Am Sonntag waren Gespräche der Gläubiger mit Vertretern der griechischen Regierung ohne Fortschritte beendet worden. Wie schon seit Monaten finden beide Seiten keinen gemeinsamen Nenner bei den Reformauflagen für neue Milliardenhilfen, ohne die das Land absehbar in eine chaotische Staatspleite abrutschen dürfte. Nach fünf Jahren Dauerkrise will die Regierung in Athen dem Volk keine weiteren sozialen Lasten zumuten. Die Geldgeber pochen auf Reformen: Sie wollen kein Geld in ein Fass ohne Boden geben.
Am Donnerstag machen sich die Euro-Finanzminister erneut auf die Suche nach einem Kompromiss. Die wohl allerletzte Chance für Verhandlungen dürfte ein EU-Gipfel kommende Woche Donnerstag und Freitag sein. Einem Kompromiss könnten dann am folgenden Montag oder Dienstag die Parlamente in einigen Euro-Ländern - darunter der Bundestag - noch auf den letzten Drücker zustimmen. Kommt es nicht zu einer Einigung, verfällt die letzte Tranche von 7,2 Milliarden Euro aus dem am 30. Juni endenden Hellas-Hilfspaket.
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VORSICHTIGE FORMULIERUNGEN ZUM VERBLEIB IM EURO
Frankreichs Präsident Francois Hollande sagte, es dürfe keine Zeit mehr verloren werden. Die Bundesregierung betonte, sie arbeite mit aller Kraft an einer Einigung. Sie machte aber auch klar, dass sie den Ball allein im Feld der Griechen sieht. So wählte Regierungssprecher Steffen Seibert bewusst die offene Formulierung: "Wir wollen, dass Griechenland Mitglied in der Euro-Zone bleiben kann." Finanzministeriumssprecher Martin Jäger sagte, es liege jetzt ausschließlich an der griechischen Seite, auf das großzügige Angebot der drei Institutionen EZB, IWF und EU-Kommission einzugehen, die mit ihr die Verhandlungen führen.
Journalistenfragen, ob Finanzminister Wolfgang Schäuble der griechischen Regierung Hilfe für den Fall eines Euro-Austritts angeboten habe, beantwortete Jäger mit: "Nein". Ziel sei es, das Hilfsprogramm erfolgreich abzuschließen. "Die Zeit wird knapp."
Umstritten ist vor allem eine Rentenreform. Die Gläubiger fordern jährliche Einsparungen im Rentensystem von einem Prozent des BIP. Als Grund nannte IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard, dass Renten und Gehälter drei Viertel der Staatsausgaben ausmachten. Beim restlichen Viertel habe es bereits Einschnitte bis auf die Knochen gegeben. Umstritten ist aber zum Beispiel eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, vor allem für Strom.
Tsipras warf den Geldgebern in der Zeitung "Ton Syntakton" vor, sein Land wegen eigener politischer Zwänge "ausrauben" zu wollen. Sein Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis sagte, er sehe keinen Grund, warum die auf dem Tisch liegenden Vorschläge Athens nicht akzeptiert würden. Eine Rentensenkung und eine höhere Mehrwertsteuer für bestimme Waren kämen nicht infrage.
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DAUERKRISE BELASTET MÄRKTE
Ob unter diesen Voraussetzung noch ein Kompromiss gelingt, ist offen. "Wir brauchen einen Notfallplan, einen Plan B", forderte Oettinger. Es stehe weiter das Angebot, Griechenland in der Euro-Zone zu halten: "Aber dafür muss Griechenland sich bei der Rente, der generellen Haushaltssanierung bewegen." SPD-Chef Sigmar Gabriel schrieb in einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung: "Der Schatten des Austritts von Griechenland aus der Euro-Zone bekommt immer mehr Konturen." Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte in der ARD, er sehe keinen Spielraum für weitere Zugeständnisse an die Griechen. Man lasse sich nicht erpressen.
Die Entwicklung belastet weiter die Finanzmärkte weltweit. Der Euro verbilligte sich um bis zu einem Dreiviertel US-Cent auf 1,1193 Dollar. Der Dax notierte zwei Prozent im Minus. Der Athener Leitindex sackte um fünf Prozent ab.
Reuters