Egal ob Kontoverwaltung, Kreditvergabe oder auch Wertpapiergeschäfte - die meisten Kunden wenden sich derzeit noch vertrauensvoll an ihre Bank und warten geduldig in der Filiale am Schalter. Allerdings wohl nicht mehr lange. Der digitale Wandel ist auch im Bankgeschäft nicht mehr aufzuhalten, die Industrie steht vor einer radikalen Veränderung. Financial Technology, kurz FinTech genannt, ist das Zauberwort für Finanzdienstleistungen der Zukunft. Noch ist die Verbreitung vergleichsweise gering, doch der Wandel ist nicht mehr aufzuhalten. Wie groß das Potenzial mit modernen Finanzdienstleistungen ist, zeigt die Entwicklung von PayPal. Der Internet-Bezahldienst gilt als Pionier des FinTech-Booms. eBay bezahlte 2002 für das Unternehmen 1,5 Mrd. Dollar. Vor wenigen Monaten wurde PayPal an die Börse gebracht, die aktuelle Marktkapitalisierung liegt bei 43 Mrd. Dollar.

PayPal agiert als größtes FinTech-Unternehmen weltweit in einem gigantischen Markt. Im vergangenen Jahr lag das globale Volumen der bargeldlosen Zahlungen bei rund 390 Billionen Dollar. Wachstumsraten von rund 7,4 Prozent p.a. in den vergangenen fünf Jahren zeigen die hohe Dynamik. Noch kräftigere Zuwächse verzeichnen die mobilen Zahlungsmöglichkeiten. Zwischen 2010 bis 2014 schoss die Zahl der weltweit abgewickelten Transaktionen nach Angaben von Capgemini von 4,6 auf 29 Milliarden nach oben.

Die klassische Finanzindustrie scheint diesen Herausforderungen nicht gewachsen zu sein. Beste Chancen für Start-ups, um mit Innovationen schnell hohe Marktanteile zu gewinnen. Mobile Zahlungssysteme stehen dabei ebenso im Fokus wie die Digitalisierung im Wertpapierhandel und der Vermögensverwaltung sowie neue Formen der Kapitalbereitstellung, Stichwort: Crowdfunding. Die aufstrebenden FinTechs sind mit ihren neuen Angeboten sowohl Konkurrenten für die etablierten Banken als auch Partner bei der Erweiterung des bisherigen Angebots über spezielle White-Label-Lösungen.

Da überrascht es kaum, dass die Zahl der FinTech-Unternehmen in Deutschland zuletzt deutlich auf mehr als 140 gestiegen ist. Zu den Favoriten in der Branche zählt die FinTech-Group. Der Name könnte kaum treffender gewählt sein. Vor allem nach einigen geschickten Zukäufen in den vergangenen Monaten haben die Frankfurter gute Karten, bald die führende Position als FinTech-Anbieter in Europa einzunehmen.

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Mit XCOM in neue Dimensionen



Bis 2014 fungierte noch der Onlinebroker flatex als Namensgeber, die Änderung in FinTech-Group zeigt nun wesentlich besser die breite Aufstellung. Seit April dieses Jahres hält das Unternehmen die Mehrheit an der XCOM AG. Ein Zukauf mit Weitsicht, denn die XCOM-Gruppe zählt zu den führenden Anbietern von IT-Produkten und -Dienstleitungen für den Finanzsektor. Basis des Erfolgs sind Angebote, die exakt nach den Wünschen des Kunden aufgesetzt werden. Damit haben traditionelle Anbieter mit ihren Standardlösungen kaum eine Chance. Der beeindruckende Kundenstamm von 250 Unternehmen mit Branchengrößen wie Deutsche Bank, Commerzbank und HypoVereinsbank untermauert die starke Marktstellung. Über die Tochter biw Bank ist die XCOM-Gruppe auch im Bankgeschäft aktiv und bietet White-Label-Banking-Lösungen für Firmenkunden an.

Die zahlreichen Synergien sind noch längst nicht gehoben, noch läuft die Neustrukturierung. So wurden nach der Übernahme der biw Bank Mitte November die operativen Aktivitäten der Aktionärsbank eingestellt. Nach Meinung von SMC Research dürften so die Kosten der Gruppe um einen hohen einstelligen Millionenbereich sinken. Für die FinTech-Aktie ist der nächste Kurstreiber bereits in Sicht, denn ein Verkauf der Aktionärsbank steht offenbar unmittelbar bevor, wie Vorstandschef Frank Niehage kürzlich durchblicken ließ.

