Philipp Vorndran, Kapitalmarktexperte der Flossbach von Storch AG
1) Das Verhältnis zwischen der Nato und Russland hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch abgekühlt. Rechnen Sie in den kommenden Monaten mit einer Entspannung oder einer weiteren Zuspitzung?
Das frostige Verhältnis und die Sanktionen dürften bis auf weiteres andauern.
2) Was bedeutet diese geopolitische Entwicklung für den Goldpreis?
Der Konflikt dürfte keinen Einfluss auf den Goldpreis haben.
3) Zuletzt hat der Goldpreis mehrfach bei 1150 Dollar einen Boden gebildet. Hat das Edelmetall sein Tief erreicht?
Das ist kurzfristig nicht seriös zu beantworten. Langfristig dürfte der Goldpreis deutlich höher notieren.
4) Welche Anlageklasse sollten Gold-Anleger bevorzugen: Aktien, Fonds, ETFs, Derivate oder physisches Gold?
Gold-Anleger sollten physisches Gold bevorzugen.
5) Wie hoch sollte der Anteil von Gold im Depot sein?
Der Gold-Anteil im Depot sollte ca. zehn Prozent betragen.
6) Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2015 und wo Mitte 2016?
Der Goldpreis dürfte leicht höher notieren - in Euro.
Auf Seite 2: Robert Halver
Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank
1) Das Verhältnis zwischen der Nato und Russland hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch abgekühlt. Rechnen Sie in den kommenden Monaten mit einer Entspannung oder einer weiteren Zuspitzung?
Die Situation in diesem geopolitischen Konflikt ist verfahren, er wird uns noch lange beschäftigen. Leider muss man sogar feststellen, dass es wieder nach Kaltem Krieg riecht. Denn die Positionen haben sich auf beiden Seiten so verhärtet, dass gesichtswahrende Kompromisse nur schwierig zu erreichen sind. Die hybride Kriegsführung Putins ist ein neues Phänomen: Offiziell ist Russland nicht involviert, aber im Hintergrund wird von Putin gezündelt und militärische Unterstützung gewährt. Diese Methode, die bereits in der Ukraine zur Anwendung gekommen ist, wäre auch in den baltischen Staaten praktizierbar. Auch dort gibt es starke russische Minderheiten. Das könnte den Nato-Bündnisfall ausrufen. Westliche Waffenlieferungen an die Ukraine würden Putin ein willkommenes Alibi für die Besetzung der Ukraine insgesamt liefern. Dann würde der Kalte Krieg heiß. Die weitere Einschätzung ist schwierig. Es bleibt zu hoffen, dass die Krawallschläger auf beiden Seiten in der Minderheit bleiben. Der Westen ist gut beraten, europäische Politiker in dieser heiklen Mission an die diplomatische Front zu schicken. Sie sind feinfühliger. Grundsätzlich ist vorerst nicht mit mehr als der augenblicklich stabilen Seitenlage zu rechnen.
2) Was bedeutet diese geopolitische Entwicklung für den Goldpreis?
Der Goldpreis hat bislang auf den geopolitischen Schwelbrand kaum reagiert. Bliebe es bei der stabilen Seitenlage, gäbe es geopolitisch wenig Grund für eine Höherbewertung von Gold. Bei einer Befriedung des Konflikts gäbe es aber ebenso keinen Grund für eine preisliche Rückstufung. Erst bei einer weiteren Eskalation würde der Goldpreis als Krisenwährung, als sicherer Hafen steigen.
3) Zuletzt hat der Goldpreis mehrfach bei 1150 US-Dollar einen Boden gebildet. Hat das Edelmetall sein Tief erreicht?
