Mehr als 80 Jahre hat Value an der Börse sehr gut funktioniert. Seit dem Jahr 2007 jedoch schneiden Investoren, die auf Wachstumswerte wie Facebook, Apple oder Amazon gesetzt haben, wesentlich besser ab. Hält der Growth-Trend trotz der zuletzt starken Zuwächse und hoher Kurs-Gewinn-Verhältnisse an? Oder wird - wie Hans-Peter Schupp meint - nach 13 Jahren die Zeit wieder reif für Value? "Wir können nicht ausschließlich von Daten leben. Anleger werden erkennen, dass das derzeit niedrig bewertete produzierende Gewerbe weiterhin unverzichtbar ist", sagt der Manager des Fidecum Contrarian Value Euroland.
Die Anlagephilosophie des Fonds ist leicht zu verstehen. Investoren engagieren sich in Aktien, die deutlich unter ihrem inneren Wert notieren. Um den inneren Wert zu ermitteln, werden verschiedene Verfahren genutzt. Diese fokussieren sich auf künftige Erträge oder auf den Substanzwert des Unternehmens. Egal welche Berechnungsmethode angewendet wird: "Value-Investoren gehen davon aus, dass die Marktteilnehmer die Unterbewertung identifizieren und der Kurs der Aktie sich dem fairen Wert des Unternehmens wieder annähert", erklärt Schupp.
Der 54-Jährige zählt zu Deutschlands bekanntesten Value-Investoren. Im Laufe seiner Karriere managte er schon eine Reihe von Value-Fonds und wurde für seine Leistungen mehrfach ausgezeichnet. Im Jahr 2008 gründete er zusammen mit Partnern die Fondsboutique Fidecum. Der Name lässt sich mit verlässlich oder vertrauensvoll übersetzen und bringt das Selbstverständnis der Manager zum Ausdruck. "Wir stehen für Produktwahrheit und Produktklarheit", sagt Schupp.
Das Festhalten an den Überzeugungen ging allerdings seit Anfang 2018 mit Verlusten einher. Auf Sicht von drei Jahren gab der Fonds über 45 Prozent ab, seit Jahresanfang weist er ein Minus von rund 34 Prozent auf. Im Zuge der Verluste schmolz das Fondsvolumen von 600 auf nur 25 Millionen Euro. Eine Änderung seiner Strategie hat Schupp dennoch nie erwogen. "Der Fonds versteht sich als Baustein einer breit diversifizierten Vermögensstrategie institutioneller, aber auch privater Anleger. Wir wollen und müssen daher berechenbar bleiben", sagt Schupp.
Unterbewertung auf der Spur
Für ein Investment infrage kommen europäische Unternehmen ab einer Marktkapitalisierung von 200 Millionen Euro. Ob ein Titel unterbewertet ist, macht Schupp insbesondere am Preis-Buchwert-Verhältnis fest. Die Kennzahl setzt den Aktienkurs eines Unternehmens ins Verhältnis zu dessen Buchwert. "In einem zweiten Schritt schauen wir uns Unternehmen an, deren Kurse sich sehr schlecht entwickelt haben. Liegen hierfür keine nachhaltigen Gründe vor, sondern handelt es sich lediglich um eine Übertreibung nach unten, steigen wir ein", erklärt Schupp. Je höher das angenommene Kurspotenzial ausfällt, umso höher ist die Aktie gewichtet.
Auf die Deutsche Bank beispielsweise entfallen rund acht Prozent der Mittel. Zwar werde das Bankhaus nie mehr so profitabel wie noch vor ein paar Jahren, die Aktie notiere jedoch weit unter ihrem Buchwert, meint Schupp. Den Anlagekriterien gerecht wird derzeit auch Renault. Allein die Beteiligungen an Nissan und Daimler fallen höher aus als die Marktkapitalisierung des Autobauers, weiß Schupp. Das operative Geschäft bekomme man daher fast umsonst. Chancen sieht er ebenso bei Ölwerten wie Total. An den Comeback-Qualitäten seiner Titel zweifelt Schupp nicht. Die bis dahin gezeigte Geduld des Value-Investors dürfte dann ordentlich belohnt werden.