Langfristige Charts über mehrere Jahre liefern immer wieder erstaunliche Details. So auch bei den Papieren von Fielmann. Während der MDAX zwischen Mitte 2007 bis Anfang 2009 um rund 60 Prozent abstürzte, liefen die Titel der Optiker-Kette seitwärts. Bereits Anfang 2010 kletterte der MDAX-Wert auf frische Bestmarken und damit einige Jahre vor dem Gesamtmarkt. Auch der knackige Rücksetzer infolge der Euro-Krise 2011 ist im Chartbild kaum zu erkennen. Natürlich gibt es gerade an der Börse keine Garantie, dass sich bei einer möglichen bevorstehenden Schwächephase an den Märkten die Fielmann-Aktie ähnlich robust verhalten wird. Allerdings finden sich auch kaum Argumente, die auf einen stärkeren Rücksetzer deuten.
Nicht nur für viele private Anleger sondern auch Institutionelle ist der Titel ein klassischer Anleiheersatz. Mit den unkonventionellen, expansiven Maßnahmen der Notenbanken sind die Zinsen an den Bondmärkten in den Keller gerauscht, eine ganze Anlageklasse verschwindet allmählich vom Investoren-Radar. In den Blickpunkt rücken daher Aktien mit einer ordentlichen und vor allem zuverlässigen Dividendenrendite bei einem wenig zyklischen Geschäftsmodell. Langjährige Fielmann-Aktionäre mussten selbst in konjunkturell schwierigen Zeiten wie kurz nach der Jahrtausendwende oder 2008/09 keine Kürzung bei der Ausschüttung hinnehmen. Im Gegenteil, der Trend geht kontinuierlich nach oben. Anleger erhielten für 2009 ein Euro pro Aktie, für das vergangene Geschäftsjahr wird der Konzern eine Dividende von 1,60 Euro überweisen. Der Vorschlag entspricht einer Ausschüttungsquote von 87 Prozent. Übertragen auf den Kurs bietet der Titel eine Verzinsung von 2,7 Prozent. Am 9. Juli findet die Hauptversammlung statt.
Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Dividendenauszahlungen (Dividenden-CAGR) von 14,9 Prozent in den vergangenen zehn Jahren ist ein klarer Beleg für die aktionärsfreundliche Ausschüttungspolitik des Fielmann-Managements. Auch in Zukunft dürfte sich daran nichts ändern. Warburg-Analyst Thilo Kleibauer kalkuliert für das laufende Jahr mit 1,80 Euro je Aktie und 1,95 in 2016. Als Fundament für weitere Dividendenerhöhungen ist vor allem der operative Wachstumskurs des Unternehmens zu nennen.
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Branchenprimus mit glänzender Ausgangslage
Inzwischen sind die Hamburger mit knapp 17.000 Mitarbeitern der größte Arbeitsgeber in der Branche. Jede zweite in Deutschland verkaufte Brille stammt von Fielmann. Offenbar stimmt auch intern die Chemie, denn 80 Prozent der Fielmann-Mitarbeiter sind nach Konzernangaben am Unternehmen über Einlagen oder Aktien beteiligt und erwarten somit auch weiterhin eine florierende Geschäftsentwicklung.
Die vor wenigen Tagen präsentieren Eckdaten für 2014 lassen daran auch keinen Zweifel aufkommen. So kletterte der Absatz auf 7,6 Millionen von 7,3 Millionen Brillen im Vorjahr. Der Konzernumsatz legte von 1,16 auf 1,23 Mrd. Euro zu, die Anzahl der Filialen stieg von 679 auf 687. Bei einem um rund 26 Mio. auf 225 Mio. Euro verbesserten Vorsteuerergebnis (EBT) kletterte die Marge um 110 Basispunkte auf überdurchschnittliche 18,3 Prozent. Im laufenden Jahr soll der Marktanateil weiter ausgebaut werden. Ziel ist es, je 100.000 Einwohner eine Niederlassung zu betreiben. Dafür müsste der Konzern noch gut 100 Filialen eröffnen.
