Schon unter normalen Umständen wäre es ein anspruchsvoller Job: Larry Culp sollte dem angeschlage- nen Traditionskonzern General Electric (GE) eine Zukunft geben. Dann kam die Pandemie, die ausgerechnet das wichtigste Geschäft von GE als Dienstleister der Luftfahrtindustrie zum Stillstand brachte. Der Aktienkurs, der sich nach Culps Amtsantritt im Oktober 2018 erholt hatte, geriet erneut unter Druck. Inzwischen klingt die Pandemie ab, und Börsianer setzen darauf, dass General Electric endlich durchstarten kann.
Gleich mehrere gute Nachrichten ermutigen die Optimisten: GE-Finanzchefin Carolina Dybeck verbreitete auf einer Investorenkonferenz Optimismus und stellte auch für das zweite Quartal eine Verbesserung des Cashflows, also der freien Finanzmittel, in Aussicht. Der Flugzeugbauer Airbus, einer der Kunden von GE, hob derweil seine Produktionsziele an. Schon in zwei Jahren wollen die Franzosen mehr Kurzstrecken-Maschinen bauen als vor dem Ausbruch von Corona. Bei etwa der Hälfte der Maschinen der A320-Serie werden Antriebe von CFM verbaut, einem Gemeinschaftsunternehmen von GE und dem französischen Konzern Safran. Der Airbus-Rivale Boeing lässt unterdessen seine wegen Sicherheitsbedenken in die Kritik geratenen Maschinen vom Typ Max 737 wieder fliegen. Auch bei Boeing ist GE Zulieferer und Dienstleister.
Neu aufgestellt
Culp hat das Konglomerat General Electric auf vier Sparten konzentriert. Die größte und wichtigste ist die Luftfahrt. Wichtiger als der Verkauf von Triebwerken ist dort das Servicegeschäft, das zuverlässige Einnahmen und hohe Margen bringt. Das gilt zumindest in einer normalen Welt. Im Corona-Jahr 2020 brach der weltweite Luftverkehr um zwei Drittel ein. Je mehr Maschinen am Boden blieben, desto weniger Reparaturen und Wartungen waren nötig. Der Umsatz der Luftfahrtsparte von GE brach um ein Drittel ein.
Auch die zweitgrößte GE-Sparte, das Gesundheitsgeschäft, wurde zum Virusopfer. Zwar konnte GE durch die Produktion etwa von Beatmungsgeräten einen Beitrag im Kampf gegen die Pandemie leisten. Andere Produkte wie Röntgen- und Kernspintomografiegeräte waren dagegen weniger gefragt, weil viele Patienten aus Angst vor Ansteckung nicht zum Arzt gegangen sind. Vergleichsweise gut gehalten haben sich das Energiegeschäft und der Bereich erneuerbare Energien. Die fünfte Sparte im Konglomerat wird aufgelöst: Nach dem Verkauf des Flugzeugleasings werden die Reste der ehemaligen GE Capital in andere Bereiche des Konzerns integriert.
Der Jahresauftakt 2021 war durchwachsen. Börsianer sehen bei dem oft stark durch Sondereffekte verzerrten GE-Zahlenwerk vor allem auf den Cashflow. Diese Kennziffer verrät, ob und wie viel Geld tatsächlich ins Unternehmen kommt. Im ersten Quartal, das noch immer stark von der Pandemie beeinträchtigt war, verbrannte General Electric im industriellen Kerngeschäft 845 Millionen Dollar. Ein Jahr zuvor waren es im ersten Quartal sogar 2,2 Milliarden. Weil etliche große Aufträge meist erst in der zweiten Jahreshälfte festgezurrt werden können, dürften die Zahlen bald wieder besser werden.
Für das Gesamtjahr 2021 stellt Konzernchef Culp den Aktionären einen positiven Cashflow von 2,5 Milliarden bis 4,5 Milliarden Dollar in Aussicht. Je schneller sich die Welt aus der Pandemie befreit, desto besser werden die Aussichten auch für General Electric.
Wende: Das Comeback der Luftfahrtindustrie sollte GE Auftrieb
geben. Die Aktie bleibt eine
Turnaround-Spekulation.
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Kursziel: 14,00 Euro
Stoppkurs: 8,50 Euro