Die erzielte Cashflow-Marge zeigt in Prozent an, wie viel vom Umsatz als Cashflow eingespielt wurde. Eine Finanzkennziffer, die Finanzprofis oft noch mehr schätzen, ist der Free Cashflow (FCF). Damit ist der Teil des Cashflows aus der operativen Geschäftstätigkeit gemeint, der nach Abzug der Nettoinvestitionen für Dividenden und Tilgungen zur Verfügung steht.
Die Kunst des Schönrechnens
Beliebt ist der Cashflow aus zwei Gründen: Erstens ist er als Kennziffer weniger stark beeinflussbar als etwa der Gewinn je Aktie. Gerade im aktuellen Umfeld ist das ein wichtiger Faktor. Schließlich neigen viele Finanzchefs dazu, ihre Ergebnisse aufzuhübschen. So bezeichnen sie negative Einflussfaktoren gerne als Sonderfälle und rechnen sie heraus.
"Die Anleger sind zusehends besorgt über die Qualität der vorgelegten Ergebnisse", kommentiert Savita Subramanian von der Bank of America Merrill Lynch diesen Trend. "Aber während der Gewinn manipuliert werden kann, ist das beim Cash nicht möglich."
Zum Zweiten gilt der Cashflow als hilfreiches Mittel, um aussichtsreiche Aktien zu identifizieren. Rückberechnungen zur Wertentwicklung von Aktien untermauern diesen Eindruck. Laut Studien erzielten Aktien von Unternehmen mit starkem Cashflow eine überzeugende Wertentwicklung. Entsprechende Ausarbeitungen liegen etwa vom Analysehaus Ned Davis Research, Barclays oder der Bank of America Merrill Lynch vor. Laut der US-Bank hat unter den Value-Auswahlkriterien ein hoher freier Cashflow im Verhältnis zum Unternehmenswert langfristig die beste Wertentwicklung gebracht. So kamen die Aktien aus dem S&P-500-Index mit dem höchsten freien Cashflow im Verhältnis zum Unternehmenswert von 1988 bis 2015 auf ein durchschnittliches jährliches Plus von 18 Prozent. Die Aktien mit der höchsten geschätzten Gewinnrendite je Aktie kamen auf einen niedrigeren Zuwachs von 15 Prozent jährlich. Nimmt man einen hohen Buchwert gemessen am Aktienkurs als Kriterium, beträgt der Anstieg zwölf Prozent. Dieses Ergebnis bringt die Strategin Subramanian zu einem eindeutigen Schluss: "Anleger sind bereit, für einen freien Cashflow zu zahlen. Wenn es um die Bewertung von Unternehmen geht, ist deshalb der freie Cashflow König."
Im Rückblick bewährt
Eindrucksvoll fällt auch das Resultat einer Rückberechnung von Ned Davis Research aus. "Unter den von uns berechneten 188 quantitativen Strategien brachten jene mit Aktien mit einem hohen freien Cashflow zum Unternehmenswert die beste Wertentwicklung", sagt Europa-Stratege Vincent Deluard. Besonders lohnend wäre es seit dem 31. März 1999 gewesen, das Top-Dezil (die besten zehn Prozent) der Aktien mit einem hohen freien Cashflow zum Unternehmenswert zu kaufen und das untere Dezil leer zu verkaufen. Diese Vorgehensweise hätte ein Plus von 18,6 Prozent jährlich gebracht.
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Lieber ohne fremdes Geld
Anleger sollten allerdings darauf achten, ob ein Unternehmen zum Geldverdienen stark auf eine Finanzierung von außen angewiesen ist, sagt Barclays. Die britische Bank hat am Beispiel des S&P 500 ausgerechnet, dass Gesellschaften, bei denen ein hoher Geldfluss stark von einer externen Finanzierung abhing, schlechter abschnitten als der Gesamtmarkt. Firmen, die einen hohen Geldfluss auch ohne externe Finanzierung erzielten, schnitten in den vergangenen 15 Jahren deutlich besser ab als ein gleichgewichteter S&P-500-Index exklusive Finanztitel.