Die Marke von 1.150 US-Dollar ist eine starke Unterstützung. Sie hat gehalten, obwohl nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Zentralbanken zuletzt kein Gold mehr gekauft haben. Auch die Diskussion über eine Leitzinswende in den USA - Zinsrestriktionen sind der natürliche Feind von Gold - konnte Gold nicht wirklich etwas anhaben. Im Gegenteil, die zukünftige US-Zinswende wird nicht wie in früheren Zinserhöhungszyklen wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt über uns kommen, sondern eher als Zahnreinigung, deren Schmerz schnell nachlässt. Im Übrigen stellt alternativ die Liquiditätsschwemme der Bank of Japan und der EZB so etwas wie die Lebensversicherung für den Goldpreis dar. Die Notenbanker sind sozusagen die Schutzpatrone für Edelmetalle. Überhaupt, die Liquiditätsschwemme sorgt für mangelnde bzw. sogar keine Renditen für die größte Alternativanlageklasse "Zinsvermögen". Das stützt Gold zusätzlich. Denn das lange vorgeschobene Argument, Gold zahle keine Zinsen, ist damit vom Tisch.
4) Welche Anlageklasse sollten Gold-Anleger bevorzugen: Aktien, Fonds, ETFs, Derivate oder physisches Gold?
Die Anleger, die auf Gold setzen wollen, sollten Aktien entweder in Aktienform - Einzelaktien, Fonds, ETFs - erwerben oder als sachkapitalistischste aller Anlageklassen in physischer Form. Wenn man schon die Sicherheit von Gold mit seiner Werterhaltungsfunktion haben will, dann doch in direkter unverblümter Form und nicht als Surrogat. Für die Absicherung des Goldpreises sind derivate Finanzinstrumente jedoch grundsätzlich gut.
5) Wie hoch sollte der Anteil von Gold im Depot sein?
Mir persönlich ist die sachkapitalistische Sicherheit von Gold als Anteil an meinem Geldvermögen - nicht Gesamtvermögen - mindestens 10 Prozent wert.
6) Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2015 und wo Mitte 2016?
Unter Annahme, dass der geopolitische Konflikt um die Ukraine nicht eskaliert, steht Gold Ende 2015 bei ca. 1250 und Mitte 2016 bei 1350 US-Dollar. Das mag nicht viel sein. Hintergrund ist, dass wir zurzeit Zeuge der größten Rettungsaktion der Finanzsysteme und der massivsten künstlichen Befruchtung der Konjunktur über viel und billiges Geld werden. Da kann man keine Konkurrenzwährung in Form von Gold gebrauchen, die die Wirkung der geldpolitischen Rettungsmission von Fed, EZB oder Bank of Japan vereiteln könnte. Im Revier der Geldpolitik ist Gold unerwünscht. Man ist kein Schelm und kein Verschwörungsanhänger, wenn man Notenbanken unterstellt, den Goldpreis über die Terminmärkte zumindest indirekt zu drücken. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Da aber Notenbanken aber zu den von ihnen selbst subventionierten Preisen ihre Goldreserven kräftig erhöht haben, weiß auch der private Anleger, was die Stunde geschlagen hat. Die Botschaft ist: Auch Zentralbanken vertrauen längerfristig auf Gold. Wenn das kein Wink mit dem Zaunpfahl ist.
Dennoch, bei Gold geht es weniger um kurzfristige Kursmaximierung, sondern um die langfristige Werterhaltungsfunktion. Denn für die ungehemmte Rettung der Finanz- und Konjunkturwelt über Schuldenfrönerei mit geldpolitischem Segen werden wir irgendwann die Rechnung erhalten. Volkswirtschaften, in dem einem ohne Reformaktivitäten wie im Schlaraffenland die gebratenen Tauben in den Mund fliegen, haben noch nie lange funktioniert. Dann wird man über Gold als eine sachkapitalistische Anlageklasse neben Aktien noch sehr dankbar sein. Bei Gold zählt der langfristige Besitz, nicht die kurzfristige Rendite.
Da Gold auf US-Dollar-Basis notiert wird, und der Euro die Parität 1:1 zum US-Dollar anstrebt, macht man als Anleger aber immerhin über die Währungsgewinne Punkte gut.
