Faszination Fliegen - wenn am Dienstag in Berlin die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung für sechs Tage ihre Pforten öffnet, dürfen die rund 1200 Aussteller voraussichtlich etwa 230 000 Besucher begrüßen. Die älteste Luftfahrtmesse der Welt wirbt mit vielen Highlights. Unter anderem werden die modernsten Verkehrsflugzeuge, der Airbus A350 XWB und die Boeing 747-8, in der deutschen Bundeshauptstadt vorgestellt. Berlin ist für beide Hersteller eine Leistungsschau der besonderen Art. Airbus und Boeing dürfen in Berlin auf Bestellungen der Fluggesellschaften in Milliardenhöhe hoffen.
Bei Anlegern steht die Branche ohnehin seit Langem hoch im Kurs. Die Aktien von vielen Fluglinien und Flugzeugherstellern haben regelrecht abgehoben. Besonders gut ist es in den vergangenen Jahren für die US-Fluggesellschaften gelaufen: Der Dow-Jones-US-Airlines-Index hat sich seit April 2012 verdreifacht. Kein Wunder, dass die Branche Rückenwind hat: Für die Fluggesellschaften sagt der Branchenverband IATA für 2014 weltweit einen Anstieg des Nettogewinns von 12,9 Milliarden auf 18,7 Milliarden Dollar voraus. Diese Entwicklung passt zum zuletzt verbesserten Branchenumfeld. Laut Airport Council International, Dachverband der Flughafenbetreiber, besteigen jede Sekunde 158 Passagiere ein Flugzeug - Tendenz steigend.
Aber auch Produzenten wie Airbus oder Boeing sind auf Rekordkurse vorgerückt. Und die Flugzeugbauer sitzen der Investmentbank Moss Adams Capital zufolge auf Bestellungen für 11 300 Flugzeuge; das ist ein Rekordhoch, die Kapazitäten sind damit für die nächsten acht Jahre ausgelastet.
Das klingt alles sehr verlockend - aber Anleger müssen relativ anspruchsvolle Aktienbewertungen bei der Titelauswahl berücksichtigen. So weisen Luft- und Raumfahrtaktien nach UBS-Daten einen Bewertungsaufschlag von zwölf Prozent zum marktbreiten US-Aktienindex S & P 500 auf. Zudem beurteilen einer Umfrage von Morgan Stanley zufolge im historischen Vergleich viele Investoren die Aussichten für Luftfahrtaktien außerordentlich positiv - dies könnte jedoch als Kontraindikator und damit als Warnsignal gesehen werden.
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Airlines: Attraktive Schnäppchen
Zudem gibt es eine Reihe branchenspezifischer Risiken. Dies sind nicht nur hausgemachte Probleme wie allzu ehrgeizige Expansionspläne, sondern auch externe Gefahren wie volatile Treibstoffpreise oder Terroranschläge.
Daher warnt UBS-Branchenanalyst Darryl Genovesi in einer Studie: "Aktien von Fluggesellschaften zu handeln kann für Ihr Vermögen gefährlich werden." Das hängt auch mit den schmalen Gewinnspannen der Fluglinien zusammen. So verdienen die Gesellschaften nach Berechnungen der IATA in diesem Jahr im Schnitt lediglich 5,65 Dollar pro Passagier.
Mit Stock-Picking sollte sich ein Investment in ausgewählte Branchenvertreter aber lohnen. Ratsam erscheint, Titel mit einer moderaten Bewertung zu bevorzugen.
Unter den Fluggesellschaften ist Air Canada ein Schnäppchen. Obwohl die kanadische Fluglinie den Heimatmarkt dominiert und bei Flügen in die USA die Nummer 1 ist, ist die Bewertung niedrig. So wird dem Titel, gemessen am Unternehmenswert zum operativen Gewinn, mit 4,4 nur ein Wert deutlich unter dem US-Branchendurchschnitt von 6,0 zugebilligt. Diese Kennziffer ist von zentraler Bedeutung, von Morgan Stanley befragte Marktbeobachter halten sie für die wichtigste bei Airline- Aktien.