Trotz aller Pluspunkte: Der Cashflow ist keine Garantie dafür, bei der Auswahl lukrativer Aktien immer richtig zu liegen. Denn so etwas gibt es an der Börse nicht. Wer etwas anderes verspricht, hat entweder keine Ahnung oder ist ein Scharlatan. Zu den Nachteilen, die man kennen sollte, zählen Schwankungen durch den Investitionszyklus oder stichtagsbezogene Verzerrungen. Das lässt sich aber entschärfen durch Betrachtungszeiträume, die länger sind als nur ein Jahr. Zudem handelt es sich bei der herkömmlichen Berechnung um Vergangenheitsdaten. Bei Schätzungen künftiger Cashflows und deren aktuellem Wert ist die Frage des passenden Abzinsungsfaktors ein Problem - also des Zinssatzes, den man zugrunde legt, um den derzeitigen Wert des künftigen Geldflusses zu ermitteln. Unter den Hilfsmitteln, die Investoren zur Verfügung stehen, ragt der Cashflow letztlich dennoch heraus. Auch künftig dürfen sich Anleger davon vergleichsweise gute Anlageergebnisse erhoffen.
Wer Geld hat, ist im Vorteil
Denn gerade im aktuellen, relativ schwierigen Umfeld helfen hohe Free-Cashflow-Renditen laut den Analysten von Credit Suisse HOLT, trotzdem noch rentabel zu wirtschaften und Dividenden und Zinszahlungen zu decken. Aus Sicht von JP Morgan stellt zudem das Niedrigzinsumfeld eine Stütze für Aktien mit einem hohen freien Cashflow dar. Schließlich kann bei anhaltend niedrigen Renditen der Abzinsungsfaktor tiefer angesetzt werden.
Bewertungstechnisch betrachtet ist ein niedriges Kurs-Cashflow-Verhältnis besser als ein hohes. Stark vereinfacht gesprochen, gelten Kurs-Cashflow-Verhältnisse von unter 15 als vertretbar. Werte von unter zehn sind als relativ günstig einzustufen. Den aktuellen Wert beziffert der Vermögensverwalter Star Capital weltweit auf durchschnittlich 9,6. Vor diesem Hintergrund sollten sich also aussichtsreiche Kaufkandidaten finden lassen. 15 solcher Titel aus Europa, den USA und Asien stellt BÖRSE ONLINE vor.
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Europa: Mischung mit einem Hauch Exotik
Die Unternehmensergebnisse lassen zu wünschen übrig. Besser sieht es aber auf Cashflow-Basis aus. Zusammen mit akzeptablen Bewertungen führt das zu einer bunt gemischten Favoritenliste.
Die Gewinnentwicklung europäischer Unternehmen war in den vergangenen Jahren enttäuschend. Bei den Vertretern des Index MSCI Europa liegen die Gewinne laut Morgan Stanley um 42 Prozent unter ihren Höchstständen aus dem Jahr 2007. Im relativen Vergleich mit dem MSCI-World-Index bewegen sie sich in Europa auf einem 32-Jahres-Tief. Klammert man Rohstoff- und Finanzwerte aus, steht Europa im Wettstreit mit den USA beim freien Cashflow zumindest etwas weniger schlecht da. Und beim Kurs-Cashflow-Verhältnis fällt der von Star Capital für Europa errechnete Wert mit 9,4 sogar deutlich günstiger aus als für die USA mit 11,7.
Alle Europa-Favoriten weisen beim Verhältnis der geschätzten freien Cashflow-Rendite zum Börsenwert einen prozentual zweistelligen Wert auf. Nur durchschnittlich fallen bis auf eine positive Ausnahme die für 2017 geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) aus. Charttechnisch bestehen entweder weitgehend intakte langfristige Aufwärtstrends, oder der Kurs ist gerade dabei, sich freizukämpfen. Tabakkonzerne wie Imperial Brands in Großbritannien gelten als verlässliche Ergebnislieferanten. Zumindest sieht Barclays den freien Cashflow von 2015 bis 2018 um durchschnittlich 5,7 Prozent jährlich steigen. Auch Micro Focus International ist in Großbritannien ansässig. Der Hersteller von Unternehmenssoftware glänzt mit einem sauberen Chartbild. Nach einem Durchhänger in diesem Jahr sollte die freie Cashflow-Rendite mindestens bis 2020 wieder anziehen. Der drohende EU-Ausstieg der Briten könnte ein Grund dafür sein, warum Cashflow-starke, auf der Insel beheimatete Unternehmen derzeit relativ günstig zu haben sind.
