Eine Tendenz ließ das höchste deutsche Finanzgericht dabei nicht erkennen. In zwei Verfahren vor dem BFH (Az. X R 20/19 und X R 33/19) geht es um den Systemwechsel bei der Besteuerung von Renten im Jahr 2005. Bis dahin waren die Renten steuerfrei, die Beiträge wurden aber aus dem versteuerten Lohn gezahlt. Seither müssen auch Renten versteuert werden - die Besteuerung erfolgt also "nachgelagert", wie es im Fachjargon heißt. Die Beiträge zu gesetzlichen und privaten Renten können dafür als Sonderausgaben von der Einkommensteuer abgezogen werden.

Wer in einer Übergangszeit bis 2040 in Rente geht, muss nur einen Teil seiner Rente versteuern - je später der Rentenbeginn liegt, desto mehr. Fließt die erste Rente 2021, werden schon 81 Prozent der Alterseinkünfte besteuert. In der Übergangsregelung sehen viele Rentner eine Doppelbesteuerung. Sie argumentieren, dass sie dadurch vom Finanzamt über Gebühr belastet würden, weil sie im Alter mehr Steuern zahlten als sie im Berufsleben durch den Steuerabzug gespart hätten. Bundesweit sind nach Angaben der FDP deswegen rund 142.000 Einsprüche anhängig, die sich zum Teil auf die beiden Verfahren vor dem BFH berufen.

Vor dem BFH klagt unter anderem ein hessischer Zahnarzt, der neben der gesetzlichen Rente drei Rürup-Renten und 19 private Rentenversicherungen abgeschlossen hat, gegen das Finanzamt Wetzlar. "Das Ganze ist für mich schlimm", sagte er vor Gericht. "Mir ist es damit nicht gelungen, meinen Lebensstandard im Alter zu sichern."

Der Leiter der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, Rolf Möhlenbrock, verneinte eine Überbelastung der Steuerzahler. Er räumte aber ein, dass es unmöglich sei, die Steuerbelastung in jedem Fall "punktgenau" auszugleichen. Zur Berechnung ziehen die Finanzämter die durchschnittliche Lebenserwartung nach der gültigen Sterbetafel zum Rentenbeginn heran. Aus Sicht des Ministeriums wäre es aber noch akzeptabel, wenn der steuerfreie Anteil der Rente zehn Prozent unter dem Vorsorgeaufwand liege. Das Hessische Finanzgericht hatte im Fall des Zahnarztes eine Differenz von 100 Euro pro Jahr errechnet und die Klage unter Verweis auf die Bagatellgrenze abgewiesen.

Der stellvertretende FDP-Fraktionschef im Bundestag, Christian Dürr, nahm das Verfahren zum Anlass für Kritik an der Bundesregierung: "Union und SPD haben das Thema bewusst links liegengelassen." Eine Doppelbesteuerung wäre "maßlos unfair". "Zudem besteht ein erhebliches finanzielles Risiko für den Bund", sagte Dürr. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) habe das Problem aber verschleiert.

rtr