Die Fed sucht dabei eine Route aus dem Zinstal, bei der niemand schwindelig werden muss. Der Pfad wird nach Ansicht von Experten nicht allzu steil und auf einer Höhe enden, die weit unterhalb dessen liegt, was in den Zeiten vor der Finanzkrise 2008/09 normal genannt wurde. Dazu passt, dass die Notenbanker für dieses Jahr im Schnitt nur zwei kleine Zinsschritte einplanen: Dann wären sie bei rund 0,6 Prozent angelangt. Damit würden sie den historisch niedrigen Leitzins in Großbritannien von 0,5 Prozent nur knapp überbieten.
Langfristig soll der Schlüsselzins zur Versorgung des Finanzsystems mit Geld nicht höher als auf 3,75 Prozent steigen. Auch das ist vergleichsweise wenig. Früher waren rund fünf Prozent normal, wie Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater erläutert. Die Zeit vor der Finanzkrise, als die Amerikaner weit über ihre Verhältnisse lebten und sich viele bis über die Halskrause verschuldeten, habe Narben hinterlassen: "Es ist Konsens an den Märkten, dass die Wachstumsmöglichkeiten nun geringer sind als vor der Krise." Auch die Fed-Banker rechnen auf lange Sicht mit einem für US-Verhältnisse mageren Plus beim Bruttoinlandsprodukt von höchstens 2,3 Prozent.
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LEHREN AUS DER GROSSEN KRISE
Yellen ist sich wahrscheinlich bewusst, dass sie Wirtschaft und Finanzsystem mit einem zu zögerlichen Zinskurs einen Bärendienst erweisen kann. Sie muss seit ihrem Amtsantritt im Februar 2014 zudem gegen den Ruf ankämpfen, Vertreterin eines eher zu laxen geldpolitischen Kurses zu sein. Nicht ohne Selbstkritik verweist die langjährige Notenbankerin auf Fehler der Fed, die unter ihrem Vor-Vorgänger Alan Greenspan gemacht wurden. In den Jahren 2004 bis 2006 habe die Zentralbank wohl zu zögerlich beim Anziehen der Zinsschraube agiert, räumte Yellen ein. "Damals wurde quasi berechenbar Sitzung für Sitzung der Zins um ein Viertelprozent nach oben gesetzt. Ein suboptimales Verfahren, wenn man es mit dem Wissen von heute betrachtet", meint Fed-Beobachter Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. Kritiker werfen der mächtigsten Zentralbank der Welt seit langem vor, mit ihrer Geldpolitik die Immobilienpreisblase im vorigen Jahrzehnt mit aufgepumpt zu haben.
Yellen verspricht, ihre Lektion daraus gelernt zu haben. Keinesfalls will sie Zinsen "mechanisch" erhöhen, sondern flexibel und abhängig von den Konjunkturdaten. Die Experten der BayernLB rechnen damit, dass sich Yellen noch bis 2016 Zeit lässt. "Die Wirtschaft ist noch nicht stark genug, um eine rasche Zinserhöhung zu verkraften", sagt Chefvolkswirt Jürgen Michels. Ein Grund sei der starke Dollar, der US-Exporte verteuere. Der Gewinn des Software-Herstellers Oracle brach zum Beispiel deshalb im abgelaufenen Quartal um fast ein Viertel ein.
"Kommt die Zinserhöhung rasch, würde der Dollar massiv aufwerten und noch stärker die Unternehmensbilanzen belasten", prophezeit der BayernLB-Ökonom. "Denn anders als früher üblich dürften die anderen großen Notenbanken nicht nachziehen, sondern ihre extrem lockere Geldpolitik noch eine ganze Weile fortführen." Die Zinsdifferenz wird den Dollar wohl noch härter machen. So rechnet die BayernLB frühestens Ende 2018 mit einem ersten Zinsschritt in der Euro-Zone. Die britische Notenbank dürfte das Referendum über einen Verbleib in der EU abwarten, das für die zweite Jahreshälfte 2016 erwartet wird. Auch in Japan zeichnet sich kein Ende der Nullzinsphase ab.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor einer zu raschen Kursänderung in den USA. Da die Löhne der Arbeitnehmer nur schwach steigen und die Inflation niedrig ist, sieht der Fonds keinen Grund zur Eile. Die Weltbank wiederum befürchtet, dass die Schwellenländer unter die Räder geraten könnten. "Meine Sorge ist, dass ein relativ früher Schritt Bewegungen bei den Wechselkursen und eine Aufwertung des Dollar auslösen könnte", sagt ihr Chefvolkswirt Kaushik Basu. Das wiederum dürfte die Kreditkosten vieler Schwellen- und Entwicklungsländer nach oben treiben, die ohnehin nur noch vergleichsweise schwach wachsen. Diese Sorge kann Yellen ihnen wohl auch mit einem behutsamen Kurs nicht nehmen.
Reuters