Die Schlagzeile hatte es in sich: "Gold auf Vierjahrestief" lautete die Meldung, die sich rund um den Globus verbreitete wie ein Lauffeuer. Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - konnten sich die Aussteller auf der Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse am vergangenen Wochenende im Münchner Olympiapark über mangelnden Zuspruch nicht beklagen.
"Unsere Kunden sind sehr gut über die Preisentwicklung informiert und kaufen gezielt nach, um ihr Vermögen zu diversifizieren und gegen Unwägbarkeiten abzusichern", sagt etwa Wolfgang Wrzesniok- Roßbach, Geschäftsführer von Degussa, mit einem Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro im Privatkundengeschäft Deutschlands größter Goldhändler. "Die Angst vor Finanzkrisen ist unterschwelliger geworden, aber sie ist noch längst nicht weg."
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Der Eurovorteil
Der Nachfrage nach Barren und Münzen tut der jüngste Preisrutsch an den Terminbörsen keinen Abbruch. Das liegt auch daran, dass aus Sicht deutscher Anleger - abgesehen von einer kleinen Korrektur - so gut wie nichts passiert ist. Seit Mitte Juli gab der Goldpreis um 12,8 Prozent nach. Da das Edelmetall an den Terminbörsen in Dollar gehandelt wird und die US-Währung
gegenüber dem Euro gleichzeitig um neun Prozent zulegte, haben Anleger hierzulande kaum etwas von der jüngsten Goldschwäche zu spüren bekommen. "Gold ist, in Euro gerechnet, der am wenigsten volatile Rohstoff überhaupt", erklärt Marcus Grubb, der beim World Gold Council, einer Interessenvertretung der Goldindustrie, die Investmentstrategie verantwortet.
Die geringe Schwankungsanfälligkeit dürfte einer der Gründe sein, warum sich die Deutschen beim Thema Gold - anders als etwa bei Aktieninvestments - nicht aus der Ruhe bringen lassen. Eine aktuelle Studie
der Berliner Steinbeis-Hochschule, für die 2000 volljährige Bundesbürger befragt wurden, bestätigt diesen Eindruck. Jeder fünfte Befragte hat in den vergangenen beiden Jahren in Gold investiert. Und obwohl die Preise stark nachgegeben haben, sind 90 Prozent mit ihrem Investment keineswegs unzufrieden.
Historische Erfahrungen wie Inflation und Währungsschnitte, aber auch die
jüngsten Finanzkrisen haben in Deutschland eine Anlagekultur wachsen lassen, in der Gold mehr ist als ein kurzfristiger Renditebringer. Prominente Investoren wie Max Otte, Gründer des Instituts für Vermögensentwicklung, sehen es als "Wertaufbewahrungsmittel, das in den seltensten Fällen wieder verkauft wird". Wer einmal Münzen oder Barren besitzt, vererbt sie in der Regel. Keine Spur von der Hektik, die auf dem Frankfurter Parkett herrscht, wenn schlechte Konjunkturdaten oder politische
Konflikte Börsianer verunsichern.
Genau diese wirtschaftlichen und geopolitischen Unwägbarkeiten sind es, die Goldinvestoren trotz gelegentlicher Preisrücksetzer ruhig bleiben lassen. "Gold stabilisiert
das Depot auch bei Deflation", sagt Otte. Und Anzeichen für ein deflatorisches Szenario sieht er zuhauf: Die Teuerungsrate in der Eurozone lag im September mit 0,3 Prozent weit unter dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) anvisierten Ziel von zwei Prozent jährlich. Griechenland, Irland, Portugal oder Spanien und Italien kommen dank des beherzten Eingreifens der EZB mittlerweile zwar wieder an bezahlbare Kredite, doch die hartnäckige Wirtschaftskrise in den Peripheriestaaten schwächt sich allenfalls ab. Überwunden ist sie keineswegs. Und nun droht auch noch die Konjunkturlokomotive
des Kontinents zu entgleisen: Die Wachstumsprognosen für Deutschland mussten bereits mehrfach nach unten korrigiert werden, der Ifo-Index sank im Oktober zum fünften Mal in Folge.
Auf Seite 3: Die Sache mit dem Sachwert
Die Sache mit dem Sachwert
Um die Rezession im Süden Europas zu überwinden und im Norden zu verhindern, hat die EZB die Zinsen bereits auf 0,05 Prozent gesenkt. Da das nicht ausreicht, sollen nun Risikopapiere wie Staatsanleihen der Krisenländer, Pfand- und Kreditbriefe, möglicherweise auch Unternehmensbonds
aufgekauft werden. So sollen die Bilanzen der Banken entlastet und die ins Stocken geratene Kreditvergabe an die Wirtschaft wieder in Gang gesetzt werden. Für Kritiker wie den ehemaligen Hedgefondsmanager Jim Rogers sind die Maß nahmen der Zentralbank nichts anderes als ein gigantisches Gelddruckprogramm. Je mehr Papiergeld aber in Umlauf ist, umso höher steigt der relative
Wert von Sachkapital, dessen klassischste Form Edelmetalle sind.
Demnach sind die Deutschen gut auf mögliche Katastrophenszenarien vorbereitet - ob nun inflatorischer oder deflatorischer Art. Laut der Steinbeis-Umfrage besitzen 37 Prozent der Deutschen Anlagegold in Form von Barren oder Münzen. 2012 waren es erst 30 Prozent. Das Anlagegold in deutschem Privatbesitz summiert sich auf 4400 Tonnen im Gegenwert von fast 170 Milliarden Euro. Und 36 Prozent der Befragten planen der Erhebung zufolge, demnächst Gold zu kaufen.
