Um 35 Prozent bricht die Gazprom-Aktie am Montagmorgen ein. Der russische Staatskonzern dürfte unter den Sanktionen der westlichen Staatengemeinschaft gegen Russland leiden. Der Westen versucht angesichts anhaltender russischer Angriffe in der Ukraine Russland weiter zu isolieren. So hat die EU in der Nacht die angekündigten schwerwiegenden Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft gesetzt. Sie umfassen ein Verbot von Transaktionen der Bank in Bezug auf die hohen russischen Währungsreserven in Euro. Zudem wird das Vermögen der Bank in der EU beschlagnahmt. Die Notenbank in Moskau reagierte auf die Krise mit einer drastischen Leitzinserhöhung.
Gazprom pumpt indes unvermindert Erdgas durch Pipeline Nord Stream 1. Die durch die Ostseepipeline gepumpten Gasmengen schwankten auch in den vergangenen Tagen nur wenig, wie am Freitag aus einer Übersicht der im schweizerischen Zug ansässigen Betreibergesellschaft Nord Stream AG hervorging. Demnach flossen seit Jahresbeginn täglich zwischen 1,63 Milliarden und 1,76 Milliarden Kilowattstunden Erdgas über Greifswald ins deutsche Verteilnetz.
Ein Gazprom-Sprecher sagte am Freitag der Agentur Interfax zufolge: "Gazprom liefert russisches Gas für den Transit durch das Gebiet der Ukraine im regulären Modus und gemäß den Anforderungen europäischer Verbraucher." Am Freitag seien das insgesamt 103,8 Millionen Kubikmeter Gas gewesen.
Lieferant ist der russische Staatskonzern Gazprom. Er hält auch 51 Prozent der Anteile an der Betreibergesellschaft. Beteiligt sind außerdem die Energieunternehmen Wintershall Dea, Eon, Gasunie und Engie.
Angesichts des russischen Einmarsches in die Ukraine hatten zuletzt im Westen Sorgen um die Sicherheit der eigenen Energieversorgung zugenommen. Die Ukraine - einst größtes Transitland für Gas nach Europa - betreibt noch immer ein rund 38 000 Kilometer langes Gasnetz. Kiew befürchtete zuletzt vor allem, dass ihr durch die Inbetriebnahme der derzeit auf Eis gelegten Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 wichtige Transitgebühren verloren gehen könnten.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits am vergangenen Dienstag angekündigt, die Zertifizierung für die Gaspipeline Nord Stream 2 auf die lange Bank zu schieben. Die Entscheidung, eine neue Studie zur Versorgungssicherheit zu erstellen, ist formal zwar gar keine Sanktion. Aber sie ist ein Zeichen für die Regierung in Moskau: Dem russischen Energiekonzern Gazprom entgehen durch die nun sehr wahrscheinliche Verschiebung einer Betriebserlaubnis oder gar durch ein Aus für Nord Stream 2 Einnahmen in Milliardenhöhe.
Einschätzung zur Gazprom-Aktie
Die Gazprom-Aktie hat in den vergangenen fünf Tagen fast die Hälfte an Wert verloren. Zu Jahresbeginn kostete ein Papier der auf XETRA gehandelten ADRs noch acht Euro. Mittlerweile steht der Kurs nur noch bei rund drei Euro.
Angesichts des Kriegs in der Ukraine und den unvorhersehbaren Folgen empfehlen wir die Gazprom-Aktie derzeit nicht zum Kauf.
SPD-Spitze drängt Schröder zum Rückzug aus Gazprom
Die SPD-Spitze drängt den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, seine Posten in russischen Unternehmen abzugeben. "Rosneft und Gazprom sind nun Infrastruktur eines blutigen Angriffskrieges", twitterte SPD-Co-Chefin Saskia Esken am Wochenende mit Blick auf die Aufsichtratsmandate von Schröder. "Mit seinen dortigen Mandaten schadet Gerhard Schröder dem Ansehen Deutschlands und der Sozialdemokratie. Geschäfte mit einem Kriegstreiber sind mit der Rolle eines Altkanzlers unvereinbar."
Ähnlich äußerte sich SPD-Co-Chef Lars Klingbeil. Er erwarte "unmissverständlich", dass Schröder geschäftliche Beziehungen zur russischen Führung aufgebe, schrieb er auf Facebook. "Gerhard Schröder muss sein Engagement in russischen Energieunternehmen beenden und damit die Anstrengungen der Bundesregierung unterstützen", twitterte zudem Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin und SPD-Vize Manuela Schwesig (SPD). Sie gehörte bisher zu den vehementesten Unterstützern der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2.
Der linke SPD-Flügel hält sogar einen Parteiaustritt von Gerhard Schröder für unausweichlich, sollte sich der Altkanzler angesichts der russischen Aggression gegen die Ukraine nicht aus seinen Ämtern bei russischen Energiekonzernen zurückziehen. "Dann hat er seine Prioritäten geklärt und sollte sein Parteibuch freiwillig abgeben", sagte der Vorsitzende des Forums Demokratische Linke (DL), Lino Leudesdorff, dem "Handelsblatt".
Schröder selbst hatte Russland die Verantwortung für den Krieg gegeben, aber keine weiteren Schritte angekündigt. Er sitzt in Führungsgremien der Gaspipeline-Betreiberfirma Nord Stream und des russischen Energiekonzern Rosneft. Zudem soll der SPD-Politiker in Kürze in den Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Gazprom einziehen.
rtr/dpa-AF/fh