Rüstig und richtig global
Der Firmenlenker sprüht auch im fortgeschrittenen Alter noch vor Tatendrang. Die Expansion im weltgrößten Mietmarkt USA läuft auf Hochtouren. Und Anfang Juni haben die Bayern ihre ersten Filialen in der Karibik eröffnet, etwa auf der Insel Curaçao. Sixt hat seinen Riecher für die Wünsche der Kunden in all den Jahren nicht verloren: Die Münchner punkten mit Carsharing-Diensten bei der jüngeren Generation und pflegen mit einem eigenen Chauffeurdienst die Beziehungen zur gut betuchten Klientel.
€uro am Sonntag, die Schwesterzeitung von BÖRSE ONLINE, sprach mit Erich Sixt über das Carsharing-Abenteuer, die schrille Werbung und schlechte Manieren im Taxigeschäft.
Auf Seite 2: Erich Sixt im Interview
Herr Sixt, warum wollen Sie neuerdings die Taxifahrer arbeitslos machen ?
Erich Sixt: Taxifahrer haben ihren
Platz, aber wir bringen das Taxigewerbe
mit einem eigenen Chauffeurservice
auf Trab. In der Branche gibt
es große Defizite. Selbst Taxifahrer
haben das erkannt und belegen in
Berlin schon Benimmkurse.
Bei Ihnen?
Nein. Aber bei Sixt könnten sie lernen,
wie man sich gegenüber dem
Kunden gut verhält. Jeder von uns
hat ja mit Taxis schon einschlägige
Erfahrungen gemacht.
Was ist Ihnen passiert?
Mein schlimmstes Erlebnis war in
New York. Ich kam am Flughafen an
und wollte nach Manhattan. Der Taxifahrer
fragte mich, wo ich herkomme.
Als ich ihm sagte, ich sei aus
Deutschland, sagte er: "Ich nehme
keine Fahrgäste aus Deutschland
mit." Dann hat er auf dem Highway
angehalten und mich rausgeworfen.
Ich musste trampen. Vielleicht ein
Extrembeispiel, aber es ist passiert.
In Europa läuft es besser?
Na ja, das ist von Stadt zu Stadt verschieden.
In Deutschland können
wir jedenfalls mit MyDriver punkten.
Wir bieten Kunden ein vernünftiges
Auto zum Festpreis, einen Fahrer
mit Krawatte, der rasiert ist und
die deutsche Sprache beherrscht.
Das ist in der Regel etwas teurer als
ein Taxi, aber es rechnet sich besonders
für Unternehmen, weil wir
transparente Sammelrechnungen
erstellen. Aber: MyDriver hat wirtschaftlich
noch eine sehr kleine Bedeutung
für unseren Konzern.
Und Carsharing?
Das läuft besser, als ich am Anfang
erwartet habe. DriveNow hat mittlerweile
rund 300 000 Nutzer in
fünf deutschen Städten und in diesem
Frühjahr erstmals die operative
Gewinnschwelle erreicht.
Leidet Ihr Vermietgeschäft, weil
immer mehr Leute auf Carsharing
setzen und kein Auto
mehr besitzen wollen?
Das klassische Mietgeschäft läuft anders. Kunden mieten eher für weite Strecken, im Schnitt fahren sie 200 Kilometer am Tag und mieten für vier Tage. Carsharing ist für kurze Strecken in der Stadt. Da sehe ich keinen Konflikt. Allerdings hat mich überrascht, dass Carsharing so gut läuft. Die Jugend sieht das Auto nicht mehr als Statussymbol.
Auf Seite 3: Erich Sixt über Werbekampagnen
Denken Sie sich Ihre schrille Werbung eigentlich selbst aus?
Vieles denke ich mir allein aus und
entscheide spontan. Allerdings diskutiere
ich oft auch mit Jean-Remy
von Matt, dem Schweizer Mitbegründer unserer langjährigen Werbeagentur.
Bei uns gibt es aber keinen
Werberat wie in Großkonzernen,
der Anzeigen erst nach langer Diskussion
schaltet.
Welche Zutaten braucht es für eine
gute Kampagne? Häme? Politik?
