Die Mittelschicht in Asien wächst ungeachtet des Handelskonflikts zwischen China und den USA. Ein wesent­licher Teil dieser neuen gesellschaftlichen Mitte entfällt auf China. Neben der Luxusgüterbranche, bei der China über das vergangene Jahrzehnt für rund 75 Prozent des Wachstums verantwortlich war, wird künftig auch das Gesundheitswesen vom "neuen China" profitieren. Derzeit betragen die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben im Reich der Mitte weniger als 15 Prozent des europäischen Durchschnitts oder fünf Prozent der US-Ausgaben. Aber das dürfte sich rasch und deutlich ändern.

Denn infolge der Ein-Kind-Politik ist China stark vom demografischen Wandel betroffen. Das hat Folgen. Nach jüngsten Angaben der chinesischen Regierung sind die jährlichen Gesundheitsausgaben für einen über 65-Jährigen mit 1072 Renminbi pro Jahr mehr als dreimal so hoch wie für einen 25- bis 34-jährigen mit 326 Renminbi. Gleichzeitig ist bei chronischen Krankheiten ein deutliches Wachstum zu verzeichnen. Infolgedessen sind die Gesundheitsausgaben die am schnellsten wachsenden Pro-Kopf-Ausgaben in China. Dem starken Wachstum von jährlich zehn Prozent in den kommenden zehn Jahren steht jedoch ein verändertes regulatorisches Umfeld gegenüber, in dem viele Teile beweglich und damit schwer prognostizierbar bleiben.

Wie mit der Initiative "Made in China 2025" im Technologiebereich verfolgt die chinesische Regierung im Gesundheitssektor einen Plan. Sie möchte die Gesundheitsversorgung erschwinglich machen und qualitativ verbessern, indem sie diese zentralisiert und das System effizienter gestaltet sowie innovativen Produkten die Türen öffnet.

Der Preisdruck bei chinesischen Gesundheitsprodukten und -dienstleistungen ist hoch und spiegelt das hohe Volumen wider. Weitere Schwerpunkte der chinesischen Regierung sind die Förderung innovativer Arzneimittel und deren Qualität, eine schnellere Arzneimittelzulassung sowie die Verbesserung des Versicherungsschutzes von rund 1,3 Milliarden Einwohnern. Einzelne Teilbereiche des chinesischen Gesundheitswesens dürften von den Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung besonders profitieren.

So hat China die größte Diabetes­population der Welt, aber die Art und Weise der Behandlung von Patienten liegt etwa 20 Jahre hinter den USA zurück. Neuere Medikamentenformen wie SGLT-2, DPP-4 oder GLP-1 machen in den USA rund 40 Prozent des Diabetesmarkts aus, aber nur zwei Prozent in China. Eine Verbesserung der Versorgungsqualität könnte sich etwa für Novo Nordisk als weltweit führendem Anbieter von Diabetesprodukten auszahlen.

Eine selektive Aktienauswahl ist besonders wichtig


Der Bereich der privaten Krankenversicherungen ist eine weitere Möglichkeit, vom aufstrebenden chinesischen Gesundheitsmarkt zu profitieren. Derzeit macht der Bereich nur rund zwölf Prozent des gesamten chinesischen Versicherungsmarkts aus, aber er ist zwischen 2014 und 2018 mit einer jähr­lichen Wachstumsrate von 41 Prozent doppelt so stark gewachsen wie der Gesamtmarkt. Ping An als Marktführer bei Krankenversicherungen in China ist für die künftige Entwicklung sehr gut positioniert. Ihre Internetplattform Ping An Good Doctor nutzt die Affinität der Chinesen für digitale Lösungen. Mit über 200 Millionen registrierten Nutzern verzeichnet die Plattform rund 500.000 Anfragen täglich. Damit wird Ping An dazu beitragen, das chinesische Gesundheitssystem effizienter zu machen, indem es hilft, Ressourcen besser einzusetzen und Diagnosen zu verbessern.

Für Anleger, die sich für diesen Teilbereich des chinesischen Markts interessieren, gilt jedoch: Ein hohes Maß an Fragmentierung und Wettbewerb im Gesundheitswesen, ein sich stetig änderndes regulatorisches Umfeld, die Gefahr der Substitution durch westliche Pharmaunternehmen und eine geringe Anzahl chinesischer Pharmaunternehmen, die durch F & E-Ausgaben erfolgreich im Wettbewerb stehen, wie etwa das biopharmazeutische Unternehmen 3SBIO, machen eine selektive Aktienauswahl chinesischer Gesundheits­aktien besonders wichtig.

Kurzvita

Baijing Yu und Jasmine Kang

Portfoliomanager Comgest
Baijing Yu arbeitet seit 2011 als Portfolio­managerin und Analystin für Comgest in Hongkong. Seit 2014 ist sie Co-Lead Portfolio Manager der Strategie Greater China. Ihr ­Studium absolvierte sie an der University of ­Michigan. Jasmine Kang arbeitet seit 2014 ebenfalls als Portfoliomanagerin und Analystin für Comgest in Hongkong. Sie ist seit 2015 Co-Leader der Strategie Greater China und Absolventin der Shanghai University of Finance and Economics.