Die Stimmung ist gespenstisch. Die Straßen in vielen Metropolen leeren sich. Nicht anders die Regale in einigen Supermärkten. Davor bilden sich Menschenschlangen, weil der Einlass beschränkt wird. Geschäfte, Sportstätten und Restaurants schließen, genauso wie Landesgrenzen. Dazu kommen Bilder von medizinischem Personal, das in Schutzkleidung durch volle Krankenlager eilt.
Unheimlich ist auch die Lage an den Finanzmärkten. Noch vor fünf Wochen notierten Aktienindizes wie DAX und Dow Jones auf Allzeithoch oder knapp darunter. Heute liegt der US-Leitindex auf Monatssicht mit 31 Prozent im Minus, der DAX hat gar 34 Prozent eingebüßt. Zu Wochenbeginn verbuchte der Dow Jones seinen höchsten Tagesverlust seit dem Schwarzen Montag im Oktober 1987: Um fast 13 Prozent ging es bergab.
Die Kurse spiegeln wider, was der Wirtschaft bevorsteht: eine tief greifende Rezession. "In einer nie da gewesenen Geschwindigkeit haben sich durch die Corona-Pandemie die konjunkturellen Aussichten für die gesamte Weltwirtschaft gedreht", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Der weitgehende Shutdown in Asien, Europa und Amerika führe zu einem Rückgang, dessen Ausmaß am ehesten mit der Lehman-Rezession vor gut zehn Jahren vergleichbar sei, so der Ökonom. Für das laufende Jahr erwartet er, dass die Wirtschaft in der Eurozone um 1,7 Prozent schrumpft, in den USA um 0,4 Prozent. Besonders heftig dürfte der Rückgang in den beiden ersten Quartalen ausfallen.
Für Deutschland weist der Ifo-Geschäftsklimaindex mehr als deutlich in diese Richtung. Das Wirtschaftsinstitut veröffentlichte am Donnerstag vorläufige Zahlen. Danach brach der Index im März auf 87,7 Punkte ein nach 96,0 Punkten im Februar. "Dies ist der stärkste Rückgang seit 1991 und der niedrigste Wert seit August 2009", sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest. Insbesondere die Erwartungen der Unternehmen für die kommenden Monate verfinsterten sich wie nie zuvor. Im günstigen Fall gehe die Wirtschaftsleistung in Deutschland 2020 um 1,5 Prozent zurück, so das Institut. Ein zweites Szenario, das größere Produktionseinschränkungen unterstellt, prognostiziert gar ein Minus von sechs Prozent. Noch düsterer blickt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) in die Zukunft. Es rechnet 2020 im ungünstigen Fall mit einer Kontraktion des Bruttoinlandsprodukts um 8,7 Prozent.
Regierungen und Notenbanken weltweit reagieren auf diese Aussichten. US-Präsident Donald Trump kündigte ein Konjunkturpaket über eine Billion Dollar an. Die Hälfte des Geldes soll an die US-Bürger direkt ausgezahlt werden, um den Konsum anzukurbeln. Die deutsche Regierung hat den Unternehmen unbegrenzte Kredite versprochen. Zudem wurde der Einsatz des Kurzarbeitergeldes erleichtert. Auch die Europäische Zentralbank ergreift drastische Maßnahmen. In einem Notfallprogramm über 750 Milliarden Euro will sie noch mehr Anleihen als bisher kaufen. Staaten, insbesondere aber Unternehmen sollen davon profitieren, dass die EZB ihre Schuldpapiere erwirbt. "Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliches Handeln", twittert EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
Vorhersagen schwierig
Inwiefern die Maßnahmen helfen, ist ungewiss. Denn die Folgen der Pandemie sind noch nicht absehbar. Auch die Frage, wie tief die Kurse noch fallen, kann niemand verlässlich beantworten. Viele Aktien im DAX notieren mittlerweile unterhalb ihres Buchwerts, jenem Wert, mit dem Vermögen und Schulden eines Unternehmens in der Bilanz erfasst werden. In der Vergangenheit waren Kurseinbrüche meist kurz danach zu Ende.
Für die USA gehen Experten davon aus, dass es noch weiter abwärts geht, ehe der Tiefpunkt erreicht ist. David Kostin, Chef-Aktienstratege von Goldman Sachs, erwartet, dass der S & P 500 auf 2.000 Punkte fallen könnte. Aktuell ist der breite US-Index noch ungefähr 20 Prozent davon entfernt.
Dass man angesichts der abstürzenden Kurse viel Mut braucht, um jetzt in den Aktienmarkt einzusteigen, versteht sich von selbst. Doch eine Form der Geldanlage erfordert weniger Mut als vielmehr Durchhaltevermögen: Sparpläne. Mit diesen investieren Anleger in regelmäßigen Abständen feste Beträge. Als Anlageprodukte kommen aktiv gemanagte Fonds und ETFs infrage, ebenso Zertifikate und Aktien.
