€uro am Sonntag: Frau Müller, derzeit heben viele Menschen höhere Geldbeträge von ihren Konten ab und bewahren sie zu Hause auf. Wie lässt sich das erklären?
Monika Müller: In Krisenzeiten ändert sich unsere Wahrnehmung. Wir gewichten die Gefahren stärker. Wer zum Beispiel befürchtet, wegen Corona demnächst nicht mehr aus dem Haus zu dürfen oder kein Geld mehr aus dem Geldautomaten zu bekommen, sorgt vor, indem er Geld abhebt und zu Hause aufbewahrt.
Dort könnte es gestohlen werden.
Die Gefahr, dass das Geld gestohlen werden könnte, wiegt für viele weniger stark. Aber sie ahnen, dass es zu Hause nicht sicher ist. Daher verstecken sie es dort.
War es in Krisenzeiten schon immer so, dass die Menschen ihr Geld lieber unterm Kopfkissen hatten als auf der Bank?
Seit es Banken gibt, haben die Menschen immer dann einen alternativen Platz für ihr Geld gesucht, wenn sie die Banken für vergleichsweise unsicher hielten, etwa
in Zeiten von Wirtschaftskrisen. Dann hat man es lieber verfügbar bei sich.
Kann das Horten höherer Geldbeträge -unterm Kopfkissen rational sinnvoll sein?
Ja, absolut. Wenn wir Bargeld anfassen können, erkennen wir darin einen echten, erfühlbaren Wert. Liegt es auf dem Konto, empfinden wir das nicht so. Bargeld kann auch helfen, Schulden vorzubeugen. Wir neigen bei Bargeld dazu, gründlicher über die Verwendung nachzudenken, und konsumieren mit mehr Bedacht. Es hat also für viele eine Schutzfunktion.
Wer neigt besonders stark zum Horten?
Einerseits dürften das vor allem Leute sein, die sich selbst als eher risikoscheu bezeichnen. Andererseits: Wer im Übermaß Geld aufbewahrt, verbindet mit Geld ein Stück Freiheit und versucht zugleich, es zu kontrollieren.