Auf Seite 3: Max Otte, Fondsmanager
Max Otte, Fondsmanager
1) Das Verhältnis zwischen der Nato und Russland hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch abgekühlt. Rechnen Sie in den kommenden Monaten mit einer Entspannung oder einer weiteren Zuspitzung?
Leider machen die USA und ihre Verbündeten alles, um das Verhältnis angespannt zu lassen.
2) Was bedeutet diese geopolitische Entwicklung für den Goldpreis?
Eigentlich müsste er steigen.
3) Zuletzt hat der Goldpreis mehrfach bei 1150 US-Dollar einen Boden gebildet. Hat das Edelmetall sein Tief erreicht?
Ich hoffe, schon.
4) Welche Anlageklasse sollten Gold-Anleger bevorzugen: Aktien, Fonds, ETFs, Derivate oder physisches Gold?
Physisches Gold ist die Basis, weil man darüber persönlich verfügen kann. Das ultimative Krisenasset. Goldaktien stellen einen Hebel auf den Goldpreis ohne verfalldatum dar. Es sind aber Aktien und es ist kein Gold. D.d., die Depots können z.B. gesperrt werden.
5) Wie hoch sollte der Anteil von Gold im Depot sein?
Mindestens 10 Prozent, für sehr sicherheitsbewusste Menschen auch etwas mehr.
6) Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2015 und wo Mitte 2016?
Ich mache keine kurz- und mittelfristigen Prognosen. Aber ein deutlicher Anstieg würde mich nicht überraschen.
Auf Seite 4: Martina Fischer
Martina Fischer, Head of Market Intelligence bei Heraeus
1) Welche Faktoren haben das Geschehen am Goldmarkt zuletzt dominiert - mit welchen Folgen für den Goldpreis?
In den vergangenen Wochen dominierten die Situation in Griechenland und die geldpolitische Entwicklung in den USA das Geschehen am Goldmarkt. In den USA erholt sich die Konjunktur und für den weiteren Jahresverlauf deuten sich erste Zinserhöhungen an In der Euro-Zone hingegen hat die EZB begonnen, über ihr Anleihekaufprogramm den Märkten weiterhin in großem Umfang Liquidität bereitzustellen. Beide Entwicklungen hatten zur Folge, dass der US-Dollar gegenüber den wichtigsten Währungen deutlich an Wert gewinnen konnte, was traditionell den Goldpreis belastet. Hinzu kommt, dass steigende US-Zinsen für den Goldanleger höhere Opportunitätskosten bedeuten, was ein Edelmetallinvestment entsprechend unattraktiver macht.
2) Zuletzt hat der Goldpreis mehrfach bei 1150 US-Dollar einen Boden gebildet. Hat das Edelmetall sein Tief erreicht?
Kurzfristig hat der Goldpreis bei 1150 US-Dollar einen ersten Boden erreicht. Von hier aus folgte ein deutlicher Anstieg bis auf aktuell knapp 1200 US Dollar je Unze. Auslöser für den Anstieg waren Kommentare der US-Notenbank-Präsidentin Janet Yellen. Sie bekräftigte zwar grundsätzlich die Bereitschaft für Zinsanhebungen, drückte sich jedoch zurückhaltend über den Umfang und das Tempo aus. Der Dollar verlor daraufhin genauso an Wert wie die Anleiherenditen - der Goldpreis legte in Folge deutlich zu. Wir betrachten das jedoch nicht als grundsätzlichen Stimmungsumschwung und schließen daher auch nicht aus, dass das Metall noch in diesem Jahr die Marke von 1.100 Dollar je Unze testen wird.
3) Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2015 und wo Mitte 2016?
Für das Jahresende erwarten wir, dass der Goldpreis wieder in der Nähe des aktuellen Niveaus von 1.200 Dollar je Unze handeln wird. Bis Mitte 2016 könnte der Preis bis auf 1.100 Dollar fallen, wenn sich die konjunkturelle Erholung in den USA fortsetzt und die US-Notenbank ihren Kurs beibehält. Für Anleger in der Eurozone ist die Entwicklung des Goldpreises in Dollar jedoch nur eine Seite der Medaille. Hier spielt auch das Verhältnis zwischen US-Dollar und Euro eine entscheidende Rolle. Das macht ein Vergleich der Goldpreisentwicklung seit Jahresanfang deutlich: Während der Metallpreis in US-Dollar nahezu unverändert ist, konnte er in Euro knapp 30% zulegen.
