Die Erfolgsgeschichte der Firma Schaeffler begann 1946 in der fränkischen Kleinstadt Herzogenaurach. Die Brüder Wilhelm und Georg Schaeffler gründeten dort ein Unternehmen, das Holzartikel für den täglichen Bedarf herstellte - Leitern, Kinderroller, Gürtelschnallen und Knöpfe. Bald wurde die Produktion auf Metallteile wie Gewindeschneidbacken und Nadellager ausgeweitet. Besonders die Nadellager wurden ab 1953 in großen Mengen produziert, es gab damals kein neues Auto in der Bundesrepublik, in dem nicht serienmäßig Lager aus dem Hause Schaeffler eingebaut waren.

Eher zufällig traf der Firmenchef Georg Schaeffler 1963 bei einem Neujahrsempfang am bayerischen Tegernsee die Frau, die später aus dem Familienbetrieb einen Weltkonzern formen sollte: die 21-jährige Maria-Elisabeth Kurssa, eine in Prag geborene Österreicherin, streng katholisch erzogen, die mit 15 eigentlich ins Kloster gehen wollte, nach dem Abitur aber in Wien ein Medizinstudium begonnen hatte.

Der wortkarge Unternehmer aus der fränkischen Provinz und die 24 Jahre jüngere Studentin trafen sich später noch zweimal in Anwesenheit ihrer Eltern, und noch im selben Jahr wurde geheiratet. Maria-Elisabeth brach das Medizinstudium ab und folgte ihrem Mann nach Herzogenaurach, studierte noch für kurze Zeit Betriebswirtschaft, nahm sich aber kaum noch Zeit für die Uni, sondern begleitete ihren Mann auf seinen Geschäftsreisen.

"Bei mir lernst du mehr als in den Vorlesungen", sagte er, nahm sie zu Sitzungen mit und brachte ihr bei, den Wirtschaftsteil der Zeitungen zu lesen. Später sagte sie: "Ich habe bei ihm 33 Jahre lang eine hervorragende Ausbildung erleben dürfen."

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Übernahmen und Krisen


Diese Erfahrungen konnte sie gebrauchen, als ihr Mann 1996 im Alter von 79 Jahren starb. Plötzlich musste sie das Unternehmen leiten. Ihr Sohn Georg junior, der 80 Prozent der Schaeffler-Gruppe hält, lebte inzwischen als erfolgreicher Wirtschaftsanwalt in den USA und hielt sich aus dem Tagesgeschäft der Firma heraus. Sein jüngerer Bruder war am Weihnachtstag 1975 bei einem Unfall gestorben. Georg junior, 1964 geboren, hatte nach dem Abitur in der Bundeswehr gedient und anschließend in St. Gallen Betriebswirtschaft studiert.

Nach dem Abschluss als Diplom-Kaufmann arbeitete er in verschiedenen Funktionen im Familienkonzern mit, absolvierte dann ein Jura-Studium an der Duke University in North Carolina. Nach dem Tod seines Vater entschloss er sich, in den USA zu bleiben. "Dieses Unternehmen ist zu groß und zu viel steht auf dem Spiel, um es als Versuchsgelände für mein Ego zu nutzen", erklärte er später.

Die Witwe war fest entschlossen, das Unternehmen weiterhin zu führen. Sie arbeitete fast rund um die Uhr, lud Mitarbeiter zu sich nach Hause ein, um sich zu informieren. Schließlich aber sah sie ein, dass sie auf Dauer einen Manager brauchte. Den Richtigen fand sie 1998 eher zufällig auf der Hannover Messe: Jürgen Geißinger, Europa-Chef des amerikanischen Auto-Zulieferers ITT, der als ebenso intelligent wie ehrgeizig und hart galt.

Geißinger begann sofort mit dem Umbau. Der Mittelständler, der bisher auf organisches Wachstum und Unabhängigkeit von Banken gesetzt hatte, sollte ein global agierender Konzern werden. Der erste Coup: der fünf Wochen dauernde Übernahmekampf 2001 um den Rivalen FAG Kugelfischer. FAG hatte ein Angebot von Schaeffler abgelehnt, woraufhin eine der härtesten Übernahmeschlachten der deutschen Wirtschaftsgeschichte begann.

Ein Novum in Deutschland: Ein fast unbekannter Familienbetrieb attackierte einen börsennotierten Konzern. "Operation Mozart" nannte die Opernliebhaberin Schaeffler den Deal, der für sie zu einem Triumph wurde und ihr den Spitznamen "listige Witwe" einbrachte. Der nächste Coup: Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise übernahm Schaeffler 2008 den dreimal so großen Reifen- und Autoteilekonzern Continental - und ging dabei fast pleite.

Als "Zockerin" wurde Maria-Elisabeth Schaeffler beschimpft, als ihr Unternehmen zunächst nur 49,9 Prozent der Conti-Anteile übernehmen wollte, plötzlich aber 90 Prozent der Aktien besaß und damit mit einem existenzbedrohenden Schuldenberg von zwölf Milliarden Euro konfrontiert war. Ausgerechnet in den Tagen der Krise, als sie zwei Drittel ihrer Beschäftigten in Kurzarbeit schicken musste, zeigte sie sich im Prominentenskiort Kitzbühel im Pelzmantel mit Champagnerglas in der Hand. Das kam nicht gut an, sie wurde zur Hassfigur.

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Ein sagenhaftes Comeback


Nur wenige Jahre später waren die Schaefflers wieder obenauf. Es ist die Geschichte eines beispiellosen Comebacks: Sie wurden 2014 die reichsten Deutschen - auf 21,5 Milliarden Euro schätzte das Wirtschaftsmagazin "Bilanz" ihr Vermögen. Bis zum Conti-Deal hatte sich Georg Schaeffler oft monatelang nicht in Deutschland gezeigt. Doch jetzt begann der sonst so sensibel und zurückhaltend auftretende Sohn, für die Firma zu sprechen. Es ging um die Existenz des Unternehmens und um sein Vermögen.

2017 hatte die Conti-Aktie die Vermögensbilanz der Firma noch gerettet, ein Jahr später aber trug sie erheblich zu ihrem Absturz bei: 2018 war kein gutes Jahr für Mutter und Sohn. Schließlich ist die Hälfte ihres Umsatzes mit der Autobranche verbunden. Das Vermögen der Schaefflers schrumpfte innerhalb eines Jahres um gewaltige fünf Milliarden Euro.

Schaeffler und Conti hatten mit massiven Kursverlusten an den Börsen zu kämpfen, denn die Probleme der deutschen Autoindustrie bekommen jetzt auch die Zulieferer zu spüren. Wie es weitergeht, wird entscheidend davon abhängen, ob und wie die Zulieferer den Schritt in die Elektromobilität bewältigen.