Die Regeln zur Bekämpfung von Straftaten mit Bargeldzahlungen sollen weiter verschärft werden. Dadurch geraten aber auch unbescholtene Anleger und Verbraucher öfter ins Visier der Fahnder Von Stefan Rullkötter

Clevere Geschäftsleute denken häufig, dass sich ihre beruflichen Erfolgsstrategien problemlos auf die Arbeit als Politiker übertragen lassen. Nutzen sie die ihnen verliehene Staatsmacht, um alte Seilschaften zu pflegen, kann dies aber wie bei Andrej Babiš nach hinten losgehen. Der noch amtierende Ministerpräsident Tschechiens verlor mit seiner Partei Mitte Oktober die dortige Parlamentswahl, nachdem kurz zuvor Geldwäschevorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren. Veröffentlicht wurden sie vom International Consortium of Investigative Journalists in den sogenannten "Pandora Papers".

Die Dokumente offenbaren, dass Babiš, der die von ihm gegründete Firma Agrofert zum führenden Agrar-, Chemie- und Lebensmittelproduzenten Tschechiens gemacht hat, über eine Offshore-Konstruktion mit drei Briefkastenfirmen für rund 15 Millionen Euro ein Herrenhaus und drei Hektar Land im südfranzösischen Städtchen Mougins an der Côte d’Azur kaufen ließ. Dies ist per se nicht illegal. Die rechtliche Konstruktion des Deals hat für Steuerexperten aber nur einen Zweck: das investierte Geld zu waschen und die Herkunft zu verschleiern.

Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung, kurz OLAF, ermittelt gegen den Regierungschef zudem wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug: Babiš soll EU-Fördergelder veruntreut haben.

Ein anderer Olaf scheint dagegen in puncto Geldwäsche fein raus zu sein: Im Finanzausschuss wies SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz noch kurz vor der für ihn erfolgreich gelaufenen Bundestagswahl die gegen sein Ministerium erhobenen Vorwürfe zurück. Die Osnabrücker Staatsanwaltschaft hält der Financial Intelligence Unit (FIU) vor, Hinweise auf Geldwäsche nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben zu haben.

Zahl der Verdachtsmeldungen steigt

Die FIU war im Jahr 2017 von Scholz’ Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) aus dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern herausgelöst und beim Zoll angesiedelt worden, der dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist. Ihre Sachbearbeiter sammeln seitdem sämtliche Geldwäscheverdachtsmeldungen von Finanzinstituten sowie weiteren Meldepflichtigen und werten die Informationen aus.

Kuriosität am Rande: Bei seiner "Vernehmung" musste Scholz einräumen, den seit drei Jahren amtierenden FIU-Chef Christof Schulte im Finanzausschuss erstmals persönlich getroffen zu haben. Dabei hätte es schon viel früher gute Gründe für vertrauliche Vieraugengespräche zwischen Finanzminister und oberstem Geldwäschebekämpfer gegeben: Bei der FIU sind vergangenes Jahr 25 Prozent mehr Verdachtsmeldungen eingegangen als 2019. Insgesamt gab es 144 005 Hinweise auf Geldwäschestraftaten. Damit hat sich das jährliche Meldeaufkommen seit 2010 mehr als verzwölffacht.

Noch immer stammt mit rund 97 Prozent der überwältigende Teil der einschlägigen Hinweise aus dem Finanzsektor. Rund 27 000 zusätzliche Meldungen von Banken, Sparkassen und Versicherungen erreichten die FIU zuletzt.

Im Nichtfinanzsektor, zu dem Notare, Auto- und Edelmetallhändler sowie Juweliere gehören, gab es im Vergleich zu 2019 einen überproportionalen Anstieg der Zahl der Meldungen um fast 90 Prozent. Allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: War der Zuwachs im Vorjahr vor allem auf das gestiegene Meldeaufkommen der Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen sowie den sogenannten Güterhändlern zurückzuführen, machte sich hier für 2020 Corona bemerkbar. Dieser Rückgang ist vor allem den pandemiebedingten Schließungen von Ladenlokalen geschuldet.

Demgegenüber lieferte die "Verpflichtetengruppe" der Notare deutlich mehr Hinweise. Hauptursache dafür ist die im Oktober 2020 in Kraft getretene "Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung - Immobilien", die seitdem die Meldepflichten bestimmter Berufsgruppen bei Immobilientransaktionen konkretisiert und merklich verschärft hat. Aber auch aus dem Bereich der Finanzunternehmen und von Immobilienmaklern gingen deutlich mehr Verdachtsmeldungen bei der FIU ein.

"Bei den Meldungen ist im gesamten Nichtfinanzsektor immer noch viel Luft nach oben, die Kontrolle durch Aufsichtsbehörden in Deutschland ist in diesem Bereich sehr zersplittert", kritisiert dagegen Daniel Schmedding, Vorsitzender des Bundesverbands der Geldwäschebeauftragten (BVGB).