Gerade die aktuelle Krise könnte ein guter Zeitpunkt sein, um sich dem regelmäßigen Sparen zu widmen. Niemand weiß, ob die Kursrückgänge allmählich überstanden sind oder es noch weiter abwärts geht. Das erscheint vielen als schlechter Moment, um einzelne große Wetten einzugehen. Sparpläne dagegen sind quasi das Gegenteil des Versuchs, den richtigen Moment für den Einstieg abzupassen. Stoisch wird in einem festgelegten Intervall ein bestimmter Betrag eingezahlt. Kontinuität als Gegenentwurf zu Markttiming.
Mit dem Geld, das heute investiert wird, kaufen Anleger zu Kursen ein, die deutlich niedriger sind als vor vier Wochen. Geht es weiter bergab, werden mit dem gleichen Betrag in den nächsten Monaten noch mehr Wertpapiere als zuvor gekauft. Der Sparer erwirbt also bei schwachen Märkten eine höhere Zahl an Fondsanteilen, Aktien oder Zertifikaten, bei starken eine geringere. Während eines Börsenabschwungs wie momentan macht sich das positiv in der langfristigen Rendite bemerkbar.
Besonders beliebt sind aktuell Sparpläne mit ETFs. Hier zahlen Anleger in passive, börsengehandelte Indexfonds ein. Die Produkte erleben seit geraumer Zeit einen Boom, nun scheinen sie endgültig auch im Sparplan-Geschäft angekommen zu sein.
Der Vorteil der Exchange-Traded Funds sind ihre niedrigen Kosten. Sie verzichten auf aktives Portfoliomanagement und bilden lediglich einen Börsenindex eins zu eins ab. Dadurch bleiben die jährlichen Gebühren gering. Für ETFs auf gängige Aktien- oder Rentenindizes liegen diese bei maximal 0,3 Prozent. Bei aktiv gelenkten Portfolios wird locker das Fünffache fällig.
Parallel zum steigenden ETF-Vermögen wächst auch das Volumen der ETF-Sparpläne. Das Internetportal ExtraETF.com analysiert monatlich diesen Geschäftsbereich bei den deutschen Direktbanken. Ende Januar steckten hierzulande fast 224 Millionen Euro in ETFs, die im Rahmen eines Sparplans genutzt werden. Gut 1,3 Millionen Sparpläne vermelden die befragten Institute.
Gerade um den Jahreswechsel war das Interesse an ETF-Sparplänen besonders groß. Im Dezember stieg ihre Zahl um fast 85.000 - mit weitem Abstand der größte monatliche Zuwachs, der jemals gemessen wurde. Auch im Januar gab es ein hohes Plus von rund 64.000, der zweithöchste Wert aller Zeiten.
Dass ETF-Sparpläne in den vergangenen Monaten so großen Zuspruch erfahren haben, hat mehrere Gründe. Zum einen das niedrige Zinsniveau. "Die Anleger sehen immer intensiver, dass es für Spareinlagen so gut wie keine Zinsen mehr gibt", sagt Markus Erdmann, Produktexperte bei der Direktbank ING Deutschland. Gab es in den Jahren zuvor gelegentlich noch die Hoffnung, dass das Zinsniveau wieder steigen könnte, wurde 2019 - auch durch Äußerungen der Europäischen Zentralbank - vielen klar, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben werden. Zum anderen haben sich 2019 die Börsen von ihrer besten Seite gezeigt. "Es gab eine anhaltende Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten, die eine Reihe von Anlegern in Sparpläne geführt haben dürfte", sagt Erdmann.
Außerdem wirkt das zunehmende Interesse selbstverstärkend. "Weil immer mehr Anleger einen ETF-Sparplan haben, spricht sich das umso schneller rum", meint Thomas Meyer zu Drewer, Leiter des Privatkundenvertriebs in Deutschland beim ETF-Anbieter Lyxor. Er sieht ETFs und deren Nutzung in Sparplänen in der Breite der Anlegerschar angekommen. "Die allgemeine Akzeptanz hat sich erhöht, und ein Sparplan ist nichts Exotisches mehr", sagt er.
Jetzt inmitten der Krise haben die bisherigen Ursachen für den ETF-Sparplan-Boom unterschiedlichen Bestand. Während der Aufschwung der Aktienmärkte zu einem jähen Ende gekommen ist, gilt künftig das Argument anhaltend niedriger Zinsen umso mehr. Zur Unterstützung der Wirtschaft hat bereits eine Reihe von Notenbanken den Leitzins gesenkt oder ihn auf niedrigem, gegebenenfalls negativem Niveau zementiert. Die Welt ohne Zinsen wird mehr denn je fortbestehen. Das wird Sparpläne auch künftig unerlässlich machen.
