Gazprom verletze nach dem vorläufigen Ergebnis der Untersuchung die EU-Kartellvorschriften, indem der Konzern eine umfassende Strategie zur Abschottung der mittel- und osteuropäischen Gasmärkte verfolge, teilte die Kommission mit. Davon betroffen seien Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Bulgarien sowie die drei baltischen Staaten.

"Durch die Trennung der nationalen Gasmärkte konnte Gazprom Preise verlangen, die wir derzeit als nicht angemessen betrachten", sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Gazprom nannte die Vorwürfe unbegründet. Man erwarte, dass das Verfahren im Rahmen von bereits getroffenen Vereinbarungen zwischen Russland und der EU gelöst werde.

Die EU-Kommission wirft dem russischen Energiekonzern vor, unter anderem die Möglichkeit seiner Kunden einzuschränken, das gekaufte Erdgas in andere Staaten weiterzuverkaufen. Von dieser Beschränkung ist vor allem die Ukraine betroffen, die mehr Gas aus Mitteleuropa erhalten will, nachdem die Regierung in Moskau dem Nachbarland bereits zweimal wegen des Streits über nicht bezahlte Rechnungen den Gashahn zugedreht hat. Gazprom könnte zudem in fünf EU-Ländern unlautere Preise verlangt sowie in Polen und Bulgarien Lieferungen an Zusagen von Großhändlern zur Nutzung von Infrastruktur wie Gas-Pipelines geknüpft haben, erklärten die EU-Kartellwächter.

Die EU bezieht rund 30 Prozent ihres Erdgases aus Russland. In manchen Ländern Osteuropas liegt die Abhängigkeit von Gazprom bei bis zu 100 Prozent. Die EU versucht, diese Abhängigkeit durch die Schaffung einer Energieunion zu reduzieren.

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VESTAGER: VERFAHREN IST NICHT POLITISCH MOTIVIERT

Gazprom hat zwölf Wochen Zeit, um auf die Vorwürfe der EU-Kommission zu reagieren. Am Ende des Verfahrens könnte ein Bußgeld von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes stehen, der bei Gazprom rund 100 Milliarden Dollar beträgt. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte bereits am Montag unter Berufung auf Insider berichtet, dass die Brüsseler Behörde ihre Vorgehen gegen Gazprom verschärfen will.

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite begrüßte die härtere Gangart gegen Gazprom. Die Entscheidung sei ein starkes Signal für die Verbraucher, sagte Grybauskaite Reuters. "Die Ära, in der der Kreml politische und wirtschaftliche Erpressung unterstützt, kommt zu einem Ende." Vestager betonte indes, dass ihre Entscheidung nicht politisch motiviert sei, auch wenn es um ein Verfahren gegen einen staatlich kontrollierten Konzern gehe.

Die Beziehungen zwischen der EU und Russland sind seit der russischen Annexion der Krim sowie dem Konflikt in der Ostukraine angespannt. Von den deshalb aufgelegten EU-Sanktionen gegen Russland sind auch Tochterfirmen von Gazprom betroffen. Überkreuz lagen die Brüsseler Behörde und der russische Energieriese auch beim Pipeline-Projekt South Stream, das Gas unter Umgehung der Ukraine nach Europa pumpen sollte. Nach dem anhaltenden Widerstand der EU-Kommission, die Gazprom eine zu starke Kontrolle über das geplante Pipeline-Netz vorwarf, kündigte Russlands Präsident Wladimir Putin Ende vorigen Jahres das Ende des Projekts an. Stattdessen spricht Russland mit der Türkei und Griechenland über eine alternative Route.

Reuters