Ein Beweis für die Preiswürdigkeit des Marktführers ist die Tatsache, dass Fielmann 2013 im Brillenmarkt mit fünf Prozent aller deutschen Optiker-Geschäfte einen Umsatz-Marktanteil von 20 Prozent und einen Stückzahlenmarktanteil von mehr als 51 Prozent erzielte. Die Strategie ist klar: Fielmann will immer günstiger und zugleich besser sein als die Konkurrenz. Effizienzsteigerungen und Skaleneffekte sind daher entscheidend. Während der durchschnittliche deutsche Augenoptiker nach Angaben von Fielmann pro Mitarbeiter weniger als zwei Brillen am Tag verkauft, gehen bei den Norddeuten vier Brillen pro Mitarbeiter am Tag über den Tresen. Die Preise der Fielmann-Collection liegen um rund 70 Prozent unter dem allgemeinen Preisniveau von Waren mit einem veredelten Markenaufdruck. Möglich sind so niedrige Preise, weil der Konzern mehr Brillen abgibt als Nationen sowie mehr als alle Optiker in Dänemark, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden zusammen. Nur so können auch verlockende Werbeangebote initiiert werden. Fielmann wirbt unter anderem mit einer Geld-zurück-Garantie. Sieht ein Kunde ein bei Fielmann gekauftes Produkt sechs Wochen anderswo günstiger, nimmt das Unternehmen den Artikel zurück und erstattet den Kaufpreis.
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Neue Produkte mit hoher Marge
In die Karten spielt dabei die breite Aufstellung. Als Produzent, Agent und Augenoptiker deckt der Konzern die gesamte Wertschöpfungskette ab. Nur so können die Waren aus den Produktionsbetrieben direkt und ohne Umwege in die eigenen Niederlassungen geliefert werden, ohne dass Handelsstufen zwischengeschaltet sind. Ein weiterer Vorteil ist die erhöhte Flexibilität. Während die Branche für die Einführung eines Brillenmodells fünf bis neun Monate benötigt, kann Fielmann dank der eigenen Produktion neue Modetrends auch kurzfristig aufnehmen und entsprechende Angebote innerhalb weniger Wochen lancieren.
Aufgrund des steigenden Anteils älterer Menschen an der Gesellschaft wird der Anteil von Personen, die auf eine Sehhilfe angewiesen sind, weiter zulegen. Lukrativ erscheint besonders der kontinuierlich steigende Anteil von hochmargigen Multifokallinsen. Derzeit kommen die Gleitsichtkontaktlinsen bei Fielmann auf 24 Prozent der Aufträge, dass langfristige Ziel liegt bei 35 Prozent. Die Nachfrage nach den Produkten dürfte weiter zunehmen, denn die Vorteile liegen klar auf der Hand. Über eine spezielle Technik können verschiedene Dioptrie-Bereiche auf eine Kontaktlinse gebündelt werden und liefern dem Auge die optischen Informationen, welches es gerade benötigt um scharf zu sehen.
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Neue Konkurrenz aus den Niederlanden?
Zwei Risikofaktoren sollten Anleger allerdings beachten. Natürlich ist die Investmentstory Fielmann nicht neu, bereits in den vergangenen Monaten profitierte die Aktie stark vom Nimbus des stabilen Geschäftsmodells bei steigenden Erträgen und ordentlicher Dividende. Mit einem KGV auf Basis der Gewinnschätzungen von Börse Online für 2016 von 2,20 Euro wird der Wert inzwischen mit einem Faktor von 28 gehandelt. Vergleichbare Relationen weisen sonst eher Technologieunternehmen aus dem Softwarebereich auf. Im Kurs sind somit viele Vorschusslorbeeren enthalten. Investoren die bei Fielmann einsteigen sehen das Engagement eher als Anleiheersatz und verfolgen daher einen längerfristigen Anlagehorizont. Dies spricht zugleich eher gegen größere Gewinnmitnahmen.
Für Unsicherheit könnte die weitere Entwicklung von Grandvision sorgen. Der niederländische Branchenkollege feierte vor rund einem Monat sein Börsendebüt und buhlt in Deutschland mit "Apollo-Optik" um die Gunst der Kunden. Grandvision erzielt mehr als doppelt so viel Umsatz wie Fielmann. Mit 5.600 Läden in 43 Ländern ist der Konkurrent der größte Optiker-Einzelhändler der Welt. Allerdings ist die Marke bisher kaum bekannt. Mit dem Geld aus dem IPO will der Börsenneuling dies ändern und sein Geschäft in den Schwellenländern ausbauen. Die Nachfrage nach der Fielmann-Aktie blieb trotz des Börsengangs in den vergangenen Wochen hoch, erst vor wenigen Tagen erzielte der Wert ein frisches Rekordhoch.