Drei Viertel des geplanten Erlöses von rund einer Milliarde Euro aus der Ausgabe neuer Aktien will Auto1 in den Ausbau der neuen Internet-Plattform Autohero stecken, mit der sich das Unternehmen an private Gebrauchtwagen-Käufer richtet. "Wir wollen Autohero zum führenden Online-Autohändler in Europa machen", sagte Firmen-Mitgründer und Vorstandschef Christian Bertermann, der Auto1 2012 zusammen mit Hakan Koc gegründet hat.
Banker und Analysten veranschlagen den Börsenwert von Auto1 Finanzkreisen zufolge auf sechs bis acht Milliarden Euro. Neben dem Unternehmen selbst wollen beim Börsengang auch einige der 22 Investoren Aktien abgeben, die in den vergangenen Jahren 1,4 Milliarden Dollar in das Unternehmen gesteckt haben. Neben den Firmengründern, die noch rund 30 Prozent der Anteile halten, ist der japanische Tech-Investor Softbank mit 20 Prozent der größte von ihnen. Offiziell peilt Auto1 die Erstnotiz bis Ende März an, in der Regel dauert es von der offiziellen Ankündigung bis zur Erstnotiz aber nur etwa vier Wochen. Dass die Manager und Banker in der Corona-Pandemie nicht mehr um die Welt reisen, um potenzielle Investoren zu treffen, sondern Videokonferenzen veranstalten, hat den Zeitaufwand eher verkürzt.
Weil die Finanzmärkte trotz der Corona-Krise stabil sind, stehen in Deutschland zu Jahresbeginn so viele Börsenkandidaten wie selten in den Startlöchern. Am konkretesten sind die Pläne von Vantage Towers, der Funkmasten-Sparte von Vodafone, die mit einem zweistelligen Milliarden-Börsenwert im Frühjahr an die Frankfurter Börse gehen will. Auch der Mode-Versandhändler About You aus dem Otto-Konzern, der Labordienstleister Synlab und der Betriebssystem-Anbieter SuSE arbeiten an Börsengängen. BASF will 2021 mit dem Gas- und Öl-Produzenten Wintershall DEA einen neuen Anlauf für ein Listing nehmen. Und auch der Münchner Luxusmode-Onlinehändler MyTheresa, der sich eine Milliardenbewertung erhofft, treibt seine Börsenpläne voran - allerdings in New York.
UMSATZ JEDES JAHR FAST VERDOPPELT
Der Börsengang von Auto1 wird von den Investmentbanken BNP Paribas, Citi, Goldman Sachs und Deutsche Bank organisiert. Mit dem Verkauf von 615.000 Autos an Händler und Privatkunden hatte Auto1 2019 rund 3,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet, im Schnitt hatte sich der Umsatz seit 2014 jedes Jahr fast verdoppelt. Zuletzt bremste die Coronakrise das Wachstum, im dritten Quartal schrieb Auto1 aber erstmals operativ schwarze Zahlen. Um das Wachstum wieder anzukurbeln, setzt Bettermann nun verstärkt auf den Direktverkauf über Autohero an Endkunden - dafür nimmt er in den nächsten Jahren Verluste in Kauf. Zur Finanzierung von Autohero hatte Auto1 im Sommer eine 255 Millionen Euro schwere Wandelanleihe begeben, die mit dem Emissionserlös ebenfalls getilgt werden soll.
Ärger mit den 60.000 Händlern, die Auto1 bisher den Großteil der angekauften Wagen abnehmen, fürchtet der Vorstandschef nicht. Die Autos, die bei Autohero angeboten würden, seien jünger und hätten weniger Kilometer auf dem Tacho als jene, für die sich die Händler interessierten. Vorbild für die Strategie ist vor allem Carvana. Das Unternehmen, das an der New Yorker Börse inzwischen mit 50 Milliarden Dollar bewertet wird, inszeniert die Fahrzeug-Auslieferung als Event. Mit verglasten Transportern, die den Blick auf das Auto freigeben, will Auto1 für ähnliche Aufmerksamkeit sorgen.
rtr