Herdentrieb Die Gier besiegen



Geht es um Gefühle, sind Börsianer beinahe bipolare Wesen, sie schwanken zwischen Angst und Gier. Getrieben von diesen Extremen, bewegen sich die Kurse in unterschiedlich langen Zeiträumen nach oben oder unten. Laut US-Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller sind nur 20 Prozent der Kursbewegungen fundamental erklärbar. Der Rest ist Psyche.

Dass die Anlegerstimmung die Börse derart beeinflusst, hat mehrere Gründe: Menschen neigen dazu, Entwicklungen aus der Vergangenheit fortzuschreiben, und bewegen sich lieber in der Masse, als abseits zu stehen. In diesem Herdentrieb werden einzelne Aktien regelmäßig zu Investoren- Lieblingen. Dabei gerät die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen oft aus dem Blick, der steigende Kurs selbst wird zur Rechtfertigung von Käufen und damit immer höheren Notierungen. Das ist ein Mechanismus, den sich Investoren mit der Momentum- Strategie sogar gezielt zunutze machen können (Ausgabe 45/18).

Doch mit neuen Höchstständen steigt auch die Gier. Jeder neue Kursrekord treibt Anspruch und Realität weiter auseinander, das Enttäuschungspotenzial wächst. Anlegern sollte daher bewusst sein, dass die Börse zu irrationalen Übertreibungen neigt. Schlägt die Stimmung um, werden dabei oft die vormaligen Lieblinge besonders hart auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Aktuelles Beispiel sind Technologiewerte wie Alphabet, Amazon, Apple, Facebook oder Netflix, die zuletzt besonders stark fielen (siehe S. 14). Anleger können sich gegen übermäßige Gier schützen, indem sie beim Kauf einer Aktie ein Kursziel setzen und verkaufen, sobald es erreicht ist.



Verlustangst Stoppkurse setzen



Es klingt einfach, und doch fällt es vielen Anlegern schwer, eine der grundsätzlichsten Investment-Regeln zu befolgen: Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen. Tatsächlich handeln wir oft genau andersherum und lassen verlustreiche Aktien viel zu lange im Depot. Der Grund: Laut Verhaltensökonomie bereitet ein Verlust emotional drei Mal stärkere Schmerzen als ein Gewinn Freude. Im Hoffen auf den Turnaround werden fallende Aktien daher gehalten und steigende Wertpapiere schon mit kleinsten Gewinnen verkauft.

Um Verlustängste zu besiegen, helfen Stoppkurse. Erreicht eine Aktie einen festgelegten Kurs, wird automatisch verkauft. Wie weit der Stoppkurs unter dem Einstiegspreis liegen soll, dafür gibt es keine feste Regel. Als Hilfe können Kurswiderstände im Chart dienen. Oder Anleger platzieren die Stoppmarken pauschal 15 oder 20 Prozent unter dem Kaufpreis. So lässt sich auch die eigene Risikoneigung (Ausgabe 42/18) berücksichtigen. Um Gewinne abzusichern, bietet sich ein Trailing-Stopp an. Dieser Stoppkurs läuft einer steigenden Aktie in einem fixen, absoluten oder prozentualen Abstand nach. Fällt die Aktie, verbleibt der Stoppkurs auf dem zuletzt erreichten Niveau und sichert damit Gewinne systematisch ab.



Heimatliebe Auf Vielfalt achten



Aktien als Anteilschein eines Unternehmens sind ein abstraktes Gut. Ein physisches Stück der Firma kann schließlich nicht ausgehändigt werden. Vielleicht ist es der Umstand, seinen Besitz nicht greifen zu können, der viele Anleger dazu verleitet, überwiegend vor der eigenen Haustür zu investieren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Hier kennt sich der Anleger aus, spricht die Landessprache, kommt leichter an Informationen und muss keine unbekannten Steuersysteme oder Währungsrisiken fürchten. Doch die in der Fachsprache Home Bias genannte Heimatliebe kann schnell zu Klumpenrisiken im Depot führen.

Weil sich Volkswirtschaften, Branchen und Rohstoffe unterschiedlich entwickeln, ist es sinnvoll, seine Investments breit zu streuen. So können Rückschläge einer Aktie oder in einer Volkswirtschaft durch Gewinne woanders kompensiert werden. Eine solche Diversifikation erreichen Anleger am einfachsten über Indexfonds (ETF) auf breite Aktienindizes wie den MSCI World oder den Stoxx Europe 600.



Info-Flut Diät machen



Auch Börsennachrichten haben Risiken und Nebenwirkungen. Das tägliche Bombardement von Meldungen verengt den Blick auf den Moment. Der kurze Betrachtungszeitraum lässt die Kursschwankungen extremer erscheinen und verleitet zu Panikverkäufen. Dabei sind Kursrücksetzer von bis zu 20 Prozent nur selten Vorboten eines Börsencrashs, sondern oft Bestandteil jeder gesunden Hausse.

Der ständige Blick auf den Nachrichtenticker gilt daher als einer der größten Renditekiller. Wer stattdessen Weitblick bewahrt und konsequent investiert, profitiert mehrfach. Anleger mitteln ihre Einstiegskosten, wenn sie zu niedrigeren Kursen nachkaufen. Je langfristiger Aktien gehalten werden, desto kleiner ist auch das Verlustrisiko, und umso größer die statistisch belegte Rendite. In hektischen Börsenphasen kann eine Informationsdiät für das eigene Portfolio -daher durchaus gesund sein.



Aktionismus Kurs halten



Hin und Her macht Taschen leer, lautet eine saloppe Regel an der Börse. Einst war die Weisheit auf hohe Ordergebühren gemünzt, denn diese Kosten musste eine Aktie mindestens einspielen, was noch vor Jahren keine Selbstverständlichkeit war. Im Zeitalter günstiger Onlinebroker aber fallen die Gebühren kaum noch ins Gewicht. Heute ist es vielmehr die Selbstüberschätzung, die zu Verlusten führt. Im Straßenverkehr schätzen laut Umfrage 80 Prozent der Teilnehmer ihr Können als überdurchschnittlich ein. Ähnlich verhält es sich bei Anlegern, die den perfekten Zeitpunkt für Kauf und Verkauf treffen wollen.

In aller Regel schafft man das aber nicht. Deshalb sollten Aktienkäufer akzeptieren, wenn das Papier nach dem Kauf maßvoll in den Verlustbereich rutscht, und nicht gleich wieder verkaufen. Sie sollten Kurs halten und bei ihrer gewählten Strategie bleiben. Das Timing-Risiko mildern Aktiensparpläne, die konstant einen fixen Betrag an der Börse etwa in ETFs investieren.