Intrum Justitia dürfte nur wenigen Anlegern bekannt sein. Doch seit dem dritten Quartal 2001 kennt der Kurs des schwedischen Inkassodienstleisters fast nur noch den Weg nach oben. Das passt zum Cash aus fortgeführten Aktivitäten, der von 2011 bis 2015 von 182,3 Millionen auf 288,7 Millionen Dollar zulegte.
Ein weiterer Exot ist Motor Oil. Dem griechischen Raffineriebetreiber gelang es im abgelaufenen Quartal, die Nettoverschuldung von 681 Millionen auf 535 Millionen Euro zu senken.
Dem SDAX-Mitglied https://www.boerse-online.de/aktie/Braas_Monier-Aktie traut die Berenberg Bank von 2014 bis 2018 eine deutliche Erhöhung des operativen Cashflows von 65 Millionen auf 181 Millionen Euro zu. Diese Prognosen erklären, warum die Aktie des Dachpfannenherstellers kurz vor neuen Kursrekorden steht.
USA: Eine wahre Fundgrube für Cashflow-Könige
Im Schnitt ist der US-Aktienmarkt nicht mehr günstig bewertet. Trotzdem gibt es einige Aktien, die auf Cashflow-Basis spannend sind.
Seit dem Jahr 2008 schneidet der MSCI-USA-Index besser ab als der MSCI-Aktienindex für Industrieländer ohne die USA. Das führt zu einer recht hohen Bewertung, sowohl historisch betrachtet als auch im relativen Vergleich. Ablesen lässt sich das am Kurs-Cashflow-Verhältnis, dass der Vermögensverwalter Star Capital für die USA mit 11,7 angibt: Der Wert liegt höher als in anderen Regionen der Welt. Bei der Suche nach Kaufkandidaten müssen Anleger also genau hinschauen. Zum Glück ist der Kurszettel der Wall Street aber so lang, dass sich immer einige kaufenswerte Aktien finden. Unsere fünf Favoriten kommen alle auf eine relativ ansehnliche freie Cashflow-Rendite, die sich aus dem geschätzten freien Cashflow dividiert durch den Börsenwert berechnet. Außerdem erfüllen diese Werte ein weiteres Kriterium von Credit Suisse HOLT: Der geschätzte freie Cashflow auf das eingesetzte Kapital sollte über dem Abzinsungssatz liegen.
Geschafft haben die Qualifikation der Krankenversicherer Aetna, der Messtechnikspezialist Agilent Technologies, der Softwarekonzern CA, der Halbleiterindustrieausrüster Lam Research und das jüngst von Hewlett Packard abgespaltene IT-Unternehmen Hewlett Packard Enterprise. Mit Ausnahme von Agilent sieht auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) dieser Aktien passabel aus. Hinzu kommen konstruktive Chartbilder. So ist etwa Agilent jüngst aus einem seit Anfang 2014 vorherrschenden Seitwärtstrend nach oben ausgebrochen. Die Prognosen von Barclays zum freien Cashflow sehen von 2015 bis 2018 fast eine Verdoppelung von 428 Millionen auf 817 Millionen Dollar vor.
Aetna nähert sich nach einer Verschnaufpause langsam wieder den Rekordkursen an. Untermauert wird das von einer freien Cashflow-Rendite zum Börsenwert, die Credit Suisse HOLT auf 8,9 Prozent beziffert. Analysten trauen dem Titel im Konsens einen Anstieg bis auf gut 139 Dollar zu. Noch besser sieht es bei Hewlett Packard Enterprise aus: Hier liegt die geschätzte freie Cashflow-Rendite zum Börsenwert bei rund 12,8 Prozent. Für Kursfantasie sorgte zuletzt die geplante Verschmelzung der Sparte Unternehmensdienstleistungen mit dem Wettbewerber Computer Sciences.
