Auf Sicht eines Jahres kommt Gold trotzdem noch immer auf ein Plus von rund 21 Prozent. Angesichts der Schwäche der vergangenen Wochen stellen sich aber dennoch wieder einmal viele Gold-Investoren die Frage, wie es nun mittel- kurz- und langfristig mit dem Edelmetall weitergehen dürfte. Um etwas Licht ins Dunkel zu bringen, hat sich BÖRSE ONLINE die aktuellen Analystenschätzungen zum Gold angesehen. Untenstehend lesen Sie, was sieben Research-Häuser derzeit über Gold und dessen weiteren Aussichten denken.
Raiffeisen Research: Goldpreis-Korrektur - rascher als erwartet
Bei Raiffeisen Research hat man die jüngste Preisentwicklung zum Anlass für ein Update zur Einschätzung von Gold genutzt. In einem Bericht heißt es, nachdem man im Herbst letzten Jahres nach einer langen Durststrecke recht bullish für den Goldpreis geworden und das auch für mehrere Quartale geblieben sei, habe man den Ausblick im September gedreht.
Vor dem Hintergrund bereits sehr aggressiver US-Zinssenkungserwartungen des Marktes (bereits zu viel Positives eingepreist) und mit der Aussicht auf eine Erholung von "Risky Assets" und in weiterer Folge auch der Konjunktur 2020 sei man von einer deutlichen Korrektur des Goldpreises in den kommenden Quartalen ausgegangen. Dieser Ausblick habe sich prinzipiell nicht geändert.
Allerdings scheint laut Analyst Valentin Hofstätter die Goldpreis-Korrektur vor dem Hintergrund starker Aktienmärkte (und eines zuletzt kräftigen Anstiegs der US-Anleiherenditen, den man in dieser Form so schnell nicht erwartet hatte) bereits früher ins Laufen zu kommen. Zwar sei der volatile Goldpreis jederzeit für kurzfristige Anstiege gut, falls es zum Beispiel zu einer neuerlichen Eskalation im Handelsstreit USA/China, massiv schwächeren US-Wirtschaftsdaten oder politischen Turbulenzen komme.
Die hauseigene Einschätzung, dass in den kommenden Monaten und Quartalen die Abwärtsrisiken für den Goldpreis weiterhin überwiegen, habe sich aber nicht geändert (insbesondere Ende der geldpolitischen Lockerungen in 2020, Stabilisierung der ersten Konjunktur-Vorlaufindikatoren gefolgt von Konjunkturverbesserung während 2020, starke Entwicklung der meisten "Risky Assets").
Raiffeisen Research passt daher dementsprechend die Quartalsprognosen für den Goldpreis nach unten an, um trotz der jüngsten (rascheren) Abwärtsbewegung genug Spielraum in unseren Prognosen nach unten zu haben. Zwar bleibe eine (kleine) Gold-Beimischung eine gute Absicherung gegen extremere Risiko-Szenarien und insbesondere gegen eine (von Hofstätter auf absehbare Zeit aber nicht erwartete) US-Rezession (in der nächsten US-Rezession erwartet man unverändert einen Goldpreis von über 2.000 Dollar). Man geht aber weiterhin davon aus, dass die nächste zyklische Konjunkturverbesserung 2020/21 wieder bessere Einstiegsniveaus für den Goldpreis bieten werde. Die konkreten Prognosen sind der nachfolgenden Grafik zu entnehmen.
Sentix: Gold-Konsolidierung geht in die nächste Phase
Auch die Experten bei der Sentix GmbH, einem Beratungsunternehmen, das darauf spezialisiert ist, in Echtzeit Auskunft zum Anlegerverhalten und zur Anlegerpsychologie zu liefern, verweist man darauf, bereits seit mehr als zwei Monaten die Notwendigkeit einer Konsolidierung des Goldpreises betont zu haben.
Auch wenn das strategische Vertrauen hoch sei, die Positionierung der Anleger sei selbst für dieses Bias zu hoch gewesen. Nun erleide das Grundvertrauen einen spürbaren Rückschlag. Die Anleger witterten eine Konjunkturerholung und die Zinsen stiegen. Das sei kurzfristig wohl zu viel für das gelbe Edelmetall und die Konsolidierung gehe so in die nächste Phase.
Insgesamt stünden die Zeichen beim Gold auf eine Fortsetzung der laufenden Konsolidierungsphase. Denn der Strategische Bias kippe deutlich ab, die Gold-Positionierung dagegen verharre noch immer auf hohen Niveaus. Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner wäre vor diesem Hintergrund nicht überrascht, wenn es nun - gegen Ende der Konsolidierung - zu den deutlichsten Kursverlusten und Positionsanpassungen käme.