Delta Airlines weist bei der Kennziffer mit einem Wert von 5,7 zwar nur einen kleinen Bewertungsvorteil auf, aber nach Einschätzung von Goldman Sachs hätte die US-Fluggesellschaft sogar eine Bewertungsprämie verdient. Für den Titel sprechen sinkende Kosten und Schulden sowie steigende Renditen. Zudem besteht Spielraum für steigende Dividenden und Aktienrückkäufe. Die derzeit robuste Verfassung hat das Unternehmen auch mit den Erstquartalszahlen bewiesen. Obwohl wetterbedingt durch Flugstreichungen Umsatzeinbußen von 90 Millionen Dollar entstanden, gelang es, im Jahresvergleich ein Gewinnwachstum auszuweisen.
Eine spannende Story hat auch Aegean Airlines zu bieten. Nach dem Zusammenschluss mit dem lokalen Wettbewerber Olympic Air profitiert die griechische Firma unter anderem vom wieder anziehenden Griechenland- Tourismus. In den ersten vier Monaten 2014 bescherte dies ein Passagierplus von 16 Prozent. Seit Mitte 2012 hat sich der Kurs zwar schon fast verachtfacht, der von den führenden Investmentbanken links liegen gelassene Titel weist aber trotzdem noch günstige Bewertungskennziffern auf: Das Kurs-Gewinn- Verhältnis (KGV) für 2014 beträgt 9,7, die Dividendenrendite voraussichtlich 4,7 Prozent.
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Komfortabel gestaltet sich auch die Lage für die Flugzeugbauer - und somit für die gesamte Zulieferkette. Der hauseigenen Prognose von Airbus zufolge soll die weltweite Passagierflugzeugflotte von 2013 bis 2032 um 109 Prozent wachsen. Nach Daten von JP Morgan sitzt Boeing derzeit auf Bestellungen für 5154 Flugzeuge, bei Airbus sind es sogar 5508 Flugzeuge. Dennoch sind die beiden führenden Flugzeugbauer derzeit nicht allererste Wahl für Anleger. Denn bei Boeing wie bei Airbus liegen die geschätzten KGVs derzeit nur beim historischen Durchschnitt.
Besser gefällt unter diesem Aspekt die Triumph Group. Der US-Hersteller von Fenstern, Cockpits, Klimaanlagen und Ersatzteilen für die Luftfahrt weist bei einem fürs Geschäftsjahr 2015/16 geschätzten KGV von 10,5 eine deutliche Bewertungsdifferenz gegenüber dem eigenen Zehnjahresdurchschnitt von 13,7 auf. Ein hoher Abschlag, der bei eingehaltenen Geschäftsprognosen mittelfristig abgebaut werden dürfte.
In Europa überzeugt der französische Rüstungs- sowie Luft- und Raumfahrtkonzern Thales mit einem moderaten KGV von 12,2 fürs Jahr 2014. Das Unternehmen verfügt über eine solide Bilanz. Ein laufendes Restrukturierungsprogramm eröffnet zudem die Chance auf steigende Gewinnmargen.
Vorteilhaft sind auch die Rahmendaten für die Flugzeug-Leasinggesellschaften. Derzeit werden bereits rund 40 Prozent der Weltflotte von Leasingfirmen an Fluggesellschaften vermietet. Marktprognosen halten im nächsten Jahrzehnt einen Anteil von mehr als 50 Prozent für möglich. Einer führenden Leasinggesellschaft wie Aercap Holdings wird dennoch für 2015 nur ein KGV von 10,6 zugestanden. Gemessen an dem von Analysten für die kommenden fünf Jahre erwarteten Gewinnwachstum lässt das Kursspielraum nach oben - ganz so, wie man es von einer Luftfahrtaktie denn auch als Anleger erwarten darf.
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