Einmal pro Woche erhalten Anleger einen Einblick, wie sich unter kommerziellen Branchenangehörigen (Commercials), Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) die Stimmung verändert hat. In der Woche zum 23. Februar ging es mit der Anzahl offener Kontrakte - dem sogenannten Open Interest - zum dritten Mal in Folge bergauf. Dieser kletterte auf Wochensicht von 428.912 auf 445.290 Kontrakte (+3,8 Prozent). Zur Erinnerung: Zum Jahreswechsel wurde ein Wert von lediglich 401.880 Futures gemeldet.
Noch beeindruckender entwickelte sich in den vergangenen acht Wochen jedoch die kumulierte Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Terminspekulanten. Sie hat sich seither von 15.335 auf 163.149 Kontrakte mehr als verzehnfacht und war für die diesjährige Kursrally des Goldpreises in Höhe von über 15 Prozent hauptverantwortlich. Die Flucht in Gold-Futures war sowohl unter großen als auch unter kleinen Spekulanten zu beobachten, wenngleich mengenmäßig natürlich bei den Großspekulanten erheblich mehr bewegt wurde.
Eine regelrechte Massenflucht gab es in diesem Jahr unter den Großspekulanten zu beobachten. Sie haben nämlich ihre Netto-Long-Position seit Ende Dezember von 19.102 auf 144.978 Futures (+659 Prozent) nach oben gefahren. Die Kleinspekulanten sind innerhalb dieses Zeitraums vom "Bärenlager" ins "Bullenlager" gewechselt. Aus einer Netto-Short-Position (pessimistische Markterwartung) von 3.767 Futures - das heißt, dass mehr Gold-Futures verkauft (short) als gekauft (long) wurden - wurde eine Netto-Long-Position von 18.171 Futures.
Einen Aspekt sollten Anleger beim Beobachten von Futures auf Gold niemals vergessen: Weil sie in erster Linie aus Zahlungs- und Lieferversprechen bestehen, sollte wirksamer Krisenschutz in erster Linie über Goldmünzen bzw. Goldbarren bewerkstelligt werden. Grund: An der Commodity Exchange, dem Handelsplatz für Gold-Futures, stehen die offenen Gold-Kontrakte für 4,45 Millionen Feinunzen Gold, während diesem Open Interest derzeit lediglich registrierte Goldbestände von etwas mehr als 270.000 Feinunzen gegenüberstehen. Das heißt: Im extremen Krisenfall kann die Rechnung gar nicht aufgehen - irgendjemand wird diese Missverhältnis bezahlen müssen.
Auf Seite 2: Weltgrößter Gold-ETF wird immer schwerer
Während bei Chinesen und Indern das Interesse am gelben Edelmetall in den vergangenen Wochen - wahrscheinlich aufgrund des erhöhten Preisniveaus - in Mitleidenschaft gezogen wurde, konnte man unter US-Investoren einen starken Goldappetit ausmachen. Über massive Zuflüsse dürfte sich in diesem Jahr der weltgrößte Gold-ETF SPDR Gold Shares freuen. Dessen gehaltene Goldmenge hat sich nämlich seit dem Jahreswechsel um 18,7 Prozent von 642,37 auf 762,40 Tonnen (Stand: 26.02.2016) deutlich erhöht. Dies stellte den höchsten Wert seit März 2015 dar.
Der US-Milliardär John Paulson, dürfte die diesjährige Goldrally allerdings mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis nehmen. Lachend, weil er als größter Einzelinvestors des Gold-ETFs mit seinem Bestand von aktuell 5,78 Millionen Anteilen (Stand: 31.12.15) an einem steigenden Goldpreis prächtig verdient. Weinend, weil er sich in den Monaten September bis Dezember 2015 von fast 3,5 Millionen ETFs getrennt hat. Allein der entgangene Gewinn dieses Pakets entspräche seit dem Jahresultimo einem Wert von fast 55 Millionen Dollar.
Paulson befindet sich mit seinem unglücklichen Timing übrigens in bester Gesellschaft. Auch angesehene Banken mit bestens bezahlten Managern haben sich im vierten Quartal von den Gold-ETFs und damit von einer der gewinnträchtigsten Anlageklasse des Jahres 2016 getrennt. Unter den 15 größten Einzelinvestoren beim SPDR Gold Shares haben folgende Finanzinstitute ihre Bestände besonders kräftig reduziert: Morgan Stanley (-42,7 Prozent), Goldman Sachs (-29,6 Prozent), UBS (-21,9 Prozent), JPMorgan Chase (-15,3 Prozent) und Bank of America (-13,3 Prozent).
Zum Commitments of Traders-Report:
Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.
Zum Autor:
Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.