Deutschlands Bevölkerung wird immer älter. Damit steigt auch die Zahl der Menschen, die an Demenz oder anderen Erkrankungen leiden. Oft können sie ihren Alltag allein nicht mehr bewältigen und sind auf die Hilfe Dritter angewiesen. Die Corona-Krise verstärkt die soziale Isolation vieler Menschen. Die Folge: Viele sind einsam und vermissen eine Bezugsperson in ihrem Leben. Für Erbschleicher sind dies ideale Rahmenbedingungen. Betrüger suchen ihre Opfer vorrangig unter alleinstehenden und hilfsbedürftigen Menschen. Sie erschleichen sich ihr Vertrauen und machen sie emotional abhängig. Betroffene Familien sollten die betrügerischen Maschen und die Rechtssituation kennen, um gegensteuern zu können.

Betrüger gehen oft nach dem gleichen Prinzip vor. Erst gewinnen sie das Vertrauen der Person, dann machen sie sich unentbehrlich und schirmen den Erblasser von seinem sozialen Umfeld ab. Sie äußern sich oft negativ über Angehörige, um das Vertrauen in sie zu schwächen. Im nächsten Schritt wirken Betrüger bei allen Entscheidungen mit und fungieren mitunter als Sprachrohr der betroffenen Personen. Sie kümmern sich zunehmend auch um finanzielle Belange und lassen sich eine Vorsorgevollmacht ausstellen. Letztlich drängen Erbschleicher ihre Opfer, sie als Erben einzusetzen, womöglich auch durch Adoption oder Heirat. Andernfalls drohen sie damit, den Kontakt abzubrechen.

Erbschleicher machen sich auch die rechtlichen Freiheiten rund um das Erbe zunutze. Der deutsche Gesetzgeber räumt Erblassern eine nahezu unbeschränkte Testierfähigkeit ein. Das heißt: Sie können frei entscheiden, wer was erben soll. Sogar eine Person, die womöglich zeitweise geschäftsunfähig ist, kann testamentarisch über ihr gesamtes Vermögen verfügen. Geschädigte Verwandte tragen die Beweislast und müssen die manipulative Einflussnahme von Dritten nachweisen. Sie müssen bei Verdacht auf Erbschleicherei belegen, dass der Vererbende die Folgen des Testaments nicht absehen konnte. Dies erweist sich im Nachhinein als sehr schwierig. Deshalb sollten Angehörige alle auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers und einflussnehmender Personen unverzüglich und gründlich dokumentieren. Dazu zählen etwa das Verfassen verschiedener Testamente innerhalb eines kurzen Zeitraums, die Beauftragung eines Notars durch Dritte oder versprochene Gegenleistungen bei einer Berücksichtigung Dritter im Testament.

Nur wenn der Erblasser nachweislich testierunfähig ist oder war, gilt das Testament als unwirksam. Es gibt keine Krankheitsbilder, die automatisch zu einer Testierunfähigkeit führen. Maßgeblich sind immer der Einzelfall und die Frage, in welchem gesundheitlichen Zustand der Erblasser bei Abfassung des Testaments war. In der rechtlichen Praxis hat sich ein zweistufiges Verfahren etabliert: Zunächst wird geprüft, ob eine geistige Störung vorliegt, dann wird ermittelt, ob eine festgestellte geistige Störung die Einsichts- und Handlungsfähigkeit mindert. Es ist allerdings schwer, die Testierunfähigkeit nachzuweisen.

Auch wenn die Angehörigen berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit eines Testaments haben, dürfen sie zu Lebzeiten des Erblassers keine Klage einreichen. Dies begründet sich unter anderem darin, dass der Vererbende ein Recht hat, zu Lebzeiten nicht mit einem Prozess über seine Testierfähigkeit konfrontiert zu werden, und die potenziellen Erben nur eine Erwerbschance und keinen einklagbaren Anspruch haben. Erst nach Eintritt des Erbfalls steht der Gerichtsweg offen.

Vererbende sollten auch selbst aktiv werden, rechtlichen Rat einholen und die Nachlassplanung frühzeitig vornehmen. So haben sie mehr Gestaltungsoptionen und das gute Gefühl, das eigene Erbe nach ihren ganz persönlichen Vorstellungen geordnet und gesichert zu haben. Idealerweise werden die Nachkommen eingebunden, damit für alle Beteiligten Klarheit herrscht.

 


Über Björn Krämer

Krämer ist promovierter Rechtsanwalt und bei der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Kapitalmarkt- und Erbrecht. BKL Fischer Kühne + Partner ist eine führende Spezialkanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht, Erbrecht und Vermögensnachfolge, Steuer- und Steuerstrafrecht, Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht und an den Standorten Bonn, München und Pforzheim vertreten.