Ausgebaut wurde auch das Endkundengeschäft. Neben dem etablierten Online-Broker flatex werden sehr aktive Trader über ViTrade angesprochen. Nicht zu unterschätzen sind zugleich die Potenziale der beiden Marken benk und kesh. Benk zielt auf Kunden, die ihre Bankgeschäfte ortsunabhängig durchführen wollen, während kesh sehr stark im wachsenden Segment der mobilen Bezahlsysteme aufgestellt ist. Zuletzt knackte das deutsche Mobile Payment System die Umsatzmarke von eine Million Euro. Vor allem die Zahlungen zwischen Freunden und Bekannten haben deutlich zugenommen. "Genau wie beim Bargeld hat fast jeder ein Smartphone in der Tasche, kann aber mit kesh Geldbeträge auch von unterwegs senden oder an der Kasse und im Online-Handel bezahlen. Die Einsetzbarkeit in jeder Situation ist der große Vorteil - sogar gegenüber einer so ausgereiften Erfindung wie Bargeld", fasst Kay-Hendrik Eichler, Vorstand der XCOM die Vorteile zusammen. Zudem dank der Vollbanklizenz der biw auch der komplette Zahlungsprozess in der Gruppe abgewickelt - ein entscheidender Unterschied zu vielen Konkurrenten, die Kredit- und EC-Kartenunternehmen einbinden müssen.

Treibende Kraft hinter den Kulissen ist der seit September 2014 amtierende Vorstandschef Frank Niehage. Der Konzernlenker ist stark im Bankgeschäft verwurzelt und arbeitete bereits bei Goldman Sachs, Credit Suisse, UBS, Commerzbank und der Privatbank Sarasin.

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Rasantes Wachstum



Auch wenn der Umstrukturierungsprozess und damit die Synergiepotenziale noch längst nicht abgeschlossen und gehoben sind, zeigen die jüngsten Zahlen deutlich den Erfolg der FinTech-Group. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 stieg die Kundenzahl per Ende Juni um mehr als 50 Prozent auf 200.000. Knapp 40.000 Kunden betreut die Gruppe im Hintergrund für andere Banken im Rahmen von White-Label-Lösungen. Mit dem starken Kundenwachstum legte auch das verwaltete Kundenvermögen um gut die Hälfte auf 5,7 Mrd. Euro zu. Unter dem Strich blieben nach einem Verlust im Vorjahreszeitraum von 4,2 Mio. Euro nach sechs Monaten nun knapp zwölf Mio. Euro hängen. Für das Gesamtjahr werden 20 Mio. Euro beim operativen Ergebnis erwartet, in 2016 sollen es bereits rund 35 Mio. Euro werden.

Angesichts des Erfolgs in Deutschland liegt es auf der Hand, dass Geschäftsmodell und die innovativen Dienstleistungen auch in anderen Länder anzubieten. Die Kosten sind vergleichsweise gering und die Branche steckt noch am Anfang, so dass sich gute Produkte im Endkunden- wie auch Firmenkundengeschäft zügig durchsetzen, was zu schnellen Marktanteilsgewinnen führt.

Zusätzlichen Auftrieb könnte die Aktie ab Anfang 2016 auch durch die Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS erfahren. Was sich zunächst langweilig anhört, bietet viel Kursfantasie. Der Wechsel stellt eine formale Grundlage für einen Aufstieg in den streng regulierten Prime Standard dar sowie ein Zweitlisting an der Börse in London im Segment Alternative Investment Market (AIM). Mit der Änderung in der Bilanzierung steigt die Transparenz, was viele internationale Investoren anlocken dürfte. Börse Online sieht das Kursziel für die FinTech-Aktie vorerst bei 20 Euro, SMC Research siedelt den fairen Wert bei 23,70 Euro an. Konzern-Chef Niehage hat deutlich ehrgeizigere Ziele und will aus der Fintech Group eine One-Billion-Dollar-Company machen. Mit der Kursverdopplung seit Januar wurde zumindest der Grundstein gelegt, aktuell liegt die Marktkapitalisierung bei rund 270 Mio. Euro. Bis zu einem Börsenwert von einer Milliarde Dollar sind aber noch viele gute Nachrichten nötig.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.

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