Auch das Meldeaufkommen im Zusammenhang mit Kryptowährungen stieg überproportional. Die Zahl der eingehenden Verdachtsmeldungen hat sich im Vergleich zu 2019 mehr als verdoppelt. 2020 erreichten die FIU 2050 Verdachtsmeldungen mit Bezug zu Kryptowährungen. Ein großer Teil der Hinweise steht hier in Zusammenhang mit Internetbetrug. So schön diese kleinen Transparenzerfolge auch sein mögen: "Deutschland bleibt ein Magnet für Geldwäscher", meint Christian Tsambikakis, Geschäftsführer bei Kerberos, einem Compliance-Dienstleister für Geldwäscheprävention. Hierzulande werden jährlich mehr als 100 Milliarden Euro aus kriminellen Aktivitäten gewaschen. "Die riesige Summe wird am Fiskus vorbei geschleust und geht damit an uns allen vorbei - mit diesen Geldern könnten Schulen saniert, Kindertagesstätten gebaut und Start-ups gefördert werden", moniert Tsambikakis.

Gute Voraussetzungen für Geldwäscher

Eine effektive Geldwäschebekämpfung müsse daher ganz oben auf der politischen Agenda der nächsten Bundesregierung stehen. In einem ersten Schritt könnten mehr Branchen im Rahmen des Geldwäschegesetzes verpflichtet werden. So müssen beispielsweise Bauträger und Bauunternehmer bisher keine Geldwäscheprävention betreiben.

Erste Maßnahmen für eine Verschärfung der Regelungen wurden bereits eingeleitet. So müssen Banken auf Geheiß der Bafin seit 8. August Bargeldeinzahlungen von mehr als 10 ?000 Euro ablehnen, wenn Privatkunden keinen Nachweis für deren Herkunft vorlegen können.

Erste Praxiserfahrungen zeigen aber, dass dies für Banken wie Kunden mit erheblichem Aufwand und Unklarheiten verbunden ist. Es bestehe die Gefahr, dass durch Pseudonachweise Verdachtsmomente entkräftet würden, warnt der Verband der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Die geforderten Herkunftsnachweise seien oft nicht geeignet, die Mittelherkunft zu belegen. In vielen Fällen rechtmäßiger Herkunft sei auch kein Nachweis vorhanden. Das ist der Fall, wenn Kunden eine für längere Zeit vorgehaltene Notreserve in bar bei der Bank einzahlen wollten. Gleiches gilt bei Zufallsfunden nach einem Erbfall. Auch wenn bei Geldgeschenken unter Verwandten keine Schenkungsunterlagen vorhanden sind, liegt es im Ermessen der Bank, ob sie den Sachverhalt penibel aufklärt. Zudem haben Kunden, die Bargeld aus Schließfächern auf ihr Girokonto einzahlen wollen, oft keinen Herkunftsnachweis oder sie verfügen nur über Belege älteren Datums.

Als weitere Verschärfung trat am 1. August das neue Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz (TraFinG) in Kraft. Ziel der Neuregelung ist es, das 2017 eingeführte Transparenzregister für Firmen aufzuwerten und es von einem Auffang- zu einem Vollregister auszubauen. Die weiteren von der EU geplanten Neuregelungen (siehe Kasten links) müssen noch von EU-Parlament und EU-Rat abgesegnet werden.

Trotz dieser langfristig geplanten personellen und technischen Aufrüstung von Aufsichts- und Vollzugsbehörden: Sicher scheint, dass Geschäftsleute vom Schlag eines Andrej Babiš auch künftig neue Wege finden werden, um dubios erwirtschaftete Gelder in reguläre Wirtschaftskreisläufe zu schleusen.

 


Daten sammeln für den Fiskus

So werden Geldtransaktionen hierzulande überwacht

Einzahlungen bei Banken


Seit 8. August 2021 müssen alle Privatkunden bei Bargeldeinzahlungen von mehr als 10 000 Euro einen Herkunftsnachweis vorlegen. Die Regel gilt auch bei mehreren Einzahlungen, wenn sie zusammen dieses Limit überschreiten. Als Belege gelten: Auszüge für Barauszahlungen von anderen Bankkonten, Quittungen, Rechnungsbelege, Erb- und Schenkungsnachweise. Bei Bartransaktionen für Edelmetall- und Devisenkäufe ist ein Nachweis schon ab 2500 Euro nötig, wenn sie nicht bei der Hausbank abgewickelt werden.

