Die Chemiker im Labor von Henkel vermuteten, was Frauen wollten: Ihre Erfindung revolutionierte die mühsame Arbeit in der Waschküche. Statt die Haushaltswäsche in mehreren Gängen zu bleichen, zu spülen und auf dem Waschbrett zu reiben, löste ein neuartiges Pulver den Schmutz fast von selbst. Persil hieß das Mittel, eine Wortschöpfung aus den beiden wichtigsten chemischen Bestandteilen Perborat und Silikat. Mit dem Siegeszug von Persil begann die Geschichte eines Familienunternehmens, das zum global agierenden Konzern wurde.

Friedrich "Fritz" Karl Henkel, geboren 1848 im hessischen Vöhl, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Er war schon als Jugendlicher fasziniert von den Möglichkeiten der heraufziehenden Industrialisierung. Mit 26 wurde er Teilhaber einer Chemikalien-Großhandlung und machte sich zwei Jahre später in Aachen mit zwei Partnern selbstständig.

Henkel hatte von einer Waschmethode aus dem amerikanischen Bürgerkrieg gehört, die statt auf Seife auf eine Kombination aus Soda und Wasserglas setzte. Mit diesen Substanzen experimentierte er und entwickelte ein "Universal-Waschmittel", das allerdings bei den Kunden nicht ankam: Es hinterließ Löcher im Gewebe. 1878 kam ein verbessertes Produkt auf den Markt - Henkel’s Bleich-Soda. Es wurde zum Verkaufshit und zum ersten Markenartikel der Firma. Im gleichen Jahr zog Henkel von Aachen nach Düsseldorf um. Der Durchbruch vom kleinen Waschmittelhersteller zum nationalen Anbieter erfolgte vor dem Ersten Weltkrieg, als seine Firma 1907 Persil entwickelte.

Fritz Henkel hatte drei Kinder: Hugo, Fritz und Emmy. Die Führung der Firma übergab er seinem Sohn Hugo, der zusammen mit dem Chemiker Hermann Weber als Persil-Erfinder gilt. Hugo wiederum gab den Chefposten an seinen Sohn Jost weiter. Weil Jost schon früh starb, übernahm 1961 dessen Bruder Konrad die Leitung. Konrad, der Patriarch, formte das Unternehmen zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien um, brachte es 1985 an die Börse und machte es zu einem breitgefächerten, globalen Chemie­konzern. Henkel wurde zu einem Aushängeschild des deutschen Wirtschaftswunders.

Trapper begegnet Diva


Konrad Henkel, der bescheidene, pflichtbewusste und uneitle Unternehmer mit dem großem Interesse für die Wissenschaft, hatte die lebenslustige junge "Newsweek"-Journalistin Gabriele Hünermann im Rheinischen Karneval kennengelernt, verkleidet als Trapper. Henkel hatte aber noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, bis er Gabriele 1955 schließlich zum Traualtar führen konnte. Ihrem Vater, Professor und HNO-Facharzt mit dem Auftreten eines preußischen Offiziers, gefiel die Beziehung seiner Tochter zu diesem "Seifenfritzen" überhaupt nicht. Konrad sei geschieden, zu alt und außerdem evangelisch. Auch die Familie Henkel war nicht glücklich mit Konrads Wahl: Gabriele sei viel zu jung und außerdem noch katholisch.

Gabriele Hünermann, 1931 geboren, hatte den alliierten Bombenkrieg in Düsseldorf erlebt. Das Elternhaus lag in Trümmern, es folgten Jahre der Flucht. "Als ich 16 war, schickten meine Eltern mich nach London, ohne einen Pfennig in der Tasche", schrieb sie in ihren kurz vor ihrem Tod erschienenen Memoiren ("Die Zeit ist ein Augenblick"). "Das Leben lag vor mir, ich musste es nur noch anpacken". Sie arbeitete als Au-pair-Mädchen, lernte Englisch, wurde Journalistin und arbeitete unter anderem für das US-Nachrichtenmagazin "Newsweek".

Dass sich Düsseldorf neben München als zweite deutsche Society-Metropole behaupten konnte, sei zu einem Gutteil auch ihr zu verdanken, schrieb der "Tagesspiegel". Die Rheinländerin begnügte sich nie mit ihrer Rolle als Unternehmergattin, sie wurde zu einer Ikone, die dem gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Bundesrepublik Glanz verlieh. Gleichzeitig avancierte sie zum Glamour-Gesicht des Henkel-Clans. Das Kriegskind ohne nennenswerte Schulbildung gehörte bald dem internationalen Jetset an. In Düsseldorf baute sie eine Kunstsammlung auf, die schließlich über 2000 Werke renommierter Künstler umfasste. Arbeiten aus verschiedenen Kulturkreisen und Kunstgattungen sowie von fernen Kontinenten zählen dazu. Und sie wurde zum Mitglied des Internationalen Beirats des Museum of Modern Art in New York.

1969 hatte sie begonnen, Kunst für den Henkel-Konzern zu sammeln. Eigentlich, um die kilometerlangen Flure, die vielen Büros und Konferenzzimmer zu schmücken. Diese Räume waren alle mit Pflanzen dekoriert. Aber Pflanzen seien teurer gewesen als Zeichnungen oder Gemälde junger Künstler, schrieb Gabriele Henkel. Kunst war pflegeleicht, sie musste nicht ständig umgetopft oder gegossen werden.

Die Auswahl der Werke traf sie ohne Berater: "Das war wie in der Liebe, ich habe mich in die Bilder verliebt. Kunst musste mich ansprechen, nur dann wollte ich sie erwerben". Die Arbeiten von Künstlern wie Robert Delaunay, Willi Baumeister, Gerhard Richter, Frank Stella oder Ellsworth Kelly hingen nun in Büros, Vorstandsetagen, Fluren und Treppenhäusern. Die schillernde Mäzenin war berühmt für ihre Abendgesellschaften in ihrer Düsseldorfer Villa oder dem Landhaus der Familie in Hösel, die sie opulent inszenierte. Hier pflegte sie Kontakte zu vielen zeitgenössischen Künstlern wie Joseph Beuys oder Eugène Ionesco, mit Politikern wie Helmut Schmidt, den sie verehrte, oder mit Showgrößen wie Hildegard Knef und Playboys wie Gunter Sachs. Ihr Haus in Düsseldorf wurde, das schrieb sie in ­ihren Memoiren, "der Salon der ­Republik".

Grande Dame aus Düsseldorf


Gabriele Henkel, so die "Westdeutsche Zeitung", war "die letzte große deutsche Diva, die Grande Dame aus Düsseldorf". Ihr Mann starb im April 1999. Gegen Ende ihres Lebens wurde es still um sie. Die letzten Seiten ihrer Biografie stimmen wehmütig. "Die meisten Menschen, die mir nahe standen, sind inzwischen verstorben. Ich bin oft einsam." Ihre Bio­grafie ist eine Liebeserklärung an das Leben. Der letzte Satz: "Leben bedeutet, Augenblicke anzusammeln, die in Erinnerung bleiben". Gabriele Henkel starb mit 85 Jahren im September 2017.