Auf Seite 5: Der Commerzbank-Rohstoff-Spezialist Eugen Weinberg
1) Herr Weinberg, das Verhältnis zwischen der Nato und Russland hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch abgekühlt. Was bedeutet diese geopolitische Entwicklung für den Goldpreis?
In den letzten Jahren ist die Funktion von Gold als sicherer Hafen etwas "in Verruf geraten". Das lag aber wohl vor allem an der Tatsache, dass die Handlungen der Zentralbanken die Risikoappetit der Anleger befeuerte und die Nachfrage nach Gold als Sicherheit reduziert haben. Man sieht aber auch an der heftigen positiven Reaktion von Gold auf die aktuelle Situation in Jemen, dass Gold diesen Status nicht verloren hat. Sollte es an der Börse wieder "turbulenter" hergehen, wird es dem Goldpreis auf die Beine helfen.
2) Zuletzt hat der Goldpreis mehrfach bei 1150 US-Dollar einen Boden gebildet. Hat das Edelmetall sein Tief erreicht?
Ich gehe von den stabilen bis leicht steigenden Preisen aus sowohl in US-Dollar als auch in Euro gerechnet. Zum Jahresende dürfte der Goldpreis auf 1250 USD je Unze steigen, in Euro wird der Preisanstieg stärker ausgeprägt, weil wir von einer latenten Euro-Schwäche gegenüber dem US-Dollar ausgehen. Die Erwartungen steigender Zinsen in den USA dürften bereits in den heutigen (relativ niedrigen) Preisen berücksichtigt sein ebenso wie die steigenden Aktienmärkte. Bei den Goldpreisen in Euro sehen wir eine starke Parallelität zwischen der EZB-Bilanzsumme, d.h. der Liquidität im Eurosystem, und dem Goldpreis in Euro. Wird nun die EZB wie angekündigt monatlich Anleihen in Wert von 60 Mrd. Euro kaufen, ist auch der Weg für den Goldpreis nach oben frei.
3) Welche Anlageklasse sollten Gold-Anleger bevorzugen: Aktien, Fonds, ETFs, Derivate oder physisches Gold? Warum?
Das bleibt letztendlich jedem Anleger überlassen. Auch die Frage, ob die Anleger lieber zu Gold in physischer Form oder eher zu Zertifikaten greifen sollten. Denn alle Anlagen und Anlageformen haben ihre Nach- und Vorteile. Allerdings sollten die Anleger berücksichtigen, dass sich die physischen Goldanlagen von den Gold-Zertifikaten oder Goldminenaktien gründlich unterscheiden. Die Unterschiede liegen sowohl in der Verfügbarkeit und der Zielsetzung der Anlage - Werterhalt ggü. Ertragschance - als auch insbesondere im Verhalten in den Krisenzeiten. Während der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise in 2008-2009 sind die Goldpreise gestiegen, während die Goldminenaktien stark gelitten haben.
4) Wie hoch sollte der Anteil von Gold im Depot sein?
Wir sind allerdings überzeugt, dass Gold in einem Portfolio mit guter Risikostreuung nicht fehlen sollte. Für einen "Durchschnittsanleger" sollte ein Anteil von füf bis zehn Prozent im Portfolio ausreichen. Denn die primäre Rolle des Goldes ist nicht der Mehrertrag, sondern eine Absicherungsfunktion, die mit diesem Anteil optimal abgedeckt werden kann.
5) Wo erwarten Sie den Goldpreis Ende 2015 und wo Mitte 2016?
Bei 1250 US-Dollar bzw. 1200 Euro Ende 2015 und bei 1300 US-Dollar bzw. 1300 Euro Mitte 2016.