Auf Seite 4: Die Frage des Preises
Die Frage des Preises
Doch wohin bewegt sich der Goldpreis? Die Schätzungen driften weit auseinander. Der Vermögensverwalter Incrementum in Liechtenstein erwartet bis Ende 2015 einen Preisanstieg auf über 1800 Dollar je Unze (31,1 Gramm). Die niederländische Bank ABN Amro rechnet hingegen mit einem starken Preisverfall auf 825 Dollar. Die Mehrheit allerdings erwartet, dass sich gar nichts tut. Vom Datendienst Bloomberg befragte Analysten sehen den Goldpreis bis Ende 2015 im Mittel fast unverändert.
Insofern könnte der Goldpreis aus Sicht deutscher Anleger von der weiteren Entwicklung des Dollar bestimmt werden - dem die Mehrheit der Experten wiederum ein fulminantes Comeback zutraut: Auf Sicht von einem Jahr erwarten etwa die Analysten von Goldman Sachs den Dollarkurs bei 1,20 Euro, bis Ende 2017 dürfte ihrer Meinung nach die Parität getestet werden. Mit anderen Worten: Verharrt der Goldpreis tatsächlich in der Region um 1200 Dollar je Feinunze und steigt die USWährung auf einen Euro, zieht auch die Notierung des Edelmetalls hierzulande von derzeit unter 1000 auf 1200 Euro an.
Das Risiko nach unten ist indes begrenzt: Die durchschnittlichen Produktionskosten für eine Unze liegen laut Schätzungen zwischen 900 und 1100 Dollar. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die profitabelsten Minen geben die Förderkosten in einer Bandbreite zwischen 300 und 400 Dollar an, während die Extremwerte am oberen Ende jenseits von 1400 Dollar liegen. Die niedrigeren Notierungen machen schon jetzt viele Minen unrentabel. Es zeichnet sich ein Minensterben ab, weshalb künftig wohl weniger Edelmetall abgebaut wird.
Kann der Goldpreis unter die Produktionskosten fallen? "Kurzfristig ja, dauerhaft nein", ist Börsenguru Rogers überzeugt, der von den jüngsten Preisentwicklungen an den Rohstoffmärkten allerdings selbst auf dem falschen Fuß erwischt wurde.
Der große Hype ist abgeklungen. Das haben viele spekulative Anleger lange vor Rogers realisiert. Sie haben mit den fallenden Preisen Positionen aufgelöst, Goldfonds mussten zwischen 2012 und 2013 fast 1000 Tonnen des Edelmetalls auf den Markt werfen, was zu einem gigantischen Überangebot und einem Preissturz führte. Inzwischen sind die Bestände in den ETFs vergleichsweise konstant, und andere Faktoren prägen die Entwicklung. Belastend wirkt unter anderem die sinkende Nachfrage aus China und Indien, den größten Goldimporteuren der Welt. Besonders stark setzte aber die Stabilisierung der US-Wirtschaft den Goldpreis unter Druck. Angesichts neuer Rekorde am Aktienmarkt ist das Edelmetall als sicherer Hafen nicht gefragt - im Moment jedenfalls.
Allerdings könnte sich das Blatt schon in Kürze wenden. Denn am 30. November entscheiden die Schweizer per Volksabstimmung, ob die Nationalbank (SNB) ihre Goldreserven erhöhen muss. Das fordert die Initiative "Rettet unser Schweizer Gold", die von Abgeordneten der nationalkonservativen SVP ins Leben gerufen wurde. Demnach sollen die Währungsreserven künftig mindestens zu 20 Prozent aus Gold bestehen. Zudem soll die SNB das Gold nicht mehr verkaufen und es ausschließlich in der Schweiz lagern.
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Tatsächlich hat die SNB vergleichsweise wenig Gold. Auf umgerechnet 500 Milliarden Franken summieren sich die Devisenreserven, nur 39 Milliarden oder acht Prozent davon hält sie in Goldbarren. Zum Vergleich: Die Bundesbank hat etwa 65 Prozent. Setzt sich die Initiative durch, müsste die SNB ein gigantisches Kaufprogramm auflegen. Zu aktuellen Preisen müsste sie rund 65 Milliarden Franken investieren, um 1650 Tonnen Gold zu erwerben. Selbst wenn sie die Käufe auf fünf Jahre strecken würde, stiege die globale Goldnachfrage dadurch um etwa zehn Prozent jährlich. "Das würde den Goldpreis auf jeden Fall anschieben", sagt Analyst Bernd Aumann von der Schweizer Großbank UBS.
Das Ergebnis ist offen. Bei der ersten Umfrage vor wenigen Tagen gaben 44 Prozent der Schweizer an, eher für höhere Goldbestände stimmen zu wollen. Doch um das Zentralbankgesetz entsprechend zu ändern, wären über 50 Prozent nötig.
Wie es auch kommt - zumindest Anleger, die noch kein Gold besitzen, sollten die momentane Schwäche nutzen, um erste Positionen aufzubauen, rät Otte. Und zwar tatsächlich physisch in Form von Münzen und Barren - quasi als Notgroschen für schlechte Zeiten. Denn die nächste Krise kommt bestimmt. "Die richtigen Sprünge am Goldmarkt gibt es dann, wenn Anleger echte Angst um ihr Geld haben", pflichtet Degussa-Geschäftsführer Wrzesniok-Roßbach bei.
Ihr Hoch bei über 1900 Dollar je Unze erreichten die Notierungen 2011, als viele europäische Staaten vom Bankrott bedroht waren und der Euro vor dem Zusammenbruch stand. Und über den Berg sind Europa und der Euro noch lange nicht.
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