Durch verschärfte Geldwäscheregeln geraten auch unbescholtene Anleger bald öfter ins Visier der Fahnder Von Stefan Rullkötter
Das Financial Crimes Enforcement Network sorgte kürzlich für internationales Aufsehen. Die unter dem Kurznamen FinCEN-Files veröffentlichten Recherchen legen ein Datenleck des US-Finanzministeriums offen. Es zeigt, wie Geldinstitute weltweit trotz vermeintlich strenger Regularien von 2000 bis 2017 Bankgeschäfte mit zwielichtigen Kunden abwickelten. Dass die fraglichen Transaktionen im Verdacht der Geldwäsche standen, schien nicht zu stören. Das Gesamtvolumen der "kriminellen Überweisungen" lag bei 2,1 Billionen US-Dollar.
Die Enthüllung verstärkt den Druck auf die Staatengemeinschaft, mehr Transparenz im internationalen Geldverkehr zu schaffen. "Sie ist auch ein Warnschuss für die Bundesregierung", meint Christian Tsambikakis, Präsident des Bundesverbands der Geldwäschebeauftragten. Um Schwarzgeldbesitzern auf die Spur zu kommen, muss Deutschland auf Druck der EU seine Geldwäschebekämpfung ohnehin intensivieren.
Der erste Schritt war vor drei Jahren die Gründung einer Financial Intelligence Unit, kurz FIU. Die auf Initiative des damaligen Bundes- finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) beim Zoll angesiedelte Ermittlungsstelle sammelt und untersucht alle auffälligen Finanztransaktionen. Nach ihrem aktuell veröffentlichten Jahresbericht gingen 2019 insgesamt 114 914 Verdachtsmeldungen ein. Das ist eine Steigerung um rund 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
In Deutschland habe sich das jährliche Meldeaufkommen seit 2009 so fast verzwölffacht. Die FIU führt den steilen Anstieg auf die "kontinuierliche Sensibilisierung der nach dem Geldwäschegesetz verpflichteten Meldestellen" und die "fortschreitende Automatisierung bei den großen Kreditinstituten" zurück. Nach wie vor stammten aber rund 98 Prozent aller Meldungen aus dem Finanzbereich. Die Geldinstitute zeigten fürs vergangene Jahr rund 35 000 mehr verdächtige Transaktionen als 2018 an.
Für den Anstieg im Nichtfinanzsektor zeichnen vor allem Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen verantwortlich. Auch aus dem Bereich der Güterhändler, insbesondere von Goldshops, gingen fürs vergangene Jahr rund 50 Prozent mehr Meldungen als zuvor ein.
Fahndungsfokus auf Immobiliensektor
Außerdem erhöhte sich die Zahl der Verdachtsmeldungen von Immobilienmaklern. Hier scheint es für die Fahnder viel unerschlossenes Potenzial zu geben: Nach den Schätzungen des Antikorruptionsverbands Transparency International werden 15 bis 30 Prozent aller Gelder aus kriminellen Aktivitäten weltweit in Immobilien investiert. Auch ein Großteil des unversteuerten Kapitals in Höhe von 100 Milliarden Euro, das in Deutschland pro Jahr gewaschen wird, fließt in Betongold.
"Deutschland darf hier nicht länger Rückzugsort der Geldwäscher aus aller Welt bleiben", fordert Tsambikakis. Um denen das Leben ungemütlicher zu machen, ist am 1. Oktober in Ergänzung zum Geldwäschegesetz eine "Meldepflichtverordnung Immobilien" in Kraft getreten. Makler und Notare müssen nun nicht nur die Vermittlung von Kaufverträgen, sondern auch von Mietverträgen offenlegen, falls die vereinbarten Zahlungen mehr als 10 000 Euro pro Monat betragen.
Zudem werden auch Meldepflichten der rechtsberatenden Berufe bei Immobilientransaktionen in Bezug auf Risikostaa- ten konkretisiert. Dabei sind Auffälligkeiten bei den beteiligten Personen und dem wirtschaftlich Berechtigten sowie bei Stellvertretung, Immobilienpreisen, Kauf- und Zahlungsmodalitäten stets anzuzeigen. Eine neue Meldepflicht besteht auch bei der Verwendung von Vollmachten, die durch konsularische Mitarbeiter in Risikostaaten beglaubigt wurden.
