Sie machen kurzen Prozess mit Krankheitserregern - als Tablette, Flüssigkeit oder per Infusion. Antibiotika kommen dem menschlichen Organismus zu Hilfe, wenn es darum geht, durch Bakterien verursachte Infektionen zu beseitigen. Für Mediziner und Investoren ist die im September stattfindende Fachkonferenz ICAAC das Event schlechthin, um sich über die neuesten klinischen Ergebnisse und Therapien zu informieren.
Kampf den "Superbugs"
Nach jahrelanger Flaute setzen Antibiotika wieder Highlights in der Medikamentenentwicklung. Wurden 2001 bis 2010 ganze acht Präparate zugelassen, erhielten allein von Mai bis Juli dieses Jahres drei neue Medikamente grünes Licht von der US-Behörde FDA. Entstanden sind sie in Labors von Biotechfirmen wie The Medicines Company, Cubist Pharma und Durata Therapeutics. Antibiotika rocken wieder - das zeigt sich auch daran, dass Cubist im Vorjahr vom Pharmagiganten Merck & Co. und Durata vom Generikahersteller Actavis übernommen wurden.
Den Run auf die Bakterienkiller ausgelöst hat eine drohende medizinische Notlage durch multiresistente Krankheitskeime, vor allem in Hospitälern. An denen sterben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit 700 000 Menschen im Jahr, allein in Deutschland bis zu 15 000 Personen. Tendenz steigend. Hauptgrund ist die übermäßige Antibiotikaverwendung, zumal 80 Prozent für den ambulanten Gebrauch verschrieben und eingenommen werden.
Die meisten Pharmakonzerne hatten sich seit Ende der 90er-Jahre aus der Antibiotikaforschung verabschiedet. Kommerzielle Gründe gaben den Ausschlag. Antibiotika kommen nur über einen begrenzten Zeitraum zum Einsatz. Zudem ist der Markt fragmentiert, was die Zeitspanne bis zum Erreichen der Spitzenumsätze vor dem drohenden Patentablauf verlängert. Demgegenüber spielen Therapieansätze bei chronischen Erkrankungen wie Krebs, Diabetes oder Rheuma langfristig höhere Einnahmen ein. Die Folge: Kein Antibiotikum befindet sich aktuell unter den 20 meistverkauften Medikamenten. Hinzu kommt: Im Jahr 2013 waren 392 der verkauften Antibiotika, und damit 87 Prozent, auch als billige Generikakopien verfügbar, da der Patentschutz der Wirkstoffe abgelaufen war.
Nach langem Zögern hat die Politik auf die alarmierende Situation reagiert. Mit dem sogenannten Gain Act vom Mai 2012 hat die US-Regierung unter Obama neue Anreize für Antibiotikahersteller geschaffen. So erhalten neu zugelassene Produkte weitere fünf Jahre Marktexklusivität. Wirkstoffe gegen lebensbedrohliche Erkrankungen kommen in den Vorzug des beschleunigten Fast-Track-Status im Entwicklungsprozess und beim Zulassungsverfahren. Zudem stehen 1,2 Milliarden US-Dollar für die Antibiotikaforschung bereit.
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Nische für Biotechs
"Bei den neuen Substanzen handelt es sich in der breiten Mehrheit um molekulare Variationen bekannter Antibiotikaklassen. Mit besserer Verträglichkeit und Wirksamkeit verbreitern diese das Arsenal der Klinikärzte, um mit schwierigen Infektionen und resistenten Keimen umzugehen", erläutert Harald Schwarz, Geschäftsführer von Medical Strategy. Die Schwierigkeiten bei den klinischen Studien, so Christian Lach, Portfoliomanager bei Bellevue Asset Management, bestehen darin, dass diese Resistenzen regional völlig unterschiedlich ausgeprägt sind.
Merck & Co. (nicht zu verwechseln mit der deutschen Merck KGaA) hebt sich hier von der Konkurrenz mit einem Mix aus eigener Pipeline und zugekauften Produkten ab. Aus der 9,5-Milliarden-Dollar-Akquisition von Cubist stammt das Milliardenprodukt Cubicin. Antibiotika werden zwar auch in Zukunft nur ganze fünf Prozent des Gesamtumsatzes stellen. Nach dem jüngsten Rücksetzer ist die Merck-Aktie aber günstig bewertet.
Aus Anlegersicht deutlich spekulativer sind Biotechs. Kaufenswert sind hier die Aktien von Paratek Pharma und Cempra. Bei Cempra ruhen die Hoffnungen auf Solimythricin, einem Präparat gegen Lungenentzündung, die sich aus multiresistenten Keimen gebildet hat. Experten beziffern die möglichen jährlichen Spitzenumsätze auf eine Milliarde US-Dollar. Bestätigt die zweite Studie in der klinischen Endphase III, deren Ergebnisse bis Mitte 2016 erwartet werden, die Eindrücke der ersten Testreihe, wird die Aktie abheben. Ebenfalls in Phase III befindet sich der Hoffnungsträger von Paratek, an dem die Firma in zwei Krankheitsfeldern die alleinigen Vermarktungsrechte besitzt.
Einen heftigen Rückschlag in Phase III musste zuletzt Tetraphase wegstecken. Ganz abschreiben sollte man die Firma jedoch nicht, denn Tetraphase verfügt über eine eigene Technologieplattform, um Tetrazyklin-Antibiotika zu entwickeln. Aus dieser Klasse kamen seit 30 Jahren keine neuen marktreifen Produkte mehr, und die US-Gesellschaft steht hier ganz vorn. Abwarten ist auch bei Basilea Pharma aus der Schweiz angesagt. Für das in 13 europäischen Ländern zugelassene Breitband-Antibiotikum Zeftera muss Basilea noch weitere klinische Daten nachliefern - und wird hier Experten zufolge kaum um eine neue klinische Studie herumkommen.