Bei Gesco herrscht der Ausnahmezustand. Der Grund: Es gibt keine Probleme. Eine für Beteiligungsunternehmen eher seltene Situation, da ab einer bestimmten Portfoliogröße irgendwas immer schlecht läuft. Der auf Mittelständler fokussierte Firmenkäufer aber hatte in der Vergangenheit mehr Probleme als normal. Die Firmentochter Protomaster belastete als Sanierungsfall über Jahre das Ergebnis, ohne dass die Restrukturierung den gewünschten Erfolg zeigte. Zusätzlich blieb der Gewinn häufig hinter den Erwartungen zurück und weitere Zukäufe wurden immer seltener.
Eine zusätzliche Belastung war die schwache Nachfrage nach Investitionsgütern. Mehrheitlich fräsen, stanzen, spritzen die 18 Tochterfirmen Metall- und Plastikteile oder fertigen Maschinen, Werkzeuge und arbeiten an Automatisierungstechnik. Da die Kunden aus der Industrie und Autobranche stammen, hängen die Wuppertaler an der Konjunktur, auch wenn fünf Beteiligungen die Gesundheits- und Infrastrukturbranche beliefern.
Die lange Leine wird gekürzt
Mitte 2016 reagierte Gesco. Als neuer Chef startete Eric Bernhard die "Strategie 2022", um die Ebit-Marge bis dahin wieder auf acht Prozent zu steigern. Zuvor war die Gewinnspanne auf 4,6 Prozent gefallen. Firmenkenner machten dafür auch die mitunter an der langen Leine gelassenen Beteiligungen verantwortlich. Statt mit neuen Ideen auf veränderte Marktbedingungen zu reagieren, erweckten einige eher den Eindruck, lieber auf den nächsten Branchenaufschwung zu warten.
Mittels Wettbewerbsanalysen zog Bernhard Mindestanforderungen ein und suchte nach Potenzialen für mehr Wachstum und Ertragskraft. Dabei forderte der ehemalige McKinsey-Berater aber nicht nur mehr, sondern unterstützte die Tochterfirmen auch durch mehr Beratung. Erste Erfolge zeigte der Kulturwandel im zum 31. März endenden Geschäftsjahr 2017/2018. Zum Umsatz- und Ertragswachstum sowie zur Margensteigerung trug jedoch auch die wieder erstarkte Nachfrage nach Investitionsgütern bei. Die Branchenkonjunktur dürfte anhalten. Im April hob der Verband der Maschinenbauer (VDMA) seine Wachstumsprognose von drei auf fünf Prozent an.
Doch während das Sorgenkind Protomaster Ende 2017 verkauft wurde, machte im abgelaufenen Geschäftsjahr plötzlich die umsatzseitig größte Beteiligung Probleme. Der Stahlhändler und -verarbeiter Dörrenberg geriet als Randbeteiligter ins Visier des Bundeskartellamts.
Die Wettbewerbshüter ermittelten gegen das branchenweit praktizierte Verfahren, Schrott- und Legierungspreise auszutauschen und so einen Preiswettbewerb zu unterlaufen. Als Händler gab Dörrenberg diese Preise aber nur weiter und so wurde das Verfahren diesen Juli gegen ein Bußgeld in Höhe von 8,5 Millionen Euro beigelegt. Weil die Summe bereits im vergangenen Jahr zurückgestellt wurde, hat die Zahlung auf das laufende Geschäft keine Auswirkungen. Und auch in Sachen Übernahmen tut sich wieder was. Vor einem Monat kaufte Gesco Sommer & Strassburger. Mit Prozessanlagen für die Pharma- und Lebensmittelbranche sowie Kunden aus der Chemie- und Wassertechnik erzielte das Unternehmen zuletzt knapp 20 Millionen Euro Umsatz. Die Akquisition zeigt, dass Gesco im unverändert harten Wettbewerb um Kaufkandidaten noch punkten kann.
Die Wuppertaler zahlen nicht jeden Preis. Als Bestandshalter setzen sie darauf, dass dem Eigentümer die langfristige Entwicklung seiner Firma wichtiger ist als das höchste Angebot. Weil die Suche immer schwieriger wird und abwarten nicht mehr ausreicht, spricht Gesco potenzielle Kaufkandidaten, wie auch Sommer & Strassburger, mittlerweile aktiver an. Aktuell wächst der Umsatz jedoch auch ohne Neuerwerb. Im ersten Quartal stiegen die Einnahmen organisch um 3,3 Prozent auf 150,4 Millionen Euro. Mit einem Plus von 20,1 Prozent legte das 13,1 Millionen Euro schwere Ebit erneut überproportional zu. Angesichts des Rekord-Auftragseingangs im zweiten Quartal dürfte die Entwicklung trotz weltpolitischer Unruhen und der schwierigen Situation der Autozulieferer anhalten. Die Bestellungen stiegen mit 160 Millionen Euro über ein Viertel an und lagen damit fast 16 Prozent über dem Umsatz. Gleichzeitig lag die Marge über dem für 2022 angepeilten Ziel von acht Prozent und dürfte dort laut Analysten auch im Gesamtjahr bleiben.
Bernhard erreichte seine Ziele damit früher als geplant, weshalb der Aufsichtsrat seit Jahresbeginn einen Nachfolger suchte. Der seit diesem Sommer amtierende Ralph Rumberg wird die von Bernhard eingeführten Veränderungen beibehalten. Zudem verfügt der Ingenieur über reichlich Industrieerfahrung. Beobachter trauen daher auch dem Neuen zu, künftige Probleme klein zu halten.