Marathon-Tag in Frankfurt für Sportler und Banker: Während sich am Sonntag tausende Läufer durch die Frankfurter Innenstadt kämpften, knallten im Bankenviertel nach monatelangem Stress die Korken. Der Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) ist vorbei. Und von den 24 deutschen Banken, die sich der Prüfung der künftigen Aufseher stellen mussten, sind mit einer Ausnahme alle ohne Blessuren bis zum Ziel gekommen. In anderen Euro-Ländern ging dem ein oder anderen Geldhaus dagegen das Kapital, also die Puste aus. Damit stehen nun nicht nur Sieger und Verlierer fest, klar ist auch: Die größte Banken-Prüfung aller Zeiten war nur eine Etappe auf dem langen Lauf zu einem fitten Finanzsystem in Europa.
Von 130 untersuchten Banken haben 25, also ein Fünftel, die Belastungsprobe nicht bestanden. In den Bilanzen von 13 Banken klafft noch immer ein Loch von gut zehn Milliarden Euro. Besonders dramatisch sind die Probleme nach wie vor in den Krisenländern Südeuropas, vor allem in Italien. Aus dem Heimatland von EZB-Präsident Mario Draghi kommen neun der Banken, die durchgefallen sind. Und sieben Jahre nach der Finanzkrise schlummern noch 879 Milliarden Euro an faulen Krediten in den Bilanzen der Banken. Das sind fast 140 Milliarden Euro mehr als bislang angenommen.
Für Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftforschung (DIW), sind dies deutliche Warnsignale, dass der Stress für das Bankensystem und die Euro-Zone auch nach dem großen Stresstest noch nicht vorbei ist: "Das unterstreicht die anhaltende Tiefe der europäischen Wirtschaftskrise und die Schwierigkeit vieler Unternehmen und Menschen, ihre Kredite zu bedienen. Es zeigt, dass die Lösung der Bankenkrise alleine nicht ausreichen wird, um die europäische Krise zu überwinden."
Entscheidend für die europäische Wirtschaft ist nach Ansicht von Experten, ob die auf Herz und Nieren geprüften und mit einem Gütesiegel der EZB versehenen Banken künftig wieder mehr Kredite vergeben - an die tausenden kleinen und mittelständischen Firmen in der Währungsunion sowie an Häuslebauer und Autokäufer. Denn ohne Kredite gibt es keine neuen Fabrikhallen, keine neuen Häuser, Autos, Lastwagen und Schiffe, kein Wirtschaftsaufschwung und am Ende auch keine neuen Arbeitsplätze.
Der Stresstest alleine wird die Kreditklemme für kleine und mittlere Unternehmen in Südeuropa wohl nicht lösen, da sind sich die Experten einig. Denn selbst wenn die Banken selbst in Italien, Griechenland und Zypern jetzt wieder mehr Geld locker machen sollten, bleibt gerade in diesen Krisenländern das Problem mangelnder Kreditnachfrage der Unternehmen. Es sei daher "extrem unwahrscheinlich", dass das Kreditthema mit dem Stresstest gelöst sei, sagt Erik Nielsen, Chefvolkswirt der Großbank Unicredit. Das weiß auch die EZB, die deshalb mit ihrer Geldpolitik versucht, die Banken aufzupäppeln und gleichzeitig die Konjunktur insgesamt anzukurbeln.
Und die Banken? Sie scheinen - darauf deutet die EZB-Prüfung hin - einigermaßen gerüstet für die nächste Krise. Aber überstehen sie auch den Alltag? "Dazu muss man nicht nur belastbar sein, sondern auch schneller laufen können als die Konkurrenz - und zwar über eine sehr lange Strecke", sagt Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret. Nicht alle dürften den Marathon deshalb wohl alleine beenden. "Wenn zu viele Läufer auf der Strecke sind, behindern sie sich gegenseitig. Im deutschen Bankensektor könnten Fusionen daher vorteilhaft sein."
Reuters