€uro am Sonntag: Herr Elmgreen, das Thema Inflation dominiert derzeit die Märkte. Wie sehen Sie die Preisentwicklung?

Kasper Elmgreen: Lassen Sie mich ein wenig ausholen. Wir hatten aufgrund von Corona 2020 die stärkste wirtschaftliche Kontraktion und daraufhin den stärksten Rebound der vergangenen Jahrzehnte. Seit November 2020 herrscht wieder Optimismus, dass eine wirtschaftliche Normalisierung ansteht. Die Nachfrage von Konsumenten und Industrie steigt daher rasant, das Angebot ist aber in einigen Bereichen wie etwa bei Computerchips und Rohstoffen eingeschränkt. Das alles zusammen treibt die Preise. Wichtig ist aber, dass die Lohnpreise noch nicht gestiegen sind und etwa in den USA sogar noch unter dem Vorkrisenniveau liegen.

Das heißt, Sie können Entwarnung geben?

Nein, denn die Eine-Million-Dollar-Frage steht weiterhin im Raum. Was passiert denn nach der Phase der Normalisierung? Wie wirken sich die Multi-Billionen-Dollar-Hilfspakete und die extrem lockere Geldpolitik der Notenbanken weltweit aus? Wir wissen es einfach nicht. Die Gefahr einer lang anhaltenden Teuerung ist daher nicht vom Tisch.

Welche Anlageklassen sind denn empfehlenswert?

Anleiheinvestments sind unter diesen Umständen sehr gefährlich. Nach 40 Jahren Bullenmarkt ist die Chance, vor allem mit Staatsanleihen Geld zu verlieren, relativ hoch. Dagegen haben Real Assets in dem Umfeld Vorteile,soll heißen: Aktien und Immobilien bleiben interessant.

Welche Aktien sind in diesem unsicheren Umfeld Ihrer Meinung nach attraktiv?

Erstens sind Unternehmen mit großer Preismacht sehr interessant. Denn sie können Teuerungen an die Kunden weitergeben. Ein klassisches Beispiel sind Autobahnbetreiber, die ihre Preise nach dem Ausmaß der Inflationsrate erhöhen dürfen. Aber auch Unternehmen mit starken Marken aus dem Konsum- und Medizinbereich zählen zu unseren Favoriten.

Und zweitens …?

Zweiten sind auch Unternehmen mit hoher Gewinnmarge interessant, da sie Preisschocks besser abfangen können.

Setzen Sie bei Ihrer Auswahl eher auf Value-Titel oder Wachstumsaktien wie Amazon oder Alphabet?

Die Bewertungsunterschiede zwischen Growth- und Value-Titeln waren zuletzt so groß wie nie zuvor. Erst seit November vergangenen Jahres haben sich hinsichtlich der Rendite Value-Werte besser als Growth-Titel entwickelt. Ein Trend, der anhalten dürfte, da wir davon ausgehen, dass die Zinsen die nächsten Jahre eher steigen als sinken dürften. Und steigende Zinsen wirken sich eher positiv auf Value- denn auf Growth- Titel aus.

In welchen Regionen finden Sie noch attraktive Werte?

Europa ist ein klassischer Value-Markt mit vielen Industrie-Aktien, die USA dagegen sind eher ein Zentrum für Growth-Werte etwa aus dem Technologiebereich. So sind auch die Bewertungen in Europa historisch gesehen noch günstig, was in den USA schon längst nicht mehr der Fall ist.

Wie sehen Sie die Möglichkeiten in Schwellenländern?

Auf lange Sicht sind Aktien aus den Emerging Markets allein wegen der überdurchschnittlichen Wachstumschancen eine attraktive Investmentgelegenheit. Einen Fehler sollte man allerdings nicht machen und alle Schwellenländer über einen Kamm scheren. Man muss hier unbedingt die Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes berücksichtigen, etwa in Bezug auf die Art der Inflation.

Inwiefern?

Brasilien und Russland dürften als rohstoffreiche Länder von den steigenden Preisen für Bodenschätze aller Art profitieren, dagegen schwächt dieser Trend Importländer wie die Türkei oder Indien. Man muss daher sehr selektiv bei der Auswahl vorgehen.



Selektivität ist ein gutes Stichwort: Ist das aktuelle Umfeld eher geeignet für Stockpicker?

Ja, nachdem sich Märkte jahrelang gleichmäßig nach oben oder unten entwickelt haben, werden die Korrelationen jetzt deutlich geringer. Das zeigt sich auch daran, dass im Mai dieses Jahres 70 Prozent der aktiven Manager in den USA die Rendite des Nebenwertindex Russel 1.000 geschlagen haben. Das ist der beste Wert seit 1992.

Amundi Funds European Equity Value: Der von Andreas Wosol gemanagte Fonds investiert europaweit in werthaltige Unternehmen. Finanzdienstleister und zyklische Unternehmen machen zusammen rund 40 Prozent des Portfolios aus.