Schicksalstage für Griechenland: Jetzt entscheidet sich, wie es im Schuldendrama mit dem Euro-Land weitergeht. Wenn es sich nicht mit seinen europäischen Partnern einigen kann, droht die Pleite: Dem klammen Staat dürfte schon Ende März das Geld ausgehen. Und er wird Milliarden-Kredite nicht mehr bedienen können. Spätestens dann müsste auch die Europäische Zentralbank (EZB) reagieren und den Hellas-Geldhäusern Notfallhilfen ihrer Notenbank in Athen entziehen. Mit einem 'Game over', wie es Finanzminister Wolfgang Schäuble bei einem Scheitern in Brüssel vorhersagt, würde Athen wohl auch den Euro verspielen. Dem könnte ein Neuanfang im Zeichen der Drachme folgen. Es folgt ein Szenario für den möglichen Schlussakt im Schuldendrama - den sogenannten Grexit:

Auf Seite 2: KEIN KREDIT - GRIECHENLAND IST AUF SICH ALLEINE GESTELLT



KEIN KREDIT - GRIECHENLAND IST AUF SICH ALLEINE GESTELLT

Dreh- und Angelpunkt ist die Verlängerung der Ende Februar auslaufenden Rettungshilfen, mit denen die EU-Staaten das klamme Land seit Jahren über Wasser halten. In einem Brief hat der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis eine Verlängerung beantragt. Vor allem Schäuble vermisst darin jedoch ein Bekenntnis zu Reformen und sieht keinen substanziellen Lösungsvorschlag. Sollte Deutschland in der Euro-Gruppe gegen eine Verlängerung stimmen, stünde Griechenland ohne neue Kredithilfen da.

"Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass es dazu kommt", meint der Finanzexperte Wolfgang Gerke. Er ist mit seiner Skepsis nicht allein: Experten beziffern das Risiko eines chaotischen Euro-Austritts mittlerweile auf 50 Prozent. Der Chef des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, hält es sogar für möglich, dass Varoufakis einen Euro-Austritt aktiv betreibt: "Er ist ein guter Ökonom und Spieltheoretiker. Ich vermute, er pokert so hoch, weil er die Arbeitslosigkeit entweder mit ganz viel Geld überkleistern oder aus dem Euro raus will", sagte Sinn dem Nachrichtensender n-tv.

Das Land hängt am Tropf seiner ausländischen Gläubiger. Laut Berechnungen der Commerzbank werden rund zwei Drittel der Staatsschulden vom europäischen Rettungsschirm (142 Milliarden Euro), den Euro-Ländern (53 Milliarden) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF, 34 Milliarden) gehalten. Mit Bürgschaften über gut 53 Milliarden Euro ist Deutschland größter Gläubiger.

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DIE BANKEN SITZEN AUF DEM TROCKENEN

Scheitern die Verhandlungen mit den Euro-Partnern, dürfte der EZB nichts anderes übrig bleiben, als die Gewährung der Notfall-Kredite an das Bankensystem einzustellen. Denn ELA-Hilfen dürfen nur an solvente Geldhäuser vergeben werden. Griechenland wäre aber ohne neue Kredite bald zahlungsunfähig. Banken bekämen das unmittelbar zu spüren, da sie in größerem Umfang griechische Anleihen halten. "In der Bilanz der Banken müssten die Titel dann aber entsprechend wertberichtigt werden. Und das wiederum hätte die Konsequenz, dass die griechischen Banken dann vermutlich de facto insolvent sind," schätzt Volkswirt Adalbert Winkler von der Frankfurt School of Finance and Management. Mit dem Stopp der Notfallhilfen würde das Finanzsystem austrocknen, da sich Hellas-Banken bereits jetzt nur noch über solche Notfallkredite ihrer Notenbank frisches Geld beschaffen können.

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KAMPF GEGEN DAS AUSBLUTEN - KAPITALKONTROLLEN

Bank-Kunden würden durch die Ereignisse spätestens jetzt aufgeschreckt - ein Ansturm auf die Institute und ihre Geldautomaten würde einsetzen. Dieser "Bank-Run" würde zu einem vollständigen Kollaps des Finanzsystems führen. "Griechenland müsste dann Kapitalverkehrskontrollen sowohl nach außen als auch nach innen hin einführen", schätzt Winkler. Das beträfe die Überweisung von Guthaben ins Ausland, aber auch den Zugang zu Konten im Inland. Möglich ist nach Einschätzung von Experten auch, dass die Regierung die Banken erst einmal für mehrere Tage schließt, um einen Neustart des Finanzsystems vorzubereiten. Das könnte mit einer neuen Währung geschehen - obwohl rechtlich gesehen der Euro dann immer noch Zahlungsmittel wäre.

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STUNDE NULL - RÜCKKEHR DER DRACHME

Dieses könnte wie einst vor den Zeiten des Euro "Drachme" oder auch "Neue Drachme" heißen. Dann würde die Zentralbank in Athen Herr des Verfahrens sein: Sie könnten mit den neuen Scheinen die Finanzinstitute mit frischem Geld versorgen. Auch der Staat würde so mit der Notenpresse über Wasser gehalten - doch mit fatalen Folgen, warnt Commerzbank-Ökonom Christoph Weil: "All dies würde wahrscheinlich das ohnehin schon geringe Vertrauen in die neue Währung unterminieren, so dass die neue Drachme gegenüber dem Euro massiv abwerten würde." Manche Experten halten 50 Prozent und mehr für möglich.

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WAS GESCHIEHT MIT DEN SCHULDEN?

Blieben die Schulden unangetastet in Euro bestehen, könnte die Staatsverschuldung Griechenlands bei einer deutlichen Abwertung der neuen Drachme bis auf 230 Prozent des Bruttoinlandsproduktes explodieren, wie die Commerzbank berechnet hat. "Darum wird die griechische Regierung alles daran setzen, diese Schuldenlast zu verringern", meint Weil. Er geht davon aus, dass die Regierung in Verhandlungen eine gütliche Lösung suchen wird. Am Ende sei es auch möglich, dass sie es auf einen formalen Zahlungsausfall ankommen lassen würde.

Ohne neue Hilfen seiner Gläubiger dürfte das Geld in Athen spätestens Ende März knapp werden. Denn auf der einen Seite brechen in der Krise die Steuereinnahmen weg, auf der anderen stehen Zins- und Tilgungszahlungen an Gläubiger an. Dann wäre Ende nächsten Monats einem Insider zufolge der Zeitpunkt gekommen, an dem das Land seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Einen IWF-Kredit über 1,5 Milliarden Euro werde es wohl noch begleichen können. Danach dürfte kein Geld mehr da sein.

Reuters