Geduld zahlt sich bei der Geldanlage oft aus - doch wer hätte gedacht, dass das sogar auf Lehman-Zertifikate zutrifft, die vor zehn Jahren auf einmal wertlos zu sein schienen. Fakt ist: Zum zehnten Jahrestag der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers Holding Inc. (LBHI) und der Folgeinsolvenz ihrer niederländischen Tochter Lehman Brothers Treasury (LBT), die zumeist die Emittentin der in Deutschland verkauften Zertifikate war, fließen an die Anleger, die die Papiere weiterhin halten, noch immer Auszahlungen aus dem Insolvenzverfahren.
So merkwürdig es klingt: Mit etwas Glück liegt man mit den Lehman-Papieren sogar im Gewinn. Wie die zuständigen Liquidatoren der LBT von der Kanzlei Houthoff Buruma in den Niederlanden der BÖRSE-ONLINE-Redaktion mitteilten, wurden allein auf die insgesamt 59 Emissionen mit deutscher Wertpapierkennnummer in bisher 13 Tranchen bereits fast 400 Millionen US-Dollar ausgeschüttet. "Wir hängen am US-Insolvenzverfahren der LBHI, das höchstwahrscheinlich noch bis mindestens 2020 läuft", erläutert Niels Huurdeman von Houthoff Buruma. Im Oktober 2018 sei mit einer weiteren Auszahlung aus den USA zu rechnen. "Die Höhe der Zahlungen, die daraus zu erwarten sind, kann man allerdings nicht voraussagen."
Laut Huurdeman beliefen sich die Auszahlungen auf sämtliche knapp 3800 zum Insolvenztermin ausstehenden LBT-Emissionen bislang zusammengenommen bereits auf mehr als zwölf Milliarden US-Dollar. Die Gesamtforderung der niederländischen Liquidatoren in den USA summiert sich auf rund 34 Milliarden US-Dollar.
Die LBT-Auszahlungsquote kann sich sehen lassen: Sie beträgt inzwischen circa 39 Prozent des vom Insolvenzverwalter festgestellten Werts der jeweiligen Papiere zum Zeitpunkt der Insolvenz. Für jede einzelne Wertpapierkennnummer wurde damals eine eigene Bewertung vorgenommen. Darin sind die Garantiezahlungen der Mutter LBHI auf Papiere, die in den USA direkt zum Insolvenzverfahren angemeldet wurden, noch gar nicht enthalten.
"Grundvertrauen erschüttert"
Damit geht der positive Trend für Lehman-Geschädigte weiter, über den BÖRSE ONLINE bereits 2015 berichtet hatte (siehe Ausgabe 4/2015 ). "Als wertlos kann man die Lehman-Zertifikate der LBT nicht bezeichnen", so Huurdeman. Im Gegenteil: Mancher Anleger dürfte mit ihnen sogar im Gewinn stehen. Aber nur unter vier Voraussetzungen: Die Papiere hatten zum Insolvenztermin einen vergleichsweise hohen Wert, der Geschädigte hält sie immer noch, hatte seine Forderungen direkt im US-Insolvenzverfahren angemeldet und wurde seinerzeit von seiner Bank, die ihm die Papiere verkauft hatte, ordentlich entschädigt. "Passabel aus heutiger Sicht waren mindestens 50 Prozent des Kapitaleinsatzes oder besser mehr", sagt Matthias Schröder von der Kanzlei LSS Rechtsanwälte in Frankfurt.
Zum niederländischen Insolvenzverfahren musste man seinerzeit seine Forderungen nicht anmelden, zum Verfahren der US-Mutter dagegen schon. Das hat allerdings nicht jeder gemacht. Viele Geschädigte waren im Bankenjargon der damaligen Zeit "AD-Kunden" (Kurzform für "alt und doof"). Wenn man aus beiden Töpfen Geld erhält, ist es gut möglich, dass man bereits Zahlungen von 50 Prozent des Werts zum Insolvenztermin bekommen hat. Je besser also die Entschädigung der Hausbank, desto besser stehen Anleger heute da - vorausgesetzt, sie haben damals der Bank die Papiere nicht rückübertragen. Falls doch, profitieren heute natürlich die betreffenden Banken von den Liquidationserlösen.
Besonders eifrige Verkäufer von Lehman-Papieren waren seinerzeit die Hamburger Sparkasse, die Frankfurter Sparkasse, die Sparkasse Hannover, die Dresdner Bank (heute Commerzbank) und die Citibank (heute Targobank). "Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt - das hat auf Lehman-Geschädigte auf jeden Fall zugetroffen", sagt LSS-Anwalt Schröder. Er hält weiterhin Kontakt zu einer Reihe von Lehman-Geschädigten: "Die Pleite hat bei vielen von ihnen das Grundvertrauen in Banken massiv erschüttert - ähnlich wie das Sicherheitsgefühl bei Opfern von Einbrüchen in die eigenen vier Wände."