Qualitätsprodukte "Made in Germany" bleiben auch nach dem Abgasskandal bei Volkswagen weltweit sehr gefragt. Dies gilt natürlich nicht nur für Maschinen und Hightech-Erzeugnisse, sondern auch für viele Produkte des täglichen Bedarfs, bei denen Zuverlässigkeit eine überragende Rolle spielt. Für Investoren sind dabei besonders Unternehmen interessant, die im Bereich Gesundheit aktiv sind. Die weltweit zunehmende Bevölkerung und der global steigende Wohlstand führen zu einer kontinuierlich anziehenden Nachfrage nach einer guten medizinischen Versorgung.

Gerresheimer, der Spezialist für Laborbedarf und Verpackungen in der Pharmabranche steht nur selten im Fokus, zählt aber wie viele Konzerne aus dem MDAX zu den weltweiten Branchenführern. Insulin-Pens, Inhalatoren, vorfüllbare Spritzen, Injektionsfläschchen, Ampullen, Flaschen und Behältnisse für flüssige und feste Medikamente mit Verschluss- und Sicherheitssystemen sowie Verpackungen für die Kosmetikindustrie zählen zum breiten Angebotsspektrum. Rund 83 Prozent vom Konzernumsatz werden mit Pharma- und Healthcare-Produkten erzielt, der Rest entfällt auf Kosmetik und Sonstige. Mit dem Fokus auf die Gesundheitsbranche ist Gerresheimer wesentlich weniger den weltweiten Konjunkturschwankungen unterworfen als viele andere Konzerne, was wiederum eine zuverlässigere Prognose über den weiteren Geschäftsverlauf ermöglicht und das Risiko von unliebsamen Überraschungen deutlich mindert.

Aufgestellt sind die Rheinländer über drei Geschäftsbereiche. "Life Science Research" konzentriert sich auf wiederverwendbare Laborglasprodukte für Forschung, Entwicklung und Analytik. Im Vergleich zu den anderen beiden Bereichen ist der Bereich mit Umsätzen von knapp 26 Mio. Euro im dritten Quartal aber eher klein. Mit Primärverpackungen aus Glas für Medikamente und Kosmetik wie zum Beispiel Pharmagläser und Ampullen steuerte der Geschäftsbereich "Primary Packaging Glass" mit 171 Mio. Euro den größten Teil zum Umsatz von 344 Mio. Euro bei. Zudem liegt auch die Marge mit mehr als 22 Prozent deutlich über der Quote gut 14 Prozent, die im Bereich "Life Science Research" erzielt wird. Ebenfalls entscheidend für den Erfolg sind die Geschäfte bei "Plastics & Devices". Rund 153 Mio. Euro gingen hier zuletzt durch die Bücher, die Marge lag ebenfalls bei knapp über 20 Prozent.

Mit über 40 Werken in Europa, Nord- und Süd-Amerika und Asien sind die Düsseldorfer inzwischen weltweit präsent und erwirtschaften mit 11.000 Mitarbeitern in 2014 einen Konzernumsatz von ungefähr 1,3 Mrd. Euro. Auf den europäischen Markt mit Deutschland entfallen rund 60 Prozent der Umsätze, Amerika und die Schwellenländer liegen bei 20 sowie 17 Prozent. Doch nicht mehr lange, bereits in den nächsten Quartalen werden sich die Erlösquellen deutlich verschieben. Und hier lauert sehr viel Potenzial in 2016.

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US-Deal wird sich bald voll entfalten



Im Juli schnappte sich Gerresheimer für 725 Mio. Dollar die US-Firma Centor. Der Preis ist durchaus sportlich und entspricht dem Zehnfachen von Centors operativem Gewinn. Allerdings glänzen die Amerikaner auch mit einer operativen Marge von 40 Prozent, kaum ein Unternehmen in der Branche arbeitet profitabler. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei 167 Mio. Dollar. Künftig dürfte der Umsatzanteil von Centor rund neun Prozent bei Gerresheimer ausmachen. Damit würde auch der Erlös aus dem Amerikageschäft auf rund 28 Prozent steigen und somit die derzeit noch hohe Bedeutung des europäischen Absatzmarktes verringern. Mit der bisher größten Akquisition in der Firmengeschichte baut Gerresheimer das Geschäft mit pharmazeutischen Primärverpackungen weiter aus. "Damit passen sie ideal zu uns und ergänzen unser Produktangebot in den USA von Verpackungen für injizierbare Medikamente um Verpackungen für oral einzunehmende Medikamente", sagte Gerresheimer-Chef Uwe Röhrhoff.

Seit Anfang Oktober ist Centor bereits integriert und dürfte im Abschlussquartal zusätzliche Erlöse von rund 30 Mio. Euro generieren. Ab dem kommenden Jahr ist dann mit einem deutlichen Gewinnanstieg zu rechnen. Centor beliefert über ein landesweites Netz von Großhändlern sowohl Apotheken, Supermärkte als auch Krankenhäuser, den Versandhandel und veterinärmedizinische Marktsegmente.

Kernprodukte von Centor sind Kunststoffbehälter, die auch für automatisierte Abfüllanlagen geeignet sind und mit standardisierten oder kundenspezifisch bedruckten Verschlüssen ausgeliefert werden. Anders als in Europa entnehmen die Apotheker in den USA die Tabletten aus Großbehältern und zählen die genaue Menge ab, so wie es im Rezept vermerkt ist. Die Tabletten kommen dann in die Kunststoffbehälter von Centor und werden mit einem kundenspezifischen Aufkleber versehen. Schätzungen zufolge wächst der amerikanische Markt für verschreibungspflichtige Medikamente um rund zwei Prozent pro Jahr bis 2019.

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Langfristige Planung steht



Die Weichen in Düsseldorf sind damit klar auf noch mehr Wachstum ausgerichtet. Vor allem in den USA zogen die Umsätze in den vergangenen Monaten deutlich an. Positiv zu sehen ist auch der Verkauf des kapitalintensiven Röhrenglasgeschäfts für 196 Mio. Euro, das wohl im vierten Quartal abgeschlossen wird.

Ohne Berücksichtigung der beiden Transaktionen rechnet das Management im Geschäftsjahr 2015 mit einem organischen Umsatzwachstum von ein bis drei Prozent, was einer Erlösbandbreite von 1,3 bis 1,33 Mrd. Euro entspricht. Die Verkäufe, Investitionen und Zukäufe werden sich dann besonders mittelfristig bemerkbar machen. Für die Geschäftsjahre 2016 bis 2018 streben die Rheinländer eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate beim Umsatze von vier bis fünf Prozent an. Bei der Ebitda-Marge wird ein Zielwert von 22 Prozent für 2018 avisiert, in den ersten drei Monaten lag die Kennziffer noch bei gut 19 Prozent. Die Investitionen sollen bei acht bis neun Prozent der Umsätze liegen, 2015 liegt die Quote bei neun bis zehn Prozent.

Mit diesen Perspektiven bleibt die Gerresheimer-Aktie einer der Top-Werte aus dem MDAX. Die Investmentstory ist voll intakt und dürfte Anlegern im kommenden Jahr viel Freude bereiten. Zuletzt hat die Aufwärtsdynamik deutlich zugenommen, noch besteht aber ausreichend Luft nach oben. JPMorgan und Kepler Cheuvreux sehen das Kursziel bei 81 sowie 80 Euro. Es wäre nicht überraschend, wenn die Aktie die Bereiche bald erreicht und spätestens nach der Vorlage des Geschäftsberichts 2015 am 11. Februar 2016 höhere Marken ausgegeben werden.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.

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