Die japanische Börse steht fast wieder so hoch wie zuletzt während der großen Blase vor drei Jahrzehnten. Es war im Jahr 1988, als der Nikkei 225 erstmals über 30 000 Punkte kletterte. Danach ging es hoch bis fast 39 000 Zähler. Im August 1990 notierte der Index dann das vorerst letzte Mal über der runden Marke. Und erst jetzt, mehr als 30 Jahre später, wurde diese wieder geknackt.
Die Dinge haben sich seither jedoch grundlegend geändert. Damals lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Index bei über 60, derzeit sind es 19. Und auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis lag mit 5,0 erheblich höher als heute mit 1,9. Außerdem steigt das Interesse ausländischer Investoren: So hat der legendäre Techkonzern Toshiba ein Übernahmeangebot über 17,7 Milliarden Euro des europäischen Finanzinvestors CVC Capital Partners erhalten. Dies alles zeige, dass Anleger "den inneren Wert japanischer Aktien im Zuge der Pandemie neu bewerten", erklärt Shigeru Aoyagi, Chefinvestor bei Nikko Asset Management.
Das Krisenmanagement in Japan hat funktioniert: Die Corona-Infektionsraten wurden ohne strenge Abriegelungsmaßnahmen niedrig gehalten. Auch viele Unternehmen haben angemessen und flexibel reagiert und etwa die Produktion auf Masken und medizinisches Zubehör umgestellt, Mitarbeiter in Heimarbeit geschickt sowie die Kosten gesenkt, um den Umsatzrückgang aufzufangen.
Flexibilität made in Nippon
Die Notenbank wiederum agiert sehr feinfühlig. Wie erwartet, beließ man zuletzt das kurzfristige Zinsziel bei minus 0,1 Prozent. Allerdings schwenkt die Bank of Japan auf einen flexibleren Kurs beim Ankauf von börsennotierten Fonds (ETFs) ein. Man wolle nur noch "bei Erforderlichkeit" kaufen. So kann sie ihre Käufe in ruhigen Marktphasen herunterfahren. Entsprechend ist die Stimmung unter Japans Großunternehmen seit Dezember deutlich über die Erwartungen der Ökonomen gestiegen, "wenn auch weniger überschwänglich als in den USA. Die Situation gleicht eher der in Europa", sagt John Vail, Chefstratege bei Nikko Asset Management. Auch die Stimmung der kleinen Unternehmen verbesserte sich, blieb aber sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor zurück, "zum Teil wegen der Corona-Beschränkungen, die den Dienstleistungssektor hart treffen, und auch weil viele Unternehmen nicht in der Lage sind, effektiv auf Heimarbeit zu setzen", so Vail.
Zeit für neue Favoriten
Dennoch: "Japans Aktienmarkt hat den Gipfel noch lange nicht erreicht. Besonders Value-Aktien bieten Potenzial", sagt Aoyagi. "Wir glauben, dass hier eine Trendwende im Gange ist, ausgelöst durch den Anstieg der langfristigen Zinsen." In den zurückliegenden zehn Jahren war das anders: Wegen der schleppenden Konjunktur, der beispiellos lockeren Geldpolitik und neuer Technologien standen Wachstumsaktien klar im Rampenlicht.
Das zeigen auch gewisse Übertreibungen. Ein Drittel der Nikkei-Gewinne seit März 2020 gehen allein auf die Softbank Group und den Modekonzern Fast Retailing zurück. Letzterer macht elf Prozent des Nikkei aus und ist trotz Wachstumsfantasie mit einem KGV von 43 inzwischen sehr teuer.
Es sind zyklische Werte - Value-Aktien sind typischerweise zyklisch -, die jetzt mehr Potenzial haben, dazu kleinere Unternehmen, also Small und Mid Caps. "In Japan sind die Nebenwerte günstig, sowohl absolut als auch relativ gesehen im historischen Vergleich", sagt Sven Lehmann, Portfoliomanager bei HQ Trust.
Dazu gehört etwa Sankyu, ein Unternehmen, das weltweit in den Bereichen Logistik und Anlagenbau tätig ist und mit einem KGV von zwölf sehr günstig zu haben ist. Auch aussichtsreich mit einem KGV von knapp 19 ist Minebea Mitsumi, ein Zulieferer für Automobil-, Luft- und Raumfahrt-, Medizin- und Industrieanwendungen. Wer es einfacher haben möchte, investiert in den aktuell besten Aktienfonds für kleinere und mittelgroße Aktien, den M & G Japan Smaller Companies. Alternativ bietet sich der Blackrock Japan Small & MidCap Opportunities an, bei dem im Gegensatz zum M & G-Fonds das Währungsrisiko abgesichert wird.
Auftrieb sollte auch die Börsenreform geben. Nippons Indizes werden neu strukturiert, um die Überkreuzbeteiligungen zu reduzieren. Bis 2022 sollen die bislang fünf Sektoren drei Sektionen weichen. Auch wichtig: Die Bank of Japan gab gerade bekannt, dass sie nur noch ETFs kaufen wird, die den 3000 Werte umfassenden Topix abbilden.
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