Medizintechnik General Electrics Medtech-Sparte ist kürzlich an der Wall Street gestartet. Unternehmen mit stabilen Geschäften sind dort derzeit begehrt

Es war ein gelungener Auftakt - und zugleich der erste große Börsengang des Jahres in den USA: Am 4. Januar kamen die Aktien von GE Healthcare Technologies an der Technologiebörse Nasdaq aufs Parkett und legten in einem schwankungsintensiven Umfeld gleich zu. Der Hersteller von komplexen Medizintechnikgeräten wie Magnetresonanztomografen (MRT) erlöst knapp ein Viertel des Umsatzes von General Electric (GE) und ist die zweitprofitabelste Sparte im Verbund des Konzerns aus Boston. Knapp ein Fünftel der Anteile der Tochter will GE vorerst behalten. Die übrigen Aktien wurden, wie bei Abspaltungen (Spin-offs) üblich, in die Depots der GE-Aktionäre eingebucht.
GE-Healthcare-Chef Peter Arduini gibt das Umsatzpotenzial des Gesamtmarktes für 2021 mit 84 Milliarden Dollar an. 2025 sollen es rund 100 Milliarden Dollar sein. Der Markt wird von wenigen großen Unternehmen mit langfristigen Kundenverträgen und hohen Mittelzuf lüssen aus ihrem Geschäft dominiert.
Das Börsendebüt zeigt auch: Firmen mit hohen Cashflows und von konjunkturellen Schwankungen unabhängigen Geschäftsmodellen bleiben im Umfeld möglicher Rezessionen in den USA und in Europa bei Investoren gefragt.

Ein Koloss wird neu sortiert

Der Börsengang von GE Healthcare Technologies beendet zudem eine Ära. Bei General Electric, einem der ältesten an der New York Stock Exchange gelisteten Unternehmen, ist die Aufspaltung in drei Börsenkandidaten damit vollzogen. Die Bereiche Ausrüstung für Stromnetze und Kraftwerkstechnologien sowie das Geschäft mit erneuerbaren Energien kamen unter das Dach des Spin-offs GE Vernova. Anfang 2024 soll dieses an die Börse kommen. Der ursprüngliche Konzern konzentriert sich dann auf den profitabelsten Bereich GE Aerospace, der Flugzeugturbinen baut und wartet. Als Konglomerat, sprich breit aufgestelltem Konzern, war General Electric nach der Jahrtausendwende in Amerikas Industrie eine Ikone und weltweit Vorbild für hohe Renditen und Führungskultur. Auf dem Parkett war GE damals das weltweit wertvollste Unternehmen. Doch schon während der Finanzkrise 2009 wurde die Konglomeratsstruktur für GE eine stark Wert vernichtende Fessel.
Bei Siemens, dem Münchner Rivalen, löste der damalige Konzernchef Joe Kaeser die Konglomeratsstrukturen früher auf und schickte Siemens Healthineers 2018 als Spinoff an die Börse. Die Erlanger Konzerntochter ist Europas wertvollster Medizintechnikkonzern. Sie liegt beim Umsatz mit bildgebender Diagnostik mit medizintechnischen Geräten wie Computertomografen (CT) oder Magnetresonanztomografen weltweit an der Spitze vor GE Healthcare (siehe Grafik links).
Vorn sind die Amerikaner dafür bei medizinischen Ultraschallgeräten. Mit dem Kauf von BK Medical im Jahr 2021, einem Spezialisten für Ultraschallgeräte in der Chirurgie, hat GE sein Marktpotenzial hier um ein Segment mit hohem Zuwachs erweitert. Der globale Markt für BK Medicals mobile Geräte, die bei OPs eingesetzt werden, soll bis 2025 jährlich um acht bis zehn Prozent zulegen, im Vergleich zu vier bis sieben Prozent bei Ultraschallgeräten allgemein.

Philips unter Druck

Die Nummer 2 hier ist der europäische Konzern Philips. Auch die Niederländer haben ihr Konglomerat aufgelöst und fokussieren sich auf Medizintechnik. Was Philips erheblich belastet und im vergangenen Sommer zu einem Chefwechsel geführt hat, ist der Rückruf von geschätzt 5,5 Millionen Beatmungsgeräten, die nun größtenteils ersetzt werden müssen. Die Ursache: ein Schaumstoff, der von einer US-Tochter unerlaubt mit Ozon gereinigt wurde und in angeblich krebserregende Teilchen zerfällt. Die möglichen Schadenersatzforderungen werden auf bis zu fünf Milliarden Euro geschätzt. Mit Software und digitalen Plattformen wie Teamplay und Atellica für Labordiagnostik bei Siemens Healthineers oder Edison bei GE treiben die Konzerne die Digitalisierung der Gesundheitsbranche voran. Mit Dienstleistungen für Krankenhäuser, Labore und Pharmaunternehmen, die über diese Plattformen laufen, werden außerdem zusätzliche Märkte erschlossen.