CA hat mit guten Quartalszahlen und einem optimistischen Ausblick im Mai deutlich gemacht, dass die Geschäfte besser laufen als gedacht. Der Aktienkurs ist dabei, aus einer zuletzt gültigen Seitwärtsbewegung nach oben auszubrechen. Gemischt sind dagegen die jüngsten Quartalszahlen bei Lam Research ausgefallen. Der Titel befindet sich dennoch im Aufwind. Die Bank Julius Bär erwartet, dass das Verhältnis vom Kurs zum Cashflow von 16,5 für 2015 bis 2017 auf rund neun sinken soll. Behalten die Experten recht, sollten demnächst neue Rekordkurse fällig werden.
Asien: Wo günstige Verhältnisse locken
Value-Investoren, die auf den Cashflow und die Bewertung achten, sollten sich in Asien umsehen. Sowohl Unternehmen aus Japan als auch aus China haben hier viel zu bieten.
Viele Schwellenländerbörsen hatten in den vergangenen Jahren keinen leichten Stand. Das gilt auch für etliche asiatische Aktienmärkte. Solange die volkswirtschaftlichen Wachstumsraten dort relativ hoch bleiben, sollte sich das irgendwann wieder ändern. Insbesondere dann, wenn die Unternehmen wie zuletzt in Japan damit anfangen, mehr Wert auf Shareholder-Value zu legen und damit auf eine höhere Rentabilität. Die Bewertungen sind attraktiv. Star Capital beziffert das Kurs-Cashflow-Verhältnis für die Region Asien-Pazifik auf 8,1. Es ist damit deutlich günstiger als in vielen anderen Weltregionen. Sehr attraktiv ist die von Credit Suisse HOLT errechnete freie Cashflow-Rendite im Verhältnis zum Börsenwert bei PCCW. Der in Hongkong ansässige Mischkonzern, der unter anderem in den Bereichen Medien, IT-Lösungen und Immobilien tätig ist, hat von 2012 bis 2015 den operativen Cashflow verdoppelt. Nach einem kleinen Durchhänger scheint das Unternehmen gut positioniert zu sein für weiteres Wachstum sowie für Geldfluss-Verbesserungen.
Auch beim chinesischen Autobahnbetreiber Jiangsu Expressway fällt die freie Cashflow-Rendite gemessen am Börsenwert relativ hoch aus. Macht das Management seine Hausaufgaben, sollte das angesichts des zu erwartenden steigenden Verkehrsaufkommens in China auch so bleiben. Etwas einschränkend sei aber daran erinnert, dass China-Unternehmen oft unberechenbar sind und immer wieder einmal negativ überraschen.
Konstant überzeugt hat in den jüngsten Jahren dagegen Tencent. Der chinesische Internetkonzern wartet mit einem beeindruckenden langfristigen Aufwärtstrend auf. Dieser hat gute Chancen auf eine Fortsetzung. Die Analysten von Nomura sagen für den Nettocashflow von 2014 bis zum Jahr 2018 einen Anstieg von 133 Prozent voraus. Gut entwickelt haben sich seit Ende 2008 die Anteilscheine von Taiwan Semiconductor. Die Aktie des weltgrößten Auftragsherstellers von Halbleitern versucht derzeit sogar, auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2000 vorzurücken. Gelingt das, wäre das gleichbedeutend mit einem prozyklischen charttechnischen Kaufsignal. Operativ sind die Voraussetzungen dafür gut. Im Mai lagen die Umsätze um fast fünf Prozent über dem Vorjahresniveau. Für das Gesamtjahr peilt der Vorstand ein Umsatzplus von fünf bis zehn Prozent an. Den operativen Cashflow sehen die Analysten der UBS von 2016 bis 2020 um 53 Prozent steigen.
Einen Spitzenwert bei der freien Cashflow-Rendite im Verhältnis zum Börsenwert erreicht Mixi. Den Betreiber der größten japanischen Social-Network-Seite haben wir in BO-Heft 23/2016 vorgestellt. Ein Grund dafür war auch das günstige Kurs-Gewinn-Verhältnis.