Commerzbank: Bekommen die Gold-ETF-Anleger jetzt kalte Füße?
Vor dem Hintergrund kräftiger ETF-Abflüsse am vergangenen Freitag, als die von Bloomberg erfassten Gold-ETFs Abgaben im Volumen von 13,6 Tonnen verzeichneten, stellt man sich bei der Commerzbank die Frage, ob die Gold-ETF-Anleger jetzt kalte Füße bekommen. Zumal auch an diesem Dienstag die Gold-ETFs mit 11,4 Tonnen den zweiten großen Abfluss innerhalb weniger Tage hinnehmen mussten. Jedenfalls sei es so, dass die Verkäufe der Gold-ETF-Anleger momentan den Preis in Schach hielten.
Dagegen hätten sich die spekulativen Finanzinvestoren bei Gold noch nicht zurückgezogen. Laut CFTC-Statistik hätten sie ihre Netto-Long-Positionen in der Woche zum 5. November nur unwesentlich reduziert. Der erste Preisrutsch von Gold in der Vorwoche könne damit nicht auf die spekulativen Anleger zurückgeführt werden. Bei Silber seien die Netto-Long-Positionen dagegen etwas deutlicher abgebaut, wie Analyst Daniel Briesemann berichtet.
Preisbelastend hat sich nach Erachten der Commerzbank zuletzt unter anderem auch ausgewirkt, dass im Zuge des jüngsten Zinsanstiegs wieder deutlich mehr Anleihen eine positive Rendite aufweisen, was die Attraktivität von Gold als zinslose Anlage schmälert. Laut einer Bloomberg-Datenreihe rentierten zu Wochenbeginn weltweit noch Anleihen mit einem Volumen von 11,6 Billionen Dollar negativ. Auf dem Höhepunkt Ende August seien es etwas mehr als 17 Billionen Dollar gewesen. In Anbetracht dieser Entwicklung kann man laut Commerzbank schon fast sagen, dass sich Gold noch relativ gut gehalten hat.
Heraeus Precious Metals: China stoppt den Goldkauf im Oktober
Bei Heraeus Precious Metals stellt man fest, dass im dritten Quartal ein Einbruch der weltweiten Nachfrage nach Goldschmuck um 16 Prozent auf 460,9 Tonnen zu verzeichnen gewesen sei. Dem World Gold Council zufolge wies das dritte Quartal damit den schwächsten Absatz seit über neun Jahren auf.
Allein in Indien - auf das normalerweise mehr als ein Viertel der weltweiten Nachfrage nach Goldschmuck entfalle, sei die Nachfrage verglichen mit dem Vorjahr um 32 Prozent auf 101,6 Tonnen gefallen (siehe nachfolgende Grafik). Die schlechte Verbraucherstimmung ist laut dem deutschen Anbieter von Edelmetallservices und -produkten neben dem hohen Goldpreis auch auf eine ausgeprägte Monsunzeit mit starken Regenfällen zurückzuführen.
In China, wo die Nachfrage um 14 Prozent auf 164,4 Tonnen nachgegeben habe, sei ein ähnlicher Trend zu beobachten. Die Verbraucher kauften hier vor allem Stücke mit einem geringeren Feingewicht wie beispielsweise 3D-Gold. Angesichts der bereits zu Beginn der Festivalzeit schleppenden Verkäufe in diesem Quartal müsste sich der Absatz um mehr als 30 Prozent erholen, um den Vorjahresverbrauch zu erreichen, was unwahrscheinlich sein dürfte.
Auch schlage sich eine höhere Risikobereitschaft der Investoren negativ auf den Goldpreis nieder. In den Verhandlungen zwischen den USA und China über den bilateralen Handel seien vergangene Woche Fortschritte erreicht worden, was die Stimmung an den Aktienmärkten verbessert habe: An den US-Börsen seien Rekordstände erreicht worden. Gold hingegen habe die infolge der Zinssenkung durch die Fed erzieltenKursgewinne wieder abgegeben und notiere unterhalb von 1.480 Dollar je Feinunze. Die veränderte, risikofreudigere Anlegerstimmung deute kurzfristig auf ein Abwärtsrisiko für den Goldpreis hin.
UBS: China stoppt den Goldkauf im Oktober
Auch UBS-Strategin Joni Teves hält fest, dass der Goldmarkt zuletzt von einer veränderten Nachrichtenlage geprägt gewesen sei. Der Preis habe dabei zuletzt in einer relativ engen Spanne unter 1.500 Dollar je Feinunze gehandelt, da die Marktteilnehmer weiterhin auf die Entwicklungen der Handelsgespräche zwischen China und den USA achten würden. Der Optimismus, dass zumindest ein "Phase One"-Deal erreicht werden könne, halte Goldpreis seit einiger Zeit im Zaum.