Die Erbringung von Gesellschaftskapital in bar ist nun ebenfalls von der Geldwäschemeldepflicht explizit umfasst. Auch bei den Meldungen zu Kryptowährungen verzeichnete die FIU mit 760 Transaktionen eine leichte Steigerung - allerdings auf einem insgesamt niedrigen Niveau. Dabei kann insbesondere die Weiterleitung von Geld an Handelsplattformen ins Ausland zum Umtausch des Geldes in Kryptowerte mit anschließendem Weitertransfer typischerweise den Straftatbestand der Geldwäsche erfüllen.
Vollzugsdefizite bei den Erstermittlern
So effektiv die Arbeit der FIU in der Theorie funktioniert - in der Praxis gibt es zahlreiche Probleme: Mit dem Start der Behörde im Jahr 2017 stapelten sich dort Zehntausende Verdachtsmeldungen von Finanzinstituten, Notaren, Maklern und anderen meldepflichtigen Wirtschaftseinrichtungen. Sie wurden von der FIU häufig mit Verzögerung und fehlerhaft bearbeitet, kritisieren die nachgeordneten Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften. So kamen die Informationen zu verdächtigen Überweisungen oft zu spät an.
Ein unrühmlicher Höhepunkt sollte folgen: Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt seit Juli dieses Jahres gegen mehrere Verantwortliche der FIU wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Sie sollen von Mitte 2018 bis Anfang 2020 in acht Fällen Geldwäscheverdachtsmeldungen nicht oder nicht rechtzeitig weitergeleitet haben. Über Konten bei drei deutschen Banken sollen in der Folge 1,7 Millionen Euro in afrikanische Staaten geflossen sein.
"Es ist auch in Zukunft zu befürchten, dass eine große Zahl fragwürdiger Transaktionen von den Behörden unbemerkt bleibt", warnt Tsambikakis. Der Gesetzgeber müsse daher die Digitalisierung und Professionalisierung der Geldwäscheprävention entschiedener vorantreiben.
Kritiker bemängeln zudem, dass die Bafin als Geldwäscheaufsicht bei Verdachtsfällen bisher nicht entschlossen genug durchgreift - ein prominentes Beispiel ist der Fall der Wirecard Bank. Und sie sehen auch weiterhin Vollzugsdefizite bei meldepflichtigen Notaren, Immobilienmaklern und Wirtschaftsprüfern.
Sicher ist, dass das Thema Schwarzgeld akut bleibt. Einkommenseinbußen durch Kurz- und Arbeitslosigkeit infolge von Corona trieben zuletzt auch hierzulande mehr Menschen in Schwarzarbeit. Ihr Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukt wird im laufenden Jahr von neun auf elf Prozent steigen, das hat die Universität Linz in einer aktuellen Studie ermittelt. Das wäre ein Zuwachs gegenüber dem Vorjahr um 32 Milliarden Euro auf rund 348 Milliarden Euro.
Forcierter Kampf gegen Geldwäsche
Financial Intelligence Unit (FIU)
Im Jahr 2017 wurde die Geldwäscheeinheit Financial Intelligence Unit (FIU) aus dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern herausgelöst und beim Zoll angesiedelt. Die Sachbearbeiter der FIU sammeln seitdem sämtliche Geldwäscheverdachtsmeldungen von Finanzinstituten sowie weiteren Meldepflichtigen und werten diese aus. Landeskriminalämter und Finanzermittlungsgruppen von Zoll und Polizei sollen so nur noch "werthaltige Meldungen" erhalten - und verdächtige Transaktionen effizienter verfolgen können.
Erweiterte Meldepflichten
Mit der Geldwäschegesetzesreform wurde vergangenes Jahr der Kreis der Meldepflichtigen aus dem Finanz- und Nichtfinanzbereich erweitert. Mehr Berufsgruppen sind nun verpflichtet, Verdachtsfälle von Geldwäsche zu melden. Im Immobilienbereich betrifft die Verschärfung Makler und Notare. Für Edelmetallhändler sank die Meldegrenze bei Bargeschäften mit Barren und Münzen von 10 000 Euro auf 2000 Euro.
Wegfall des Vortatenkatalogs
Der neu gefasste Tatbestand soll künftig alle Straftaten als Vortaten der Geldwäsche einbeziehen. Durch den größeren Anwendungsbereich könnten überführte Straftäter bald häufiger auch wegen Geldwäschedelikten verurteilt werden.
Strafverschärfung
Meldepflichtigen Berufsträgern, die wegen Geldwäsche verurteilt werden, droht künftig eine Mindeststrafe von drei Monaten Haft. Der Strafrahmen sieht auch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren (in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren) oder eine Geldstrafe vor.