Politiker sind besonders gut geeignet,
weil sie viel Unfug treiben und
den Bürger so viel Geld kosten.
Frankreichs Staatschef François
Hollande ist eines unserer Lieblingsziele.
Unsere Kampagne zu Hollandes
Liebesaffäre mit dem Titel "Herr
Präsident, meiden Sie das nächste
Mal den Motorroller. Sixt vermietet
Autos mit getönten Scheiben" habe
ich mir ausgedacht. Das Anzeigenmotiv
war optisch nicht kreativ,
muss ich gestehen. Es war aus der
Hüfte geschossen, doch die Aufmerksamkeit
war riesig.
Welche Anzeige war nicht gut?
In Deutschland haben wir mal mit
dem bayerischen Psychiatrieopfer
Gustl Mollath eine Anzeige gemacht.
Ich muss bekennen, dass ich das zu
schnell entschieden und die Gefühle
des Mannes verletzt habe. Dafür
habe ich mich bei ihm entschuldigt.
Testen Sie Ihre Anzeigen nicht?
Ich mache spontane Befragungen im Haus. Ich hole mir Leute aus den Büros und lasse sie die Anzeige angucken. Wenn der Chef ruft, sagen die Mitarbeiter doch sofort "toll", oder? Nein, nein, so läuft das nicht. Ich will nur deren Gesichter sehen. Im Bruchteil einer Sekunde entscheiden sie, ob ihnen eine Anzeige gefällt oder nicht.
Auf Seite 4: Erich Sixt über Amerika, Europa und China
Warum wollen Sie jetzt Amerika mit Ihren Mietwagen erobern?
Ich dachte früher immer, ich überlasse
Amerika der nächsten Sixt-Vorstandsgeneration.
Aber als ich
merkte, ich bin noch recht fit, bin ich
zur Tat geschritten. Im Ernst: Die
USA sind der größte Autovermietmarkt
des Planeten. Allein am Flughafen
Orlando laufen 40 000 Mietwagen.
Das sind mehr, als in der gesamten
Schweiz unterwegs sind. Uns
bietet sich ein riesiger neuer Markt.
Und in Europa wollen Sie daher
nicht mehr Nummer 1 werden?
Das stimmt nicht. Unser Ziel bleibt,
in Europa Marktführer zu werden.
Doch ich habe immer gesagt, dass
dies nur mit Akquisitionen möglich
ist. Allerdings gibt es derzeit keine
Zukaufmöglichkeiten in der Branche,
daher ist unser ursprüngliches
Ziel, die Marktführerschaft in Europa
bis 2016 zu erreichen, nicht mehr
realistisch.
Wieso zögern Sie, auch in China
mitzumischen?
Der chinesische Markt ist noch zu chaotisch. Es existiert kein Autovermietgeschäft an Flughäfen, wie wir es kennen. Die Leute nehmen lieber den Zug. Außerdem bietet China keinen stabilen Rechtsstaat, da halten wir uns lieber fern.
Auf Seite 5: Erich Sixt über seine Zukunft als Unternehmenschef
Sie führen Sixt seit 45 Jahren. Die Geschäfte laufen gut, der Aktienkurs steigt. Wäre es nun Zeit, sich mal zufrieden zurückzulehnen?
Auf keinen Fall. Ich bin Unternehmer,
das Wort "Zufriedenheit" sollte
man da aus dem Vokabular streichen.
Was ist Ihr Albtraum? Wie ein
behäbiger
alter Herr zu wirken?
Mein Albtraum ist, meine Unrast
und Neugierde zu verlieren. Man
muss sich seine geistige Beweglichkeit
bewahren. Gartenpflege wäre
mein Albtraum.
Was bedeutet Ihnen Ihr Vermögen?
Luxus bedeutet mir gar nichts.
Glücksgefühle erlebe ich anders. Ich
freue mich, wenn ich in den Bergen
bin und die Sonne scheint.
Das sagt sich allerdings leicht als
Millionär.
Nein, ich gehe wirklich gerne wandern. Und ich habe bereits in jungen Jahren den Pilotenschein gemacht. Kürzlich habe ich eine einmotorige Maschine gemietet und bin über die Alpen geflogen. Das macht Spaß.
Auf Seite 7: Investor-Info