Was in anderen Ländern relativ geräuschlos Gesetz wurde, verursacht hierzulande einen Aufschrei. Die Deutschen lieben ihr Bargeld, das zeigen zahlreiche Umfragen. Noch immer zahlt jeder Zweite hauptsächlich bar. Das Alter spielt kaum eine Rolle, laut Bankenverband zahlen auch junge Menschen gern bar. In den USA, wo Händler selbst bei Cent-Beträgen ohne Murren die Karte entgegennehmen, zahlt nur noch jeder Fünfte überwiegend mit Münzen und Scheinen. Nun scheint es, als wolle die Politik hierzulande den Anfang vom Ende des Bargeldzeitalters einläuten.
Bereits seit Monaten fordern SPD-Politiker wie Norbert Walter-Borjans, den 500-Euro-Schein abzuschaffen. Der Finanzminister Nordrhein-Westfalens will damit Steuerhinterziehern das Handwerk legen. Mario Draghi ist auch kein Freund des 500ers und will ihn - selbst gegen den Widerstand der Bundesbank - abschaffen. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) will aktiver Geldpolitik machen können. Da die Konjunktur im Euroraum in vielen Ländern noch immer eher schleppend vorankommt, will er die Zinsen weiter senken, notfalls auch negative Zinsen einführen. Bargeld, das in den Portemonnaies der Bürger steckt, behindert seine Pläne. Die EZB kann Münzen und Scheine zwar drucken und prägen, hat dann aber kaum Einfluss darauf, wer sie nutzt und was mit ihnen geschieht. Liegt das Geld auf Konten, ist es leichter zu kontrollieren (siehe BÖRSE ONLINE 15/2015).
Furcht vor dem Überwachungsstaat
Viele Menschen glauben, dass die Obergrenze und die Abschaffung des 500ers der Anfang vom Ende sind. Am Tag nachdem Schäubles Vorschlag publik wurde, musste die Kommentarfunktion der Internetseite der "Tagesschau" geschlossen werden. Sie war schlicht überlastet. Der Tenor der Kommentare: "Wir wollen unser Bargeld behalten, denn Bargeld bedeutet Freiheit und Datenschutz."
Die FDP schürt die nicht ganz unberechtigte Furcht vor der totalen Überwachung: "Der elektronische Zahlungsverkehr ist vor allem ein erfasster und transparenter, das ist es, was ihn für die Politik so attraktiv macht", sagt das FDP-Präsidiumsmitglied Volker Wissing. Die Liberalen erhalten Zuspruch von ungewohnter Stelle: "Kommt Bargeld immer mehr in Misskredit, müssen Bürger, die es benutzen, immer wieder aufs Neue beweisen, dass sie unschuldig sind", so der Blogger und Internetexperte Sascha Lobo. "Bar bezahlen schützt vor dem Zugriff durch Staaten, Kriminelle oder Unternehmen", sagt Christian Urban von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Angesichts der bundesweiten Empörung geben sich die Fraktionen der regierenden Union und SPD vorsichtig. Man diskutiere über die Obergrenze. "Wir müssen erst sehen, ob sie der heimischen Wirtschaft schadet", sagt die finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion Antje Tillmann. Das Bargeld abzuschaffen stehe nicht zur Debatte. "Wir müssen gegen Steuerhinterzieher kämpfen, aber Bürger brauchen Bargeld", bekräftigt SPD-Finanzexperte Lothar Binding.
Ineffizient und bald Geschichte
Dennoch steht die Tür zur bargeldlosen Welt offen. Die technischen Voraussetzungen sind da, und je schneller sich kontaktloses Zahlen mit Geldkarte oder Smartphone durchsetzt, desto weniger wird Bargeld genutzt werden. Aber noch kann der Verbraucher bestimmen, welche Informationen er beim Bezahlen über sich preisgibt. Darauf werden Handel und Banken reagieren. "Bargeld ist ineffizient", sagte unlängst Deutsche-Bank-Chef John Cryan. Banken bieten es an, weil es von der Masse noch genutzt wird. Da liest sich ein weiteres Zitat von Cryan als Menetekel: "Wahrscheinlich wird es in zehn Jahren kein Bargeld mehr geben."