Experten befürchten, dass ansonsten viele Bürger und Firmen aus Angst vor einem Euro-Austritt und einer Rückkehr zur Drachme ihre Konten leerräumen könnten. Angesichts der dramatischen Zuspitzung hob die Europäische Zentralbank das Volumen der Nothilfen für die griechischen Geldinstitute am Sonntag nicht an und vergrößerte damit den Druck. In Berlin lud Regierungschefin Angela Merkel Vertreter aller Bundestagsparteien für Montag (13.30 Uhr) zu einem Krisentreffen ins Kanzleramt ein.

Die griechische Regierung hatte bis Freitag mit den Gläubigern verhandelt, um eine Rückzahlung von Schulden an den Internationalen Währungsfonds am Dienstag sicherzustellen. In der Nacht zum Samstag kündigte Regierungschef Alexis Tsipras dann überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Geldgeber an. Für Entsetzen sorgte bei Euro-Partnern, dass er bei den Bürgern für eine Ablehnung warb. Es handele sich um ein "erpresserisches Ultimatum", kritisierte er in einer Fernsehansprache. Mit den Vorschlägen könne Griechenland wirtschaftlich niemals auf eigenen Beinen stehen. Das Referendum soll kommenden Sonntag stattfinden.

Tsipras' Regierung beantragte am Samstag noch eine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogrammes, das am Dienstag ausläuft. Die 18 anderen Finanzminister der Eurogruppe lehnten dies auf dem Sondertreffen in Brüssel ab. Viele Ressortchefs gaben Griechenland die Schuld am Scheitern der Gespräche. So sprach Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem von einem Vertrauensbruch. Sein finnischer Kollege Alexander Stubb sagte schon vor der entscheidenden Sitzung, "Plan B" - also Vorbereitungen für den sogenannten Grexit - müsse nun zum "Plan A" werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betonte: "Unsere Entschlossenheit wird den Euro stabil halten."

Varoufakis sagte am Sonntag der BBC, sein Land erwäge Kapitalverkehrskontrollen und die Banken am Montag geschlossen zu halten. Man werde darüber mit den Behörden in Griechenland und der Europäischen Zentralbank beraten. Sein Ministerium ergänzte, Kapitalverkehrskontrollen hätten für die Regierung keinen Vorrang und widersprächen eigentlich einer Währungsunion.

Dazu könnte Griechenland aber gezwungen sein: Am Sonntag bildeten sich vor Geldautomaten lange Schlangen. Im Athener Stadtzentrum warteten zum Teil 40 bis 50 Kunden darauf, Bargeld abheben zu können. Das Auswärtige Amt in Berlin warnte Reisende vor erheblichen Wartezeiten bei der Bargeldversorgung und riet, sich vor dem Aufbruch nach Griechenland mit ausreichend Banknoten zu versorgen.

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EZB FRIERT VOLUMEN VON NOTHILFEN EIN



Für weiteren Druck sorgt die Entscheidung der EZB, das Volumen der ELA-Nothilfen für griechische Geldinstitute nicht weiter zu erhöhen. In den vergangenen Wochen hatten die Währungshüter der Notenbank in Athen immer wieder erlaubt, die Geldhäuser mit mehr Mitteln zu versorgen. Zuletzt lag das Volumen bei knapp 90 Milliarden Euro. Die EZB erklärte nun, man beobachte die Lage und sei bereit, die Entscheidung zu überprüfen.

Vor allem in Deutschland regt sich an den Nothilfen immer mehr Kritik, weil sie den Regeln zufolge nur solventen Banken gewährt werden dürfen. Zudem würden die anderen Staaten bei einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone auf den griechischen Zentralbankschulden sitzenbleiben.

Ob es in den kommenden Tagen weitere Versuche gibt, sich mit der griechischen Regierung zu einigen, ist unklar. Varoufakis sagte der "Bild", Merkel halte als Vertreterin des wichtigsten Landes den Schlüssel in der Hand. "Ich hoffe, sie nutzt ihn." Griechenland sei für neue Vorschläge offen. Die Vertreter der Gläubiger müssten guten Willen zeigen.

Unklar ist indes, wie das Referendum am Sonntag ausgeht. Umfragen zufolge will eine klare Mehrheit der Griechen in der Euro-Zone bleiben. Zudem befürworten die meisten Bürger einen Kompromiss mit den Gläubigern, wie aus zwei Erhebungen hervorgeht, die allerdings aus den Tagen vor der Zuspitzung der Krise stammen.

Mit dem Scheitern der Verhandlungen fehlt eigentlich die Grundlage für ein Referendum. Sollten sich die Bürger dennoch für die Vorschläge der Gläubiger aussprechen, könnte die Regierung zum Rücktritt gezwungen sein. Was danach passieren könnte, ist unklar. Vizekanzler Sigmar Gabriel kritisierte in der "Süddeutschen Zeitung", Tsipras wolle Angebote nur ohne Bedingungen annehmen. "Das wird Europa auch nach einem Referendum nicht akzeptieren können."

Trotzdem gibt die Politik die Hoffnung nicht auf. So erklärte EU-Kommissar Pierre Moscovici, Griechenland könne die Verhandlungen über die jüngsten EU-Vorschläge wieder aufnehmen. "Die Tür ist weiter offen." Auch IWF-Chefin Christine Lagarde sagte, die Regierung könne ihren Kurs immer noch ändern. Sollten die Griechen mit einem überwältigenden Votum für einen Verbleib im Euro und eine Stabilisierung der heimischen Wirtschaft stimmen, wären die Gläubiger zu weiteren Anstrengungen bereit, sagte sie der BBC.

Reuters