Beweglich bleiben
Die aktuelle Stresssituation führt zudem einen wichtigen Vorteil von Sparplänen vor Augen: ihre Flexibilität. So lassen sich die Einzahlungen jederzeit reduzieren oder aussetzen. Wer momentan das Geld an anderer Stelle braucht, kann beispielsweise mit einigen Raten pausieren.
Die Flexibilität gilt aber auch andersherum: Ein Aufstocken der Sparraten ist ebenso möglich. Gerade nach dem Absturz der Märkte kann das sinnvoll sein. Sparplananleger haben für gewöhnlich einen sehr langen zeitlichen Horizont. Aktuelle Ereignisse - und seien sie auch noch so heftig - sollten ihre langfristige Strategie nicht erschüttern. "Die eigentliche Frage für Investoren ist, wo Unternehmen in fünf oder zehn Jahren stehen werden", sagt Christian Kahler von der DZ Bank und verweist auf eine im Normalfall langfristig wachsende Wirtschaft. Der Analyst rät daher, Sparpläne auf Aktien unbedingt weiterlaufen zu lassen. "Wer finanzielle Puffer hat, sollte sich sogar überlegen, bestehende Sparpläne aufzustocken."
Um einen ETF-Sparplan zu starten, empfiehlt sich der Gang zu einer Direktbank. Viele Institute bieten mehrere Hundert geeignete Produkte an (siehe Tabelle unten). Selbst ausgefallene Anlagewünsche lassen sich damit erfüllen.
Besonders interessant sind ETFs, die kostenfrei erworben werden können. Bei ihnen entfallen die üblichen Gebühren, die Banken für die Ausführung eines Sparplans erheben. Die Zahl dieser Aktions-ETFs unterscheidet sich allerdings deutlich voneinander, manche Institute bieten überhaupt keine entgeltfreien ETFs an.
Auch bei den Gebührenmodellen gibt es Unterschiede. Manche Banken verlangen ein fixes Entgelt pro Sparrate, andere einen prozentualen Anteil. Welches Modell am günstigsten ist, hängt von der Höhe der Raten ab. Im Regelfall fahren Anleger mit einer Fixgebühr besser, wenn sie hohe Beträge einzahlen. Ist die Sparrate dagegen niedrig, rechnet sich eine anteilige Gebühr eher. Hohe Fixgebühren bei kleinen Raten sollten Anleger unbedingt vermeiden. Sonst verschlingen die Kosten einen überproportionalen Teil des eingesetzten Kapitals - und der Einsatz der preisgünstigen ETFs wird konterkariert.
Investor-Info
ETF-Sparpläne
Kräftiges Wachstum
Die Zahl der Sparpläne, in denen ETFs zum Einsatz kommen, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Ende Januar meldeten deutsche Direktbanken insgesamt 1,32 Millionen Sparpläne. Zahlen für Februar liegen noch nicht vor. Gerade in den vergangenen Monaten war die Nachfrage spürbar gestiegen. Rund 224 Millionen Euro steckten vor dem Crash in entsprechenden Produkten.
Sparplan-ETFs
Bewährtes bevorzugen
Gut sortierte Anbieter offerieren mehrere Hundert sparplanfähige ETFs. Auch ausgefallene Anlagethemen lassen sich so umsetzen. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, in gängige, breit aufgestellte Indizes zu investieren. Die entsprechenden ETFs sind nicht
nur kostengünstiger im Unterhalt, sondern infolge der Diversifikation auch risikoärmer. Außerdem bleiben sie in Stresssituationen an den Märkten liquide. Wer auf internationale Aktien setzen möchte, kann den iShares Core MSCI World besparen. Sein Schwerpunkt liegt auf US-Aktien (rund 60 Prozent), den Rest teilen sich Industrieländer wie Japan, Großbritannien oder Kanada. Auf US-Werte konzentrieren sich Anleger mit dem iShares Core
S & P 500, der den größten Konzernen des Landes folgt. Der Lyxor Core Stoxx Europe 600 ermöglicht den Zugang zu den wichtigsten europäischen Aktien. Der ETF enthält
Titel nicht nur aus der Eurozone, sondern unter anderem auch aus Großbritannien und
der Schweiz. Wer ausschließlich deutsche Unternehmen ins Depot holen will, nutzt den Xtrackers DAX. In Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien investieren Anleger mit dem Xtrackers MSCI Emerging Markets.
Name ISIN
iShares Core MSCI World IE00B4L5Y983
iShares Core S&P 500 IE00B5BMR087
Lyxor Core Stoxx Europe 600 LU0908500753
Xtrackers DAX LU0274211480
Xtrackers MSCI Emerg. Mkts. IE00BTJRMP35
Stand: 19.03.20; Quelle: €uro am Sonntag