Bezahlen im Einzelhandel


In Deutschland gilt seit dem 1. April 2021 eine neue Kassensicherungsverordnung. Sie verpflichtet alle Gewerbetreibenden, jede verwendete Registrierkasse mit einer technischen Sicherheitseinrichtung auszustatten. Dieses Gebot soll Manipulationen verhindern, mit denen die Steuerlast verringert wird. Lediglich für Registrierkassen, die vom 25. November 2010 bis zum 31. Dezember 2019 in Betrieb genommen wurden und bisher nicht über einen PC gesteuert werden, gilt eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2022.

Autokäufe


Seit dem 1. Januar 2017 gehören Autohändler zum "Verpflichtetenkreis" des Geldwäschegesetzes. Bezahlen ihre Kunden gekaufte Fahrzeuge in bar, sind sie ab Summen von 10 000 Euro verpflichtet, deren Identität zu prüfen und für behördliche Kontrollen zu dokumentieren. Seit 1. Januar 2020 wurde die Regelung verschärft: Bei konkretem Verdacht auf Geldwäsche sind Autohändler seither verpflichtet, unabhängig von Zahlungsart und -höhe Transaktionsdaten an die Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls zu melden.

Immobiliengeschäfte


Beauftragte Makler und Notare müssen der FIU nicht nur die Vermittlung von Kaufverträgen, sondern auch von Mietkontrakten offenlegen, falls die mit den Klienten vereinbarten Mietzahlungen mehr als 10 000 Euro pro Monat betragen. Seit dem 1. Oktober 2020 besteht nach dem Geldwäschegesetz zudem eine spezielle Meldepflicht für Anwälte und Notare, wenn sie bei ihren Mandaten aus dem Immobilienbereich in Bezug auf mögliche Geldwäsche Auffälligkeiten bei Preis, Kauf- oder Zahlungsmodalitäten feststellen.

Goldhandel


Für Edelmetallhändler ist die Meldegrenze bei Bargeschäften mit Barren und Münzen am 1. Januar 2020 von 10 000 Euro auf 2000 Euro gesenkt worden. Ab dieser Schwelle müssen sie Kunden identifizieren und in das sogenannte Transparenzregister aufnehmen. Im Rahmen ihrer erweiterten Sorgfaltspflicht müssen sie einen möglichen kriminellen Hintergrund des Kunden und den wirtschaftlich Berechtigten des Geldbetrags prüfen. Ohne derartige Sicherheitsmaßnahmen sind größere Goldkäufe nicht möglich.

Kryptowährungsdeals


Finanzinstitute versuchen, ihre Risiken bei Geschäften mit Bitcoin & Co abzudecken, indem sie die Umrechnungskurse von gewohntem Fiat- in Kryptogeld und umgekehrt überwachen. Künftig sollen auch Kryptobörsen verpflichtet werden, Informationen von Sendern und Empfängern zu erheben, also etwa Namen, Adressen und Kontoverbindungen. Bei Smartphone-Banken können Kriminelle die Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen, die bei traditionellen Geldinstituten implementiert sind, aber noch häufig umgehen.

 


Kampf gegen Geldwäsche

Verschärfungen für die ganze EU

Die EU-Kommission will den Kampf gegen Geldwäsche forcieren und legt den 27 Mitgliedsstaaten ein Paket mit Gesetzgebungsvorschlägen vor:

Limit für Bargeldzahlungen

EU-weit soll es eine Barzahlungsobergrenze von 10 ?000 Euro geben. Die EU-Kommission fordert für alle Mitgliedsstaaten ein Verbot von Barzahlungen über 10 000 Euro. Keine Limits setzen bislang Deutschland, Luxemburg, Österreich und Zypern. EU-Staaten, die niedrigere Limits eingeführt haben, können diese beibehalten. In Griechenland etwa ist Barzahlung nur bis 500 Euro erlaubt.

Tracking für Kryptowährungen

Bitcoin & Co sollen künftig stärker reglementiert werden, um Transaktionen mit Digitalwährungen vollständig nachverfolgen zu können. Die Bereitstellung anonymer Kryptogeldbörsen soll - analog zum Verbot anonymer Bankkonten - untersagt werden.

Zentrale Überwachungsbehörde

Es soll eine neue EU-Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung geschaffen werden. Die Anti-Money Laundering Authority (AMLA) soll bei allen Verstößen gegen EU-Regeln auch Finanzsanktionen (etwa Einfrieren von Vermögen) verhängen dürfen.

Einheitliche Aufsichtsregeln

Das Regelwerk für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung soll EU-weit vereinheitlicht werden. Dazu gehören die Vorschriften zu nationalen Aufsichtsbehörden und zu zentralen Meldestellen in den Mitgliedsländern. Generell soll es mehr Digitalisierung bei der Kooperation zwischen Behörden und Unternehmen und eine striktere Verfolgung von Verdachtsfällen geben. Gleiches gilt auch für die zu verbessernde europäische Zusammenarbeit bei der Geldwäschebekämpfung.