Zusammen mit einem Anstieg der US-Zinsen inmitten einer positiven Risikostimmung habe das den Goldpreis unter die Marke von 1.500 Dollar gedrückt, da es Anzeichen für eine Annäherung an einen US-China-Deal gebe, der möglicherweise eine Rücknahme der Zölle beinhalte. Zu Gunsten von Gold sei aber zu erwähnen, dass die Preise nicht sehr deutlich gesunken seien.
Laut Tevis spiegelt dies die Zweifel der Anleger und eine gesunde Portion Skepsis angesichts der hohen Unsicherheit und der undurchsichtigen Verhandlungen wider. Gleichzeitig bestehe bei einer weiteren Annäherung zwischen den USA und China im besagten Handelskrieg das Risiko, dass dies nachhaltig auf dem Goldpreis lastet, falls es dazu tatsächlich kommen sollte.
Losgelöst macht Tevis darauf aufmerksam, dass China seine offiziellen Goldreserven im Oktober nicht erhöht und die Bestände bei 1.948 Tonnen gehalten hat. Dies sei die erste Pause seit der Wiederaufnahme der Käufe im Dezember letzten Jahres und schließe sich an ein bereits in den vergangenen beiden Monaten auf etwa die Hälfte verlangsamtes Kauftempo an.
Damit gehe die Frage einher, ob China die offiziellen Goldreserven weiter erhöhen wird oder nicht? Für Tevis ist es derzeit schwierig, das allgemein zu beantworten. Schlüsse zum jetzigen Zeitpunkt könnten sich rückblickend als voreilig erweisen. Allerdings ist man bei der UBS von der eingelegten Pause etwas überrascht, wenn man bedenke, dass sich der Yuan-Kurs erholt habe und die Devisenreserven im Oktober wieder gestiegen seien.
Für Tevis macht ein Monat noch keinen Trend und die Aktivitäten in den folgenden Monaten sollte dabei helfen zu beurteilen, wie die weitere Vorgehensweise der chinesischen Zentralbank zu beurteilen ist. Der jüngste Phase der Goldkäufe durch die chinesische Zentralbank habe etwa zehn Monate gedauert. Dabei seien etwa 106 Tonnen gekauft worden.
Tevis erinnert daran, dass die Goldkaufphase zuvor, die zwischen 2015 und 2016 zu registrieren gewesen sei, sich über insgesamt 16 Monate erstreckt habe (siehe Grafik). Nach zehn Monaten sei es damals zu einer kurzen Kaufpause gekommen, bevor anschließend noch einmal für fünf Monate gekauft wurde. Dabei verlangsamte sich das damals Kauftempo ebenfalls spürbar, bevor die Käufe für einen längeren Zeitraum ganz zum Stillstand gekommen seien.
Capital Economics: Überdurchschnittliche Performance der Edelmetalle wahrscheinlich vorbei
Oliver Jones, Marktanalyst beim bankenunabhängigen britischen Research-Haus Capital Economics, hält in einer aktuellen Einschätzung folgendes fest. "Die bessere Performance von Edelmetallen als andere "Safe-Hafen"-Anlagen zu Beginn dieses Jahres ist bereits seit geraumer Zeit ins Stocken geraten, und wir erwarten nicht, dass sie in naher Zukunft wieder anlaufen wird."
2019 sei bisher ein ausgezeichnetes Jahr für sichere Anlagen gewesen, da die Zentralbanken ihren Kurs geändert und wieder mit der Lockerung der Geldpolitik begonnen hätten - hochwertige konventionelle Staatsanleihen hätten sich im Zuge dessen auf breiter Front ebenso gut bewährt wie ihre inflationsgeschützten Pendants. Edelmetalle seien jedoch die allererste Wahl gewesen. So habe GSCI Precious Metals Index komfortabel alle wichtigen Indizes für hochrangige Staatsanleihen übertroffen, die man bei Capital Economics verfolgt.
Zu konstatieren sei aber auch eine Zweiteilung des Marktgeschehens. Denn die Outperformance der Edelmetalle habe sich seit Anfang September zu entspannen begonnen, wobei die Rallye der sicheren Anlagen dabei generell gestoppt worden sei.
