"Aber Dr. Draghi wird eine Menge Beruhigungspillen verteilen", schätzt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Die EZB wird alles tun, dass das Zurückfahren der Käufe nicht als ein Ende der lockeren Geldpolitik erscheint." Die Leitzinsen, die schon seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent liegen, werden Draghi & Co wohl nicht antasten.
Die EZB und die nationalen Euro-Notenbanken erwerben bereits seit März 2015 in großem Stil Staatsanleihen und andere Wertpapiere - aktuell für 60 Milliarden Euro pro Monat. Die in Deutschland umstrittenen Käufe sollen nach den bisherigen Plänen nur noch bis Ende Dezember laufen und dann ein Gesamtvolumen von 2,28 Billionen Euro erreichen. Sie sind aktuell die stärkste geldpolitische Waffe gegen die aus EZB-Sicht zu niedrige Inflation. Draghi hatte angekündigt, dass der Großteil der Entscheidungen zur Zukunft des Kaufprogramms am Donnerstag fallen wird. Notenbank-Insidern zufolge zeichnete sich zuletzt eine Mehrheit im EZB-Rat dafür ab, die monatlichen Transaktionen zwar zu verlängern, aber dabei deutlich zu kürzen.
"Wir erwarten, dass die EZB ihre monatlichen Wertpapierkäufe von Januar an auf 30 Milliarden Euro verringert mit einem Bekenntnis für neun Monate", sagte der Europa-Chefvolkswirt der Schweizer Großbank UBS, Reinhard Cluse. Sein Kollege Anatoli Annenkov vom französischen Geldhaus Societe Generale, der ebenso von einer Verlängerung der Käufe bis September 2018 ausgeht, erwartet nur noch ein Monatsvolumen von 25 Milliarden Euro. Ökonom Frederik Ducrozet vom Bankhaus Pictet hat eine Faustregel parat: "Je stärker die Verringerung der monatlichen Käufe, umso größer die Verlängerung", schätzt der Experte. Und umso stärker und glaubwürdiger werde der geldpolitische Ausblick sein.
Spannend ist zudem die Frage, ob die Euro-Hüter ein Enddatum für ihre Käufe nennen oder dies zumindest signalisieren werden. EZB-Direktorin Sabine Lautenschläger hatte sich unlängst dafür ausgesprochen. Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer ist allerdings skeptisch: "Nicht ohne Grund haben EZB-Präsident Draghi und andere stets von einer Rekalibrierung der Geldpolitik gesprochen." Von einem "tapering" - einem schrittweisen Einstellen der Käufe - sei nicht die Rede gewesen. Allgemein wird erwartet, dass sich der EZB-Rat auf jeden Fall alle Optionen offenhalten will für den Fall, sollte sich plötzlich die Konjunktur eintrüben oder das Börsenumfeld verschlechtern.
SORGENKIND INFLATION
Rückenwind für eine Drosselung ihrer geldpolitischen Hilfe erhält die Notenbank derzeit von der günstigen Entwicklung der Wirtschaft im Euro-Raum. Inzwischen ist die Stimmung in der Wirtschaft so gut wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Die Industriestaaten-Organisation OECD geht davon aus, dass die Euro-Zone dieses Jahr beim Wachstum die USA einholen wird. Sorgen bereitet der EZB jedoch, dass die Erholung nicht mit steigenden Inflationszahlen einhergeht. Im September lag die Teuerung lediglich bei 1,5 Prozent. Die EZB strebt aber knapp zwei Prozent Inflation als Optimalwert für die Wirtschaft an. Dieses Ziel verfehlt sie nun schon seit Frühjahr 2013.
Deswegen wird Draghi nach Einschätzung der Volkswirte voraussichtlich hervorheben, dass der Kurs auch mit einer Verringerung der Anleihenkäufe expansiv bleibt. Mit Änderungen am Zinsausblick rechnen die Experten nicht. Dieser sieht derzeit vor, die Schlüsselzinsen noch weit über die Zeit der Anleihenkäufe hinaus auf dem aktuellen Niveau zu belassen. Erst kürzlich hatte Draghi betont, wie wichtig die Worte "weit über die Zeit" seien, um die Zinserwartungen an den Finanzmärkten zu beeinflussen. Die Ära der Minizinsen dürfte damit noch lange anhalten - viele Ökonomen rechnen erst 2019 mit einer Zinsanhebung.