Spartenverkauf bei Medtronic

Für weiteres Wachstum sind jedoch auch Zukäufe notwendig. Auf der Einkaufsliste von GE Healthcare stehen daher die Geschäftsbereiche Patientenüberwachung und Beatmungstechnik des nach Umsatz und Börsenwert deutlich größeren US-Konkurrenten Medtronic. Das Unternehmen hatte im Oktober angekündigt, die beiden Bereiche, deren Gesamtwert auf sieben Milliarden Dollar geschätzt wird, auszugliedern, um sie zu verkaufen oder als Spin-offs an die Börse zu bringen. Mit 2,2 Milliarden Dollar liefern sie sieben Prozent von Medtronics Umsatz. Bei Marge und Wachstum liegen sie leicht unter den Zielen und werden deshalb aussortiert.
Auch Siemens Healthineers und Finanzinvestoren sollen am Kauf der Sparten interessiert sein. Medtronic ist mit seinen Defibrillatoren und Herzschrittmachern unter anderem in der kardiologischen Medizintechnik gut bekannt. Um bei Prognosen zuverlässiger zu werden, muss der Konzern jedoch sein Portfolio neu sortieren. Auch die jüngste Quartalsbilanz im November war schwächer als erwartet. Allerdings wird Medtronic mit 45 jährlichen Erhöhungen der Dividende in Folge als sogenannter Dividenden-Aristokrat an der Wall Street besonders geschätzt.
Indes ist Siemens-Healthineers-Chef Bernd Montag mit dem Kauf des US-Konzerns Varian, einem Hersteller von Geräten für Strahlentherapien bei der Behandlung von Krebs, 2021 eine deutliche Erweiterung des Marktpotenzials gelungen. Mit den CT-und MRT-Geräten der Franken können Ärzte Tumore lokalisieren und diagnostizieren.

Mit Varian hat Healthineers nun auch die Ausrüstung für Strahlentherapien in seinem Portfolio. 2011 hatte die damalige Siemens-Tochter ihren Bereich Strahlentherapie wegen Misserfolgs aufgelöst, 2017 scheiterte die Übernahme an Einwänden der Amerikaner. Variant besetzt bei Geräten für Strahlentherapie 58 Prozent des Marktes. Der Kaufpreis von 16,4 Milliarden Dollar war deshalb besonders hoch. Denn vermutlich hätte auch Börsenneuling GE Healthcare die teure Perle heute gern in seinem Portfolio.

GE HEALTHCARE TECHNOLOGIES Mit Abschlag gestartet

Mit mehr als 18 Milliarden Dollar für 2021 lie- ferte GE Healthcare rund ein Viertel des Ge- samterlöses von General Electric (GE) von 74,2 Milliarden Dollar. Mit starken Positionen in den großen Märkten bildgebende Diagnos- tik (44 Milliarden Dollar) und Ultraschall (zwölf Milliarden) stellt der Konzern bis 2025 pro Jahr vier bis sieben Prozent mehr Umsatz in Aussicht. Dividenden wurden noch nicht beschlossen. Zum Börsendebüt war die Aktie mit rund dem Zehnfachen des für 2022 er- warteten operativen Gewinns (Ebita) bewer- tet, Siemens Healthineers mit den 16-Fachen. Dank des deutlichen Abschlags ein Kauf.

GE Healthcare (WKN: A3D3G6)

SIEMENS HEALTHINEERS Potenzial erweitert


Der Kauf des US-Konzerns Varian bringt Wachstum und erhöht das Marktpotenzial. Im abgeschlossenen Geschäftsjahr wurde das deutlich. Das Geschäft ist unabhängig von konjunkturellen Schwankungen. Für das Jahr bis Ende September werden nahezu stagnie- rende Erlöse (21,7 Milliarden Euro im Vorjahr) und ein leicht rückläufiger bereinigter Gewinn pro Aktie in Aussicht gestellt. Analysten er- warten zehn Prozent Rückgang. Positive Überraschungen wahrscheinlich.

Siemens Healthineers (WKN: SHL100)

MEDTRONIC Wachstum in Aussicht

Der Markt für Medtronics neues Verfahren zur Behandlung von Bluthochdruck, bei dem Nervenbahnen zwischen Gehirn und Nieren mininmalinvasiv getrennt werden, könnte 2026 eine und schließlich 2030 drei Milliarden Dollar Umsatzvolumen erreichen. Der Kon- zern mit geschätzten 30,5 Milliarden Dollar Umsatz für das Geschäftsjahr bis Ende April wäre damit wieder auf Wachstumskurs. Anle- ger sollten die Kursschwäche nutzen. Solider Dividendenwert.

Medtronic (WKN: A14M2J)