Trotz großer Ambitionen spielt der deutsche Branchenprimus international nur im Mittelfeld. Was das für die Deutsche Bank und für die Deutsche Bank-Aktie bedeutet. Von Wolfgang Ehrensberger
Die Deutsche Bank hat im ersten Halbjahr einen vergleichsweise hohen Nettogewinn von 2,4 Milliarden Euro erzielt – soviel wie zuletzt 2011. Doch im internationalen Vergleich spielt das größte deutsche Geldhaus bestenfalls im Mittelfeld – obwohl die Bank stets den Anspruch vor sich herträgt, zu den international führenden Geldhäusern zu gehören.
Eine aktuelle Studie der Beratungsfirma EY zeigt die immensen Unterschiede, insbesondere auch zwischen europäischen Geldhäusern und den großen US-Banken. So verdienten die US-Branchenriesen J. P. Morgan und Bank of America im ersten Halbjahr mit 16,1 beziehungsweise 12,7 Milliarden Euro im zweistelligen Milliardenbereich. In den Top Five der US-Banken könnte sich aus Europa lediglich die britische HSBC mit 8,5 Milliarden Euro behaupten.
Netto-Gewinn der größten US Banken, 1. Halbjahr 2022 (Mill. Euro)
1. J.P. Morgan 16196
2. Bank of America 12736
3. Fannie Mae 8668
4. Citigroup 8469
5. Goldman Sachs 6568
Netto-Gewinn der größten europäischen Banken, 1. Halbjahr 2022 (Mill. Euro)
1. HSBC 8528
2. BNP Paribas 5285
3. Santander 4894
4. UBS 4060
5. Barclays 3358
…. 8. Deutsche Bank 2438
Die Unterschiede zwischen europäischen und US-Banken beziehen sich nicht nur auf die absolute Höhe des Gewinns. Auch bei Eigenkapitalrentabilität (11,9 Prozent im ersten Halbjahr 2022, nach 17,0 Prozent im Vorjahreszeitraum) liegen die US-Banken deutlich vor den Europäern (8,2 nach 8,8 Prozent). Ebenso beim Börsenwert, der sich bei den US-Häusern um 18 Prozent auf 1,2 Billionen Euro reduzierte. Bei den Europäern ging er im ersten Halbjahr um 20 Prozent auf knapp 400 Milliarden Euro zurück.
Deutsche Bank: Tatsächlich abgehängt?
Die absolute Höhe des Halbjahresgewinns zeigt Größenunterschiede, aber sie ist natürlich kein Maßstab für eine Investmententscheidung. Mit 2,4 Milliarden Euro hat das die Deutsche Bank wie bereits erwähnt das beste Halbjahresergebnis seit einem Jahrzehnt erzielt. Die Bank kommt beim Umbau voran und ist auf einem guten Weg, ihre Erlösziele für 2022 zu erreichen, wie sie zuletzt bekräftigte. Vor allem im Investmentbanking und insbesondere im Geschäft mit Anleihen und Währungen sprudelten zuletzt noch die Gewinne, und das Institut profitiert auch von den Zinsanhebungen der Notenbanken. Finanzchef James von Moltke bezifferte kürzlich den positiven Erlöseffekt, der sich allein aus den Zinsanhebungen der Notenbanken ergibt, auf 700 Millionen Euro. Gleichwohl warnte von Moltke, dass im kommenden Jahr schwierige Zeiten auf Privathaushalte und Unternehmen zukämen, was sich auch in den Ergebnissen der Bank niederschlagen werde.
Obwohl die Zeiten damit auch für das größte deutsche Geldhaus nicht einfacher werden, empfehlen einige Analysten die Deutsche-Bank-Aktie immer noch zum Kauf. Die US-Bank Goldman Sachs beispielsweise hält das größte deutsche Geldhaus gemessen am Potenzial für unterbewertet. Goldman-Sachs-Analyst Chris Hallam erwartet weitere positive Zinseffekte, die Deutsche-Bank-Aktie zähle zu seinen besten Anlageempfehlungen, sagt Hallam. Boerse-online.de empfiehlt, die Veröffentlichung der Quartalszahlen und insbesondere den Ausblick am 26.10. abzuwarten.