten, sei es im Euroraum, in der chinesischen Hemisphäre, wo zum Abschluss des Volkskongresses in Peking noch einmal der Reformwille bekräftigt wurde und weiterer Konjunkturstimulus in Aussicht gestellt wurde, oder auch in den USA. Dass die amerikanische Notenbank Fed über kurz oder lang die Leitzinsen erhöhen wird, ändert daran

Auf Seite 3: Die Bewertungen - nicht billig, aber auch nicht richtig teuer



Was vielleicht etwas Sorgen macht, sind jedoch die Bewertungen an den Aktienmärkten. Egal welche Kennziffern man nun bemüht - billig ist anders. Richtig teuer ist aber auch anders. In den USA etwa liegt derzeit das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für die prognostizierten Gewinne des laufenden Geschäftsjahrs bei 16,8. Doch es ist, wie es ist: Auf kürzere bis mittlere Sicht nimmt in Aufschwungphasen, in einem intakten Bullenmarkt, die Bedeutung der Bewertung für die Kursentwicklung ab. Das war bisher immer so. Wichtiger sind in solchen Phasen die schon erwähnten Indikatoren Industrieproduktion, Einkommen der Haushalte, Arbeitsmarkt, Einzelhandelsumsätze. Ebenfalls von Bedeutung ist, dass die Gewinnerwartungen der Unternehmen weiter steigen. Und auch das tun sie wieder, nachdem sie im Januar und Februar vor allem aufgrund der Unsicherheiten um die Auswirkungen des fallenden Ölpreises doch deutlich gesunken waren.

Einen Fehler sollte man nun dennoch nicht machen: Die Bewertung an den Märkten völlig ignorieren. Mag sein, dass sie aktuell nur eine untergeordnete Rolle spielt, relevant ist sie dennoch. Wichtig wird sie vor allem dann, wenn sich eine Rezesssion andeutet. Und je höher die Aktien dann bewertet sind, desto schlimmer für Nerven und Geldbeutel wird die Korrektur ausfallen. Auch das war in der Börsen-Historie schon immer so.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com