Im französischen Biarritz wird nun am Wochenende nach Einschätzung von G7-Diplomaten intensiver als bislang geprüft, ob der Puls überhaupt noch fühlbar ist. Denn seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump 2017 wächst die Unsicherheit, was den "Westen" eigentlich noch vereint. Gastgeber Emmanuel Macron hat vorsorglich angekündigt, dass es diesmal keine gemeinsame Abschlusserklärung zu den Themen Weltwirtschaft und Außenpolitik geben werde - das vermeidet offensichtlichen Streit.
Doch nicht nur Trumps Ablehnung multilateraler Zusammenarbeit bei Klima oder Handel gilt als Problem: Auch wachsender Nationalismus in Großbritannien und Japan sowie die Regierungskrise in Italien drücken auf die Stimmung des G7-Gipfels. Dazu kommt die als unberechenbar beschriebene Persönlichkeit des neuen britischen Premierministers Boris Johnson. Und die Liste der Streitthemen ist lang: Trump überzieht die Welt mit Handelskonflikten - die nicht nur gegen China, sondern auch Europa und Japan gerichtet sind. Wie sehr er sich vom Denken gerade der europäischen Partner entfernt hat, zeigt auch sein überraschender Vorschlag, das 2014 aus dem Kreis ausgeschlossene Russland wieder aufzunehmen. Kanzlerin Angela Merkel, Macron und auch Johnson erteilten dem Ansinnen unmittelbar eine klare Absage und verwiesen auf die russische Rolle etwa in der Ukraine.
Differenzen in Wirtschaftsfragen
Dazu kommt neben der US-Strafzollpolitik gegen China und auch die Europäer die Debatte über die Einführung einer Digitalsteuer - in der allerdings auch Gastgeber Macron Anheizer eines transatlantischen Konfliktes ist. Denn im Alleingang hat Macron eine dreiprozentige französische Digitalsteuer beschlossen, die vor allem US-Internet-Konzerne wie Apple, Google und Facebook belasten dürfte. Das wiederum bringt Trump auf die Barrikaden, der mit Strafzöllen gegen französische Produkte droht - damit aber wiederum die für Handel zuständige EU insgesamt treffen könnte. Nun drohen die Bemühungen der Industriestaaten gestört zu werden, weltweit eine Mindestbesteuerung von Unternehmen zu verabreden. Deutschland steht in dem Streit etwas zwischen den Fronten, weil es zwar die Besteuerung will und Frankreichs Ziele teilt, aber keinen nationalen Weg gehen möchte.
Differenzen gibt es auch im Umgang mit der schwächelnden Weltwirtschaft und einer in Deutschland drohenden Rezession in diesem Jahr, die die gesamte Euro-Zone belasten würde. Sollte etwa Trump auf Konjunkturspritzen zur Ankurbelung der Wirtschaft pochen, werde die Bundesregierung deutlich machen, dass sie weiter zur schwarzen Null - also einem ausgeglichenen Haushalt - stehe, heißt es in Regierungskreisen in Berlin. Merkel dürfte dem US-Präsidenten auch in dem geplanten bilateralen Gespräch sagen, dass er selbst mit einer Beilegung der Handelskonflikte den größten Beitrag zu einem Aufschwung leisten könnte.
Johnson steht in der Außenpolitik bei den Europäern
Wie immer wird der Fokus stärker auf den bilateralen Treffen am Rande des Gipfels liegen - und den außenpolitischen Themen. "G7 ist weiterhin eine Wertegemeinschaft", wird dabei in deutschen Regierungskreisen betont. Aber auch hier wird gestritten - etwa über den Umgang mit dem Iran. Während die USA eine harte Haltung der Partner fordern, hat das britische Gibraltar gerade einen beschlagnahmten iranischen Tanker freigegeben. In der China-Politik ist man sich zwar einig, dass die Regierung in Peking keine Gewalt gegen die Demonstranten in Hongkong anwenden sollte. Aber während Trump auch hier einen Konfrontationskurs mit Peking fördert, setzen die Europäer auf sanftere Töne - auch, weil China anders als die USA Partner im Atomabkommen mit dem Iran oder auch bei den Klimaschutzzielen ist. Gastgeber Macron hat auch eine Reihe anderer Staaten wie Indien, Chile, Australien oder einige afrikanische Länder eingeladen, um über Themen wie Ungleichheit, Digitalisierung und vor allem Klima zu reden. Dabei sollen dann auch die Waldbrände im brasilianischen Amazonas-Gebiet Thema werden.
Wie schwierig das Lavieren zwischen den Positionen wird, zeigt sich vor allem am britischen Premier Johnson. Einerseits wendet er sich von den EU-Partnern mit dem Brexit ab und hofft auf Sonderbeziehungen zu den USA. Andererseits stehe er bei Themen wie Klima, Iran oder Russland doch weiter eng an der Seite der bisherigen EU-Partner, wird in London betont. "G7 wird nicht zu G5", heißt es deshalb zu Befürchtungen, Johnson könnte sich in Biarritz auf die Seite des US-Präsidenten schlagen.