Um zu verstehen, warum das so sei, hilft es laut Jones, darüber nachzudenken, wie sich Edelmetalle in der Vergangenheit in der Regel entwickelt haben. Demnach sei deren Entwicklung stärker mit jener der US-TIPS (inflationsgeschützte Anleihen) korreliert als andere sichere Anlagen. Das mache auch Sinn, weil Edelmetalle "echte" Vermögenswerte seien.
Aber sie seien auch viel volatiler - was bedeute, dass sie typischerweise besser abschneiden würden, wenn die TIPS gut laufen, und schlechter, wenn sich diese schlecht entwickeln. (siehe Grafik). Die jüngste Performance entspreche somit nur einer Fortsetzung des üblichen Musters.
Was die weiteren Aussichten angehe, so ist Jones der Meinung, dass ein weiterer starker Rückgang der realen Renditen und eine damit einhergehende Erholung der TIPS angesichts der Aussichten für die US-Wirtschaft unwahrscheinlich ist. Man geht bei Capital Economics zwar davon aus, dass sich die Konjunktur in den nächsten Quartalen weiter abschwächen wird, geht aber gleichzeitig auch davon aus, dass es in den Jahren 2020-2021 zu keiner Rezession kommt.
Die Rendite zehnjähriger TIPS könne als Rendite einer herkömmlichen zehnjährigen US-Staatsanleihe abzüglich einer zehnjährigen Inflationskompensation betrachtet werden. Obwohl man die hauseigene Prognose für die konventionelle zehnjährige US-Staatsanleiherendite für Ende 2020 kürzlich nach unten korrigiert habe, erwartet das Research-Institut aber gemessen am aktuellen Niveau keinen weiteren Rückgang. Gleichzeitig könnte sich die zehnjährige Inflationskompensation etwas erhöhen. Mit rund 1,6 Prozent sei sie im historischen Vergleich derzeit niedrig. Angesichts der Tatsache, dass die tatsächliche Inflation und die Rohstoffpreise wahrscheinlich weiterhin gedämpft bleiben, bezweifelt Jones aber, dass sie sehr deutlich steigen wird.
Dies deute darauf hin, dass die Renditen von TIPS im nächsten Jahr kaum besser als Null sein werden, was im Hinblick auf die Grafik mit ähnlichen Renditen bei Edelmetallen einhergehe. Natürlich hätten sich die Edelmetalle gelegentlich deutlich besser oder schlechter entwickelt, als es die Korrelation insgesamt vermuten lasse. Per Saldo geht man jedoch davon aus, dass das nächste Jahr ein Jahr sein wird, in dem die Edelmetalle etwas schlechter abschneiden, als es die Historie vermuten lässt. Das hat auch mit der Annahme zu tun, dass die physische Nachfrage nach Gold - insbesondere nach Schmuck - weiterhin schwach bleiben wird. Und auch die industrielle Nachfrage nach Silber, die rund zehn Prozent des GSCI Precious Metals Index ausmache, dürfte verhalten sein, wenn sich die chinesische Wirtschaft weiter abschwäche, wie Capital Economics das prognostiziert.
Julius Bär: Gold mit Momentum-Spitze - Rückstufung auf "bärisch"
Zum Goldpreis hat sich in dieser Woche auch schon Mensur Pocinci, Charttechniker beim Schweizer Bankhaus Julius Bär zu Wort gemeldet. Zunächst stellt in einer schriftlichen Einschätzung allgemein fest, dass Gold die jüngsten Gewinne zuletzt nicht halten konnte, Basierend auf dem Chart unten kommt er zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich jetzt zu einer längeren Phase mit Preisrückgängen kommt. Folglich hat er sein Anlageurteil auf "bärisch" gesenkt.
Aus seiner Sicht mehren sich jedenfalls die Anzeichen für einen mittelfristigen Höchststand beim Blick auf Gold. Wie aus dem Chart zu ersehen sei, seien die Risiken gestiegen, dass Gold wieder in seine alte Handelsspanne zurückkehrt, da sowohl die mittel- als auch die langfristigen Momentum-Indikatoren ihren Höhepunkt erreicht hätten.
Ähnlich wie bei anderen Safe-Hafen-Anlagen dürfte Gold seinen Höhepunkt zunächst erreicht haben, da Aktien nun wieder dabei seien, neue Allzeithochs zu markieren und Anleger Positionen in den als sichere Häfen wahrgenommenen Anlagen liquidierten. Nur eine Rückeroberung von Preisen von über 1.520 Dollar je Feinunze würde die verschlechterte Ausgangslage wieder rückgängig machen. Die nächsten wichtigen Unterstützungen für den Goldpreis sieht Pocinci bei 1.450 bis 1